Der Artikel ist Teil einer Serie zum Buch ”Die Himmelsscheibe von Nebra – Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas”* von Harald Meller und Kai Michel. Die restlichen Artikel der Serie findet man hier.
——————-
Die Himmelsscheibe von Nebra ist vor allem eine HIMMELSscheibe. Sie zeigt uns den Himmel und das auf eine einzigartige Art und Weise. Und wie immer, wenn es um die Astronomie und sehr, sehr alte Objekte geht, landet man bei der “Archäoastronomie”. Eine Wissenschaft, die Harald Meller und Kai Michel in ihrem Buch als “Populär, aber berüchtigt” bezeichnen. Womit sie auch absolut recht haben. Es ist extrem faszinierend, über das astronomische Wissen der Kulturen aus der Vergangenheit nachzudenken. Man muss aber auch aufpasse, dass man sich nicht in irgendwelchen Spekulationen verrennt. Stonehenge ist das beste Beispiel: Der jahrtausende alte Steinkreis in England wird oft als “Steinzeit-Computer” bezeichnet, als “Steinzeit-Observatorium” und alle möglichen astronomischen Verbindungen werden aufgedeckt. Die Position der Steine soll die Berechnung bzw. Bestimmung astronomischer Ereignisse ermöglichen von den Jahreszeiten bis hin zu Sonnenfinsternissen.

Die Kreisgrabenanlage von Goseck – 7000 Jahre alt und astronomisch

Das Problem an der Sache: Die Astronomen, die solche Thesen aufstellen haben meist wenig Ahnung von der Vorgeschichte und Archäologie. Und sind oft ein klein wenig zu begeistert, von den astronomischen Möglichkeiten der Interpretation (und ich selbst will mich da gar nicht ausnehmen). Dabei ist das gar nicht immer so eindeutig wie es erscheint. Wenn da ein paar Steine, Gebäude, Holzpflöcke, etc in der Gegend herum stehen, dann kann man IMMER irgendwelche passenden Sichtlinien finden, über die sich markante Sterne anpeilen lassen. Zehn Steine in einem Steinkreis erlauben schon 90 Blickrichtungen in alle Richtungen am Himmel – da findet man bald etwas, das zu passen scheint. Dazu kommt: Der Himmel den wir heute sehen ist nicht der gleiche Himmel, den man vor ein paar tausend Jahren gesehen hat. Die Erdachse schwankt im Lauf der Zeit hin und her und alles verschiebt sich ein wenig. So lange ein Objekt bzw. eine Struktur nicht genau datiert ist, weiß man gar nicht, was man da eigentlich sehen hätte sollen.

Man muss also aufpassen, wenn man alte Objekte astronomisch interpretieren will. Sonst landet man schnell bei Pseudowissenschaft á la Erich von Däniken. Das gilt natürlich auch für die Himmelsscheibe, bei der esoterische und pseudowissenschaftliche Interpretationen schon von Beginn an eine Rolle gespielt haben. Schon Hildegard B., die die Scheibe am Schwarzmarkt gekauft und wieder weiter verkaufen wollte war überzeugt, durch sie Visionen aus der Bronzezeit erlebt zu haben…

Hier hat’s Astronomie, so viel ist sicher – aber welche Astronomie genau??

Dementsprechend vorsichtig waren die Wissenschaftler auch, als an die Deutung der astronomischen Symbole auf der Himmelsscheibe ging. Dass die Scheibe den Nachthimmel zeigt, scheint unbestritten; ebenso unbestritten ist die Bedeutung, die die Himmelskörper immer schon für die Menschen gehabt haben. Früher war der Anblick tausender Sterne am dunklen Nachthimmel ein gewohnter Anblick für die Menschen und die Sterne haben eine große Rolle bei der Orientierung gespielt. Es war vermutlich wichtig für die frühe Menschheit zu wissen, wann bestimmte Sternbilder im Laufe eines Jahres das erste Mal am Nachthimmel zu sehen sind und wann sie wieder verschwinden. Für eine umherziehende Spezies war das wesentlich praktischeres Wissen als die Bewegung der Sonne. Denn um sie als jahreszeitlichen Taktgeber nutzen zu können, muss man erst mal seßhaft werden. Erst dann kann man anfangen, am Horizont Punkte zu markieren (zum Beispiel durch Steine in Steinkreisen), an denen die Sonne zu bestimmten Zeiten im Jahr auf- oder untergeht. Denn diese Punkte ändern sich je nach Ort; ebenso wie die Ausrichtung der Himmelsrichtungen. Die kannten die Menschen der Steinzeit aber schon ziemlich gut. Sehr viele Gräber aus dieser Zeit sind erstaunlich exakt nach Osten ausgerichtet. Es ist gar nicht so einfach, die Himmelsrichtungen GENAU aus dem Sonnenstand abzuleiten. Wenn man einfach nur einen Stock in die Erde steckt und dann schaut, in welche Richtung der Schatten zu Mittag zeigt, kann man die Nord-Süd-Richtung nur mit einer Genauigkeit von etwa 5 Grad bestimmen. Der Fehler bei der Ausrichtung der steinzeitlichen Gräber betrug aber nur etwa 3 Grad.

Die Menschen mussten also in der Lage sein, an beliebigen Orten die Himmelsrichtungen sehr genau zu bestimmen (und mussten überhaupt erstmal eine abstrakte Vorstellung davon haben, was Himmelsrichtungen eigentlich sind). Eine Methode mit der sie das gemacht haben könnten, ist der sogenannte “indische Kreis”, dessen Verwendungen an vielen Orten der Welt nachgewiesen worden ist:

Die Menschen wussten also schon in der Bronzezeit (und vermutlich auch davor) die Astronomie für ihre Zwecke zu verwenden. Was aber die Aufgabe der Himmelsscheibe war, war viel schwerer zu entschlüsseln…

*Affiliate-Links

Kommentare (1)

  1. #1 rolak
    27. Februar 2019

    Ah, da isser ja, im rssFeed gabs ja bereits eine Vorschau, aus der allerdings nur ‘Visionen’ haften geblieben war…
    Da hinten noch weniger als 1000 Worte zu den Bildern des indischen Kreises.