SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Sternengeschichten Folge 332: Transiente Mondphänomene

“Plötzlich teilte sich das obere Horn der Mondsichel, Funken sprühten von der Sichel in den Himmel und der Mond zuckte wie eine verwundete Schlange”. Das, so berichten fünf Mönche aus dem englischen Canterbury, habe sich am 18. Juni 1178 zugetragen. Sie hätten die zunehmende Mondsichel am Abendhimmel beobachtet, als plötzlich der ganze Mond verrückt spielte. Das Schauspiel war schnell vorbei und außer den fünf Mönchen gibt es keine bekannten Berichte aus der damaligen Zeit, die von Auffälligkeiten beim Mond erzählen.

791 Jahre später flogen die Astronauten Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins gerade mit ihrem Raumschiff um den Mond, als sie eine Anfrage von der Bodenstation bekamen. Zwei deutsche Astronomen aus Bochum hätten ein seltsames Lichtphänomen in der Nähe des Aristarchus-Krater beobachtet. Ob sie, wenn sie schon mal in der Nähe wären, denn nicht schauen könnten, ob es da wirklich was zu sehen gibt. Allerdings: Ein Bereich des Kraters schien deutlich stärker erleuchtet als der Rest, dort wäre ein Art Fluoreszenz zu sehen, sagte Michael Collins. Und Buzz Aldrin ergänzte, das eine der Kraterwände viel heller sei als die anderen, auch wenn er keine Fluoreszenz erkennen könne.

Aristarchus-Krater: Ist da was? (Bild: NASA)

Diese beiden fast acht Jahrhunderte auseinander liegende Ereignisse sind das, was man “transiente Mondphänomene” nennt, oder auch “Lunar Transient Phenomena” bzw. “Transient Lunar Phenomena”, da hat man sich noch nicht ganz geeinigt. Es geht um kurzzeitige Änderungen in der Helligkeit oder Farbe des Mondes und zwar nicht des ganzen Mondes sondern an bestimmten Punkten seiner Oberfläche.

Die Geschichte der Mönche aus Canterbury gehört zu den ältesten Beschreibungen dieses Phänomens die wir kennen und sie ist sicherlich auch die spektakulärste. Andere Beobachter in den Jahrhunderten danach erzählen von Lichtpunkten die kurzfristig auf der Mondoberfläche auftauchten, von Lichtblitzen, von wolkenartigen Phänomenen, und so weiter. Und es waren bei weitem nicht nur leicht hysterische Mönche, sondern auch waschechte Astronomen, die so etwas zu sehen glaubten.

In einem technischen Report für die NASA zählten die amerikanische Astronomin Barbara Middlehurst und ihre Kollegen 579 solcher Phänomene auf, von denen zwischen 1540 und 1967 berichtet wurde. Der britische Astronom Patrick Moore verwendete in diesem Bericht auch erstmals den Begriff “Transient Lunar Phenomena”. In aktuelleren Zusammenstellungen findet man schon mehr als 2000 dieser seltsamen Ereignisse.

Worum es sich dabei handelt, ist allerdings immer noch unklar. Denn es liegt in der Natur transienter Phänomene, dass sie nur ein einziges Mal für kurze Zeit auftreten. Deswegen heißen sie ja auch “transient”, also “flüchtig”. Die meisten dieser Phänomene sind daher auch nur von einzelnen Personen beobachtet worden. Es gibt also keine unabhängige Bestätigung ihrer Existenz und es ist schwer etwas vernünftig zu erforschen, von dem man nicht weiß, wann und ob es passiert.

Die große Häufung an Berichten lässt es plausibel erscheinen, dass da tatsächlich irgendein Phänomen ist. Obwohl natürlich mit Sicherheit ein Teil dieser Ereignisse wirklich auch auf unerfahrene Beobachter oder falsch interpretierte Beobachtungen zurück zu führen ist. Die englischen Mönche sind dafür ein gutes Beispiel. Wir können auf jeden Fall mal davon ausgehen, dass der Mond sich damals NICHT wirklich geteilt hat. Denn er ist ja immer noch ganz. Zuerst dachte man, dass die Mönche damals vielleicht den Einschlag eines gewaltigen Asteroiden auf dem Mond beobachtet haben. Es gibt in der fraglichen Region auch tatsächlich einen recht jungen Krater – passenderweise nach dem italienischen Priester und Astronomen Giordano Bruno benannt. Der ist aber nur jung im geologischen Sinn und mindestens eine Million Jahre alt. Wenn damals im 12. Jahrhundert wirklich ein riesiger Asteroid auf dem Mond eingeschlagen und so einen großen Krater geschaffen hätte, dann müssten Bruchstücke dieser Kollision auch auf die Erde fallen. Man hätte dann über Wochen hinweg immer wieder Meteoriten auf die Erde fallen sehen und das war nicht der Fall. Viel wahrscheinlicher haben die Mönche zufällig beobachtet, wie ein kleiner Meteorit aus dem All die Atmosphäre der Erde getroffen hat und darin auseinandergebrochen und spektakulär verglüht ist. Das ist aus ihrer Sicht genau vor dem Mond passiert und sah so aus, als würde es AUF dem Mond passieren.

Lichtblitz auf dem Mond (Bild: NASA)

Dinge, die irgendwo anders passieren und nicht auf dem Mond, können eine der Ursachen für die transienten Mondphänomene sein. Zum Beispiel Unregelmäßigkeiten in der Atmosphäre; verwirbelte Luftschichten oder ähnliches, die kurzfristig zu Helligkeitsänderungen im Licht des Mondes führen. Oder Weltraumschrott beziehungsweise Satelliten die von der Erde aus gesehen genau vor dem Mond vorüber fliegen und dabei im Sonnenlicht kurzzeitig aufleuchten. Oder vielleicht auch nur der Scheinwerfer eines Autos, das irgendwo vorbei fährt und den unaufmerksamen Beobachter blendet…

Aber auch Ereignisse auf dem Mond sind mögliche Ursachen. Es schlagen nämlich tatsächlich immer wieder kleine Asteroiden auf dem Mond ein. Da er keine Atmosphäre besitzt, werden die kleinen Felsbrocken aus dem All auch nicht abgehalten wie das bei der Erde der Fall ist. Alles was dem Mond zu nahe kommt, schlägt auf ihm ein und ein kleiner Einschlag kann dann eben auch nur einen kleinen Lichtblitz erzeugen, ganz ohne Weltuntergangsbeiwerk. Genau so etwas ist etwa am 21. Januar 2019 passiert. Damals haben ganz besonders viele Menschen den Mond beobachtet, denn es fand gerade eine Mondfinsternis statt. Und mittendrin gab es einen kurzen Lichtblitz, ausgelöst durch einen nur 10 Kilogramm schweren Brocken der auf dem Mond eingeschlagen ist. In diesem Fall gab es genug unabhängige Beobachtungen des Phänomens um sicher sein zu können, dass es stattgefunden hat und man konnte auch schnell herausfinden, was hier passiert ist. Ob und wie viele der transienten Mondphänomene der Vergangenheit durch Asteroideneinschläge verursacht worden sind, ist allerdings nicht klar.

Eine weitere und sehr interessante Erklärung ist Vulkanismus. Das war es auf jeden Fall, was der berühmte Astronom Wilhelm Herschel, der immerhin den Planeten Uranus entdeckt hat, am 19. April 1787 zu sehen glaubte. Bei seinen Beobachtungen entdeckte er drei rot leuchtende Punkte auf der dunklen Hälfte des Halbmonds. Das müssen Vulkane sein, die dort gerade ausbrechen, war seine Erklärung. Aktive Vulkane gibt es auf dem Mond aber definitiv nicht, das wissen wir heute recht gut. Aber zu der Zeit waren die Polarlichter über Europa sehr aktiv und man konnte sie weit bis nach Süden hinab sehen. Vielleicht war es diese Lichterscheinung, die Herschel beobachtet hatte?

Andere transiente Mondphänomene könnten aber tatsächlich mit Vulkanismus zu tun haben, zumindest mit den Vulkanen der Vergangenheit. Auch wenn der Mond im wesentlichen geologisch tot ist, könnte es unter seiner Oberfläche immer noch vereinzelte, kleine Bereiche mit geschmolzenen Gestein geben. Vulkanische Gase können daraus immer wieder mal an die Oberfläche gelangen. Dabei wirbeln sie den Mondstaub der dort herum liegt ein wenig auf was die Art und Weise verändert, wie der das Sonnenlicht reflektiert. Für diese These spricht, dass sehr viele transiente Mondphänomene in den immer gleichen Regionen auf dem Mond beobachtet worden sind. Allein ein Drittel beim Aristarchus-Krater, der auch die Mannschaft von Apollo 11 beschäftigt hat. Vielleicht befindet sich gerade dort ja wirklich noch ein wenig Restvulkanismus und die transienten Mondphänomen sind quasi die letzten Gaseruptionen die der Mond noch zu bieten hat.

Transienter Mond… (Bild: NASA/EPIC, gemeinfrei)

Als die NASA-Sonde Clementine im Jahr 1994 ins All flog, um die Mondoberfläche neu und genauer als je zuvor zu kartieren, wollte man die Gelegenheit nutzen, um der Sache mit den transienten Mondphänomenen auf die Spur zu kommen. Ein Netzwerk aus Hobby-Astronomen machte sich bereit, um den Mond von der Erde aus genau im Blick zu behalten, während Clementine draußen im All das gleiche tat. Und tatsächlich gab es am Ende vier Beobachtungen von transienten Mondphänomenen, bei denen Clementine nicht nur vor dem Ereignis ein Bild der entsprechenden Regionen am Mond gemacht hatte sondern auch kurz danach. Ein Vergleich der Bilder sollte nun eigentlich zeigen, was da passiert ist. Nur: Da war nichts. Die Vorher-Bilder sahen genau so aus wie Nachher-Bilder. Das kann bedeuten, dass es sich wirklich um Ereignisse handelte, die nicht auf dem Mond stattgefunden haben sondern eben Störungen in der Atmosphäre der Erde waren. Asteroideneinschläge waren es eben nicht, das hätte Clementine nicht übersehen. Aber vielleicht waren ihre Kameras auch nicht geeignet, um das zu sehen, was da passiert ist. Was Clementine auf jeden Fall gesehen hat, war das Gestein der Regionen in denen die Ereignisse stattgefunden haben sollen. Und das war genau die Art von Gestein, die bei vulkanischer Aktivität entsteht. Natürlich war es altes Gestein, aber es zeigt zumindest, dass die transienten Mondphänomene tatsächlich dort passiert sein könnten, wo der Mond früher mal vulkanisch aktiv war.

Die meisten Wissenschaftler bezweifeln nicht, dass es auf dem Mond zum Ausgasen vulkanischer Dämpfe kommen kann. Aber es ist sehr umstritten, wie oft es passieren kann und ob es oft genug passiert um die transienten Mondphänomene zu erklären. Das Rätsel bleibt also vorerst ungelöst. Aber den Mond haben wir weiter im Blick. Denn wenn er irgendwann wirklich mal auseinanderbrechen und wie eine Schlange zucken sollte, wollen wir das auf keinen Fall verpassen!

Kommentare (6)

  1. #1 Captain E.
    5. April 2019

    Vor ein paar Jahren hatte ein Amateurastronom ja das unglaubliche Glück, gerade seine Ausrüstung auf den Mond ausgerichtet zu haben, als dort ein relativ großer Einschlag stattgefunden hat. Das war wohl schon eine beeindruckende Leuchterscheinung. Vermutlich war es nicht das, worum es in diesem Artikel geht, aber auch solche Ereignisse sind schwer zu beobachten, schnell vorüber und fast nicht vorher zu sagen.

  2. #2 schlappohr
    5. April 2019

    Eine Frage zur Animation: Woher kommen die Schatten auf dem Mond am Anfang und am Ende? Laut Wikimedia entstanden diese Aufnahmen im Zeitraum von ca. 5 Stunden, also rund 1/5 Tag. Ich würde mal schätzen, dass die Erde sich im Video auch etwa um eine 1/5 Umdrehung weiter dreht, d.h. die DSCOVR-Sonde, die diese Aufnahmen gemacht hat, hat sich in dieser Zeit bezogen auf die Erde nur wenig bewegt. Das erkennt man auch daran, dass während der ganzen Zeit die Tagseite der Erde vollständig zu sehen ist. Trotzdem scheint das Licht der Sonne am Anfang von rechts zu kommen, am Ende von Links. Warum gibt es auf dem Mond einen Schatten, auf der Erde aber nicht?
    Man könnte meinen, der Schatten wäre eine Begrenzung der Kamera, aber der Schatten scheint sich zu verformen, während sich der Mond bewegt. Das sieht man am Anfang besonders deutlich.

  3. #3 Alderamin
    5. April 2019

    @schlappohr

    Das ist die Gesichtsfeldblende. Warum die sich anscheinend verändert, weiß ich auch nicht (variable Blende???), aber ganz sicher ist das kein Schatten auf dem Mond. DSCOVR hängt im L1-Punkt von Erde und Sonne auf der Linie Erde-Sonneund sieht mit der Sonne im Rücken immer Vollerde und Vollmond.

  4. #4 schlappohr
    5. April 2019

    Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass sich die Erde am Anfang ein Stück nach links verschiebt. Anscheinend wurde der Blinkwinkel der Kamera korrigiert, warum auch immer. Dadurch entsteht vielleicht der Eindruck, der Schatten der Blende würde sich verändern.

  5. #5 kereng
    Hamburg
    5. April 2019

    Nur der Vollständigkeit halber möchte ich auf den Koran hinweisen: Sure 54 Vers 1 „Die Stunde ist nah, und der Mond hat sich gespalten.“
    Wenn sich das überhaupt auf eine Beobachtung bezieht, war sie deutlich früher als 1178.

  6. #6 Dietmar Steinhaus
    6. April 2019

    Zuerst dachte man, dass die Mönche damals vielleicht den Einschlag eines gewaltigen Asteroiden auf dem Mond beobachtet haben.

    Das ist ja interessant! (Mal wieder) Denn so erzählte es auch Carl Sagan in “Cosmos”.

    Wollte mich schon melden.

    Was ich dann nicht tat.

    Und jetzt doch.

    Wenigstens darauf, dass ich mich auf mich nicht verlassen kann, kann ich mich verlassen.