Als am 16. Juli 1969 die Saturn-V-Rakete startete die am Ende die ersten Menschen auf den Mond brachte, war es die größte Rakete die jemals gebaut worden ist. Aber Raketen haben die Menschen schon lange davor konstruiert. Überraschend lange. Und deswegen nutze ich die Gelegenheit um heute in meinem 50tägigen Artikel-Countdown zum 50. Jubiläum der Mondlandung über einen der ganz frühen Raketenbauer zu schreiben: Conrad Haas aus Siebenbürgen und seine Mehrstufenrakete aus dem 16. Jahrhundert.

Gezielt Raketen in den Himmel geschossen hat man schon im 13. Jahrhundert. Aus dem Jahr 1232 kennt man einen Bericht von der Schlacht von Kai-Heng in der China gegen die Mongolen kämpfte und dabei per Schwarzpulver angetriebene Geschosse nutzte um den Gegner anzugreifen. Und danach sind Raketen immer wieder als Kriegswaffe eingesetzt worden. Zum Beispiel die Congreve’sche Rakete des frühen 19. Jahrhunderts die bei vielen Schlachten zum Einsatz kam. An den Flug ins All hat damals natürlich niemand gedacht und auch nicht Conrad Haas im 16. Jahrhundert.

Vermutlich wurde Haas in der Nähe von Wien geboren; 1509. Mit dem Habsburger-Kaiser Ferdinand I. kam er dann nach Siebenbürgen. In der Armee war Haas Büchsenmeister und Zeugwart; kannte sich also aus mit Dingen die explodieren. Und arbeitete auch einer schon aus dem Jahrhundert davor stammenden militärischen Handschrift mit dem unverfänglichen Namen “Feuerwerksbuch”, das aber nicht von schönen Farbenspielen am Himmel handelt sondern von Waffen. Das was Haas da unter dem Titel “Wie du solt machen gar schöne Rakette, die da von im selber oben hinauff in die hoch faren” aufschrieb wurde erst 1961 im Archiv von Hermanstadt (“Sibiu” auf rumänisch) entdeckt. Haas beschreibt darin detailiert wie Raketen funktionieren, wie man sie baut, wie man sie als Waffe einsetzen kann und welche Arten von Raketen es gibt. Er beschreibt unterschiedliche Arten von Treibstoffgemischen; Methoden zur Stabilisierung der Fluglage, und so weiter.

So geht Rakete! (Bild: gemeinfrei)

Und in der Handschrift findet sich auch eine Zeichung mit der Beschreibung: “Drey Rackett ineinander geschoben mit drey Schüssen”. Das war neu und das war wegweisend. Es war das, was wir heute die Mehrstufenrakete nennen. Wenn man nicht das ganze Ding komplett durch die Luft schießen muss sondern in mehrere Teile separiert und den Teil zu Boden fallen lässt, dessen Treibstoff schon verbraucht ist bevor man die nächste Stufe zündet: Dann kriegt man im Laufe der Zeit eine immer leichter werdende Rakete die deutlich weiter fliegen kann.

Dieses Prinzip wurde, nachdem Haas’ Werk schon längst vergessen war, von den anderen Raumfahrtpionieren des 19. und 20. Jahrhunderts wieder entdeckt und umgesetzt. Auch die Saturn-V-Rakete bestand aus “Drey Rackett”, also aus drei Stufen. Nur beim Treibstoff hat man sich dann doch nicht an dem orientiert was Haas vorschlug. Er beschrieb eine Mischung aus Salpeter, Schwefel und Kohle; vermischt mit Schnaps und Urin…

Übrigens: Wer heute nach Sibiu fährt kann sich dort nicht nur auf die Spuren von Haas machen, sondern auch nach denen eines anderen großen Sohns der Stadt machen: Hermann Oberth, einem der modernen Begründer der Raketentechnik, dessen Ideen tatsächlich maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass am 21. Juli 1969 Menschen den Mond betreten konnten.

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Der komplette Countdown: 50 | 49 | 48 | 47 | 46 | 45 | 44 | 43 | 42 | 41 | 40 | 39 | 38 | 37 | 36 | 35 | 34 | 33 | 32 | 31 | 30 | 29 | 28 | 27 | 26 | 25 | 24 | 23 | 22 | 21 | 20 |19 | 18 | 17 | 16 | 15 | 14 | 13 | 12 | 11 | 10 | 09 | 08 | 07 | 06 | 05 | 04 | 03 | 02 | 01 | 0

Kommentare (8)

  1. #1 Aginor
    9. Juli 2019

    Interessanter Artikel!

    Ach das war der mit den Raketenvögeln und IIRC auch Raketenkatzen.
    Frage mich ob das als so eine Art frühe Lenkwaffe gedacht war. Wenn ja bezweifle ich allerdings dass es gut funktioniert hat.

    Hatte vor Jahren mal was über ihn gelesen, aber den Namen vergessen.
    Jetzt weiss ich ihn wieder, danke dafür! 🙂

    (Der Geburtsort fehlt übrigens im Text, sollte glaube ich Wien sein)

    Gruß
    Aginor

  2. #2 CpEbenezum@aol.com
    9. Juli 2019

    War das reiner Zufall, oder hatte Oberth lokales Wissen über die Arbeit von Haas? Also etwas, was außerhalb des Ortes niemand mehr gewusst hatte?

  3. #3 Kinseher Richard
    9. Juli 2019

    In China gab es schon im 14.Jhdt. eine zweistufige Rakete – die für Seeschlachten eingesetzt wurde: der ´sich aus dem Wasser erhebende Feuerdrache´.
    Die erste Stufe bestand aus einem ca. 2,5 m langem Rohr an dem vorne und hinten seitlich jeweils ein Treibsatz mit Stabilisator angebracht war – mit diesen 4 Treibsätzen konnte das Objekt ca. 1,6 km weit fliegen.
    Zum Ende der Flugzeit wurden im Rohr befindliche Raketenpfeile gezündet und abgeschossen. Die Pfeilspitzen von Raketenpfeilen waren in der Regel vergiftet.

    Ebenfalls im 14. Jhdt. gab es in China fliegende Bomben in Vogelform – mit Flügel und Schwanz als Leitwerk. Der Flug wurde durch zwei seitlich angebrachte Treibsätze bewirkt. Zum Ende des Fluges zündete die Bombe, welche Giftstoffe und Metallsplitter freisetzen konnte.
    (Quelle: Robert Temple, Das Land der fliegenden Drachen)

  4. #4 Herr Senf
    9. Juli 2019

    Woher weiß der Robert Temple dat, von den Dogon oder beim Reiki?

  5. #5 M
    Bolivien
    13. Juli 2019

    > An den Flug ins All hat damals natürlich niemand gedacht

    Das stimmt so nicht. Es gibt z.B. Cyrano de Bergeracs Buch “Reise nach dem Mond” (17. Jhdt), allerdings in einem Ballon. Und ich glaube schon früher hat jemand einen Flug zum Mond mit Raketen beschrieben. Habe leider vergessen wer das war. Natürlich nur als Phantasie und den damaligen Kenntnissen der Naturgesetze entsprechend. Wobei Bergerac in manchen Details erstaunlich nahe an die Realität kam.
    … ich lese gerade dass schon Lukian von Samosata im 2. Jahrhundert eine Schiffsreise zum Mond phantasiert hat.

  6. #6 Florian Freistetter
    13. Juli 2019

    Über Lukian et al hab ich schon ganz zu Beginn dieser Serie geschrieben. Aber die Leute die die in diesem Artikel beschriebene Raketen gebaut haben, haben sie explizit als Waffen gebaut und nicht als Transportmittel.

  7. #7 Karl-Heinz
    13. Juli 2019

    @M

    War es Daniel Defoe „The Consolidator or, Memoirs of Sundry Transactions from the World in the Moon, 1705“?

  8. #8 M
    Bolivien
    13. Juli 2019

    @Karl-Heinz
    Ich glaube es war früher und eher aus dem romanischen Sprachbereich. Es fällt mir nicht mehr ein.