Die Astronomin Christina Thöne hat hier in Blog schon öfter in Gastartikeln über ihre faszinierende Arbeit berichtet. Sie erforscht “Gammablitze”, die gewaltigsten Explosionen im Universum. Kürzlich haben sie und ihre Kollegen ein ganz besonders beeindruckendes Exemplar entdeckt und um was es sich dabei genau handelt, hat Christina netterweise in einem weiteren Artikel für euch erklärt. Viel Spaß damit!
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Massereiche sterbende Sterne sind immer eine explosive Sache und hierüber wurde schon des öfteren in diesem Blog berichtet (z.B. hier, hier und hier). Wenn solche Sterne nicht nur mehr als 8 Sonnenmassen (die Mindestgrenze für eine sogenannte “Supernova“) haben sondern 20, 30 und mehr Sonnenmassen und zudem sehr schnell um ihre eigene Achse rotieren kann zu einer Supernova noch ein sogenannter Gammablitz entstehen. Dabei kollabiert der Stern nicht sphärisch symmetrisch, sondern bildet einen Neutronenstern oder ein schwarzes Loch mit einer Akkretionsscheibe und zwei Jets, die hochrelativistisches Material entlang der Rotationsachse des Sterns hinausjagen. In diesen Jets gibt es Material mit verschiedenen Geschwindigkeiten, die Schocks hervorrufen und die wiederum dann die beobachtbaren Gammastrahlen erzeugt. Wenn der Jet dann irgendwann mit der interstellaren Materie reagiert gibts noch mehr Schocks die dann aber weniger energiereich sind und den sogenannte “Afterglow“ hervorrufen den man dann z.B. auch optischen sehen kann.

Die Vorläufersterne solcher Explosionen sind normalerweise “Wolf-Rayet”-Sterne , benannt nach zwei französischen Astronomen. Solche Sterne haben ihre äusseren Hüllen aus Wasserstoff und Helium entweder durch Sternwinde verloren oder diese wurden so ausgiebig “verstoffwechselt” im Sterninneren dass davon nicht mehr übrig ist. Am Ende der Kernfusionsprozesse explodieren diese dann als Supernova Typ Ic, in diesem Falle als Supernova Typ Ic – broad line (“breite Linien” auf Englisch), da die Explosionsenergie so hoch ist dass das herauskommende Material sich mit 10.000 und mehr km/s bewegt und das die Spektrallinien extrem verbreitert.

Gammablitze gibt es ja schon viele hundert und die zugehörige Supernova Ic-BL wurde auch schon in mehreren dutzenden Fällen beobachtet. Ein Gammablitz hat seine maximale Helligkeit normalerweise am Anfang und fällt dann exponentiell ab (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel), während die Lichtkurve einer Supernova meist aus dem Zerfall von radioaktivem Nickel 56 gespeist wird und ihr Maximum erst nach einigen Tagen oder oft auch Wochen erreicht. Da die Supernova um vieles leuchtschwächer ist als der Gammablitz wird deren Beobachtung jenseits einer Rotverschiebung von 0.6-0.7 recht schwierig, vor allem wenn man noch Spektroskopie erhalten will, da dann auch die grössten Teleskope zu wenig Licht einfangen können. Man weiss inzwischen schon einiges über diese Art von Supernova und nicht alle sind komplett gleich. Aber das wäre ein Artikel für sich.

Bild 1: Künstlerische Darstellung eines GRB mit jets und Kokons um den Jet (orange) (Bild: Serena Esposito)

Wenn der Stern nun explodiert muss der im inneren produzierte Jet muss also erst einmal so stark sein dass er sich den Weg aus dem Stern bahnen kann und dann noch Energie übrig hat um den besagten Gammablitz zu erzeugen. Da ein Stern nun aber an der Rotationsachse immer noch einiges an Materie hat müssen die Sternschichten und der Jet irgendwie interagieren. Und wenn man viel Glück hat sollte man vielleicht, wenn man richtig hinschaut und weiss nach was man suchen muss, irgendeinen Hinweis auf solche Materie finden, die mit dem Jet interagiert und von selbigem aus dem Stern herausbefördert wird.

Theoretiker haben solche “Kokons” schon lange vorhergesagt (ein gutes Paper hierzu ist das von Nakar & Piran, ersterer hat auch die Nature News&Views zu unserem Artikel verfasst, was normalerweise heisst dass der Mensch auch einer der Referees war). Bei der Verschmelzung von Neutronensternen, die kurze Gammablitze (durch einen ähnlichen Mechanismus mit Akkretionsscheibe und Jets) und auch Gravitationswellen erzeugen, wurden solche Kokons gefunden. Wenn der Kokon zu schwer ist, also zu viel Masse mitführt, und der Jet nicht energiereich genug, kann dies sogar dazu führen dass der Jet “abgewürgt” wird und die Sternoberfläche nie erreicht (was dann allerdings trotzdem Einflüsse auf die eigentliche Supernova hat die dann nicht mehr symmetrisch ist, ganz verstecken kann er sich also nicht, der Jet, wenn es ihn mal gibt).

Nun ist es uns mit einem Ereignis, das am 5. Dezember 2017 entdeckt wurde, GRB 171205A mit zugehöriger SN 2017iuk, gelungen, zum ersten Mal Material aus diesem Kokon zu sehen und zu studieren. Dabei kamen uns mehrere glückliche Umstände zur Hilfe: Erstens war das Ereignis für astronomische Verhältnisse recht nah, “nur” gut 160 Megaparsec (ca. 500 Millionen Lichtjahre). Zweitens war die Supernova selbst vergleichsweise lichtschwach (einer der zwei schwächsten GRB-SNe die wir bisher kennen), was die Beobachtbarkeit zusätzlicher Emissionen etwas erleichtert und drittens haben wir verdammt schnell hingeschaut.

Bild 2: Optische Spektren von GRB171205A/SN2017iuk in relativer Geschwindigkeit (v=0 km/s entspricht der Fluchtgeschwindigkeit der Hostgalaxie) um die Kalzium (links) und Siliziumlinien (Mitte) herum. Sternchen sind die Mittpunkte der Absorptionslinien, deren Geschwindigkeit im rechten Fenster geplottet ist zusammen mit ein paar anderen GRB-SNe. Die gestrichelten Linien sind die Geschwindigkeiten, wo wir die Linien erwarten würden wenn wir nur die „normale“ GRB-SN beobachten würden, man sieht also, das Material in den ersten Tagen muss von einer zusätzlichen Komponente stammen. (Bild: Izzo et al (2019)).

Und hatten Glück! Ein erstes Spektrum wenige Stunden nach dem GRB war noch ziemlich glatt und eintönig, aber schon das zweite Spektrum, weniger als 24h nach Explosion zeigte seltsame, breite “Wellen”, die, wie sich herausstellen sollte, von Materie mit hoher Ausbreitungs- (was die Linien ins Blaue verschiebt) und Geschwindigkeitsverteilung (was die Linien breit macht) stammt. Speziell wurde das in Kalzium und Siliziumlinien nachgewiesen (siehe das Bild oben). Gleichzeitig beobachteten wir auch einen sich ausbreitenden, heissen Schwarzkörper, der nicht von der Supernova, sondern einer andere Komponente stammen musste.

Nach vielem Modellieren war klar dass das hier Material von einem solchen Kokon sein könnte. Die Modelle zeigen auch dass das Material im Kokon reich and den schwersten Elementen am Endpunkt der Kernfusion in Sternen ist, nämlich Eisen, Kobalt und Nickel. Das Material mit niedrigerer Geschwindigkeit besteht dann hauptsächlich aus Kalzium, Chrom, Titan und auch ein bisschen Nickel, was sonst auch üblicherweise in Supernovae beobachtet wird. Ein weiterer Hinweis darauf, dass dieses schnelle Material direkt aus dem Sterninneren stammt, da die Kernfusion von sehr schweren Elementen nur mit den Drücken und Dichten im Kern eines massereichen Sterns möglich ist (unsere Sonne ist dafür z.B. generell viel zu leicht, da ist schon bei Kohlenstoff ziemlich Schluss, weswegen Weisse Zwerge auch hauptsächlich aus Kohlenstoff bestehen).

Wie man sieht, kein ganz einfaches Thema, aber trotzdem sehr wichtig für das Verständnis von Sternexplosionen, und eine Theorie nachzuweisen, die es schon lange gibt, ist immer gern ein Naturepaper wert. Und wie man sieht ist das Thema auch relevant für den “täglichen Gebrauch”, weil dies eine der Möglichkeiten ist, solch schwere Elemente tatsächlich aus dem Sterninneren herauszubefördern (das meiste der “Kernfusionsschlacke” versinkt nämlich im Schwarzen Loch), die dann wiederum in der nächsten Sterngeneration verarbeitet werden und ein Teil davon in deren Planetensystemen landet.

Wie jedes Nature-Paper zog natürlich auch dieses die Aufmerksamkeit der Presse auf sich und jedes Institut, dessen Mitarbeiter Koautoren sind, gibt normalerweise seine eigene Pressemitteilung heraus. So hatte wir natürlich welche auf Spanisch und Englisch, aber auch Niederländisch, Polnisch, Dänisch und, mein absoluter Favorit: Isländisch (ein Koautor ist Doktorand in Reykjavik)! Da Isländisch zwar eine germanische Sprache, aber absolut frei von Fremdwörtern ist, muß man sich für sämtliche wissenschaftlichen Ausdrücke ein neues Wort einfallen lassen. Neben den üblichen hübschen Wörtern wie “alheimur“ (Weltall) und “stjarneðlisfræði“ (Sternenkunde) ist mein neues isländisches Lieblingswort “sprengistjarna“ (Supernova). (Anm. Die Autorin hat mal ein paar Jahre Isländisch gelernt, das inzwischen völlig unbrauchbar geworden ist, findet die Sprache aber noch immer toll)

Neben dem Objekt selbst ist auch seine Host- oder Heimatgalaxie recht interessant. Normalerweise entstehen GRBs in Galaxien mit extremer Sternentstehungsrate und interessanterweise geringer Metallizität (Metalle ist für Astronomen alles schwerer als Helium), was bei geringer Rotverschiebung häufig in Zwerggalaxien der Fall ist. Der Host dieses GRBs ist allerdings eine wunderschöne Spiralgalaxie (siehe das Bild unten), von der wir, ob der geringen Entfernung, jede Menge tolle Daten in allen möglichen Wellenlängen haben. Und die, nächste Überraschung, auch eine andere Spiralgalaxie als Nachbar hat, ob der vielleicht was mit der ganzen Sache zu tun hat…? Die nächsten Monate wird es also noch weitere Publikationen über unseren GRB und seine Galaxie geben.
Oder auch nicht so bald, denn das nächste aufregende Event hat schon wieder an der Tür geklopft und fordert Aufmerksamkeit. Dieses mal mit sehr energiereichen Photonen, die man nur mit einem Cerenkovteleskop sieht, uns eins davon nennt sich “MAGIC“. Vielleicht gibt es bald hier einen neuen Artikel über den “magischen GRB“….

Bild 3: Hostgalaxie von GRB 171205A im optischen und UV. (Bild: A. de Ugarte Postigo)


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Quellen:

Link zum Originalpaper, bzw. bei arXiv.org.

Kommentare (5)

  1. #1 Ralf Hildebrandt
    Berlin
    24. Januar 2019

    Messbereiche sterbende Sterne?
    Ich denke eher “Massereiche sterbende Sterne”

  2. #2 Harald
    24. Januar 2019

    Die Kokons in Bild 1 haben für mich die Anmutung von liegenden Gummibärchen.

  3. #3 Christina Thöne
    24. Januar 2019

    Muss eine Gemeinheit der Autokorrektur gewesen sein, die ich übersehen habe. Scheint aber schon korrigiert zu sein, ich finde es im Text nicht mehr…

  4. #4 Esoterikervertreiber
    Mal hier, mal da, mal dort
    24. Januar 2019

    Danke für den Artikel, gerne mehr davon !

    Ach ja:
    Die arme Autokorrektur hat ihren Schöpfer verloren:
    https://www.der-postillon.com/2019/01/autokorrektur.html#more
    Da kann das schon mal passieren :))

    Duck und weg

  5. #5 D. Alexander Kann
    Granada
    1. Februar 2019

    Na, die Messbereiche sind jetzt weg, jetzt sind es nur noch “messereiche”. Reich an Messen, halt.

    Es sind noch ein paar andere Fehlerchen im Text, aber zumindest einer sollte berichtigt werden: Die Frau hinter der künstlerischen Darstellung heißt mit Nachnamen Esposito, da fehlt das o am Ende.

    Schöner Artikel, auf jeden Fall, und ich hoffe mal, unser Paper zieht etliche Nachstudien hinter sich. Ein Paper, welches jüngst in ApJ Letters erschienen ist aber schon vor langer Zeit wohl bei Science eingereicht wurde (https://arxiv.org/abs/1704.08298v2), hat auf jeden Fall schon geschrieben, dass die Entdeckung von Izzo et al. ihr Modell sehr stark untermauert – Koautor jenes Papers ist auch Ehud Nakar.