SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Sternengeschichten Folge 346: Wie viele Monde hat die Erde?

Den Titel dieser Folge könnte man in der Liste der dummen Fragen ganz oben eintragen. “Wie viele Monde hat die Erde?” – Natürlich nur einen einzigen, den Mond! Aber wenn man nicht mehr dazu sagen könnte als das, dann würde ich so eine Folge ja nicht machen – also ist die Frage vielleicht nicht ganz so dumm wie sie klingt.

Will man wissen wie viele Monde unser Planet hat, dann sollte man zuerst einmal klären was man eigentlich genau meint, wenn man das Wort “Mond” verwendet. Und da fangen die Probleme auch schon an. Es gibt keine offizielle Definition davon, was ein Mond eigentlich genau ist. Gut, intuitiv verstehen wir alle so ungefähr, was gemeint ist. Ein Mond umkreist einen Planeten. Aber so einfach ist es dann leider eben nicht. Die Erde wird ja zum Beispiel auch von der Internationalen Raumstation umkreist und die würden wir mit Sicherheit nicht als “Mond” bezeichnen. Genau so wenig wie die tausenden Satelliten. Wir müssen also genauer werden und sagen: Ein Mond ist ein natürliches Objekt das einen Planeten umkreist. Aber auch hier wird es schwierig. Würden wir jedes interplanetare Staubkorn das sich um die Erde bewegt als “Mond” bezeichnen? Wie groß muss ein Ding sein, damit es “Mond” genannt werden kann. Und wie lange muss es die Erde umkreisen? Müssen es 4,5 Milliarden Jahre sein, so wie beim echten Mond der Erde? Oder würden wir einen Himmelskörper auch dann einen “Mond” der Erde nennen, wenn er vielleicht nur ein paar hundert Jahre einer Umlaufbahn um unseren Planeten folgt und dann vielleicht auf der Erde einschlägt oder sich ins All verflüchtigt?

Der Mond. Lässt sich eigentlich ganz gut zählen (Bild: NASA, gemeinfrei)

Und was heißt eigentlich genau “umkreisen”? Es ist bei näherer Betrachtung alles nicht so einfach wie es klingt. Fangen wir sicherheitshalber mal historisch an. Die längste Zeit über kannten die Menschen nur die Himmelskörper die mit freiem Auge sichtbar waren und abgesehen von den Sternen des Nachthimmels waren das Sonne, Merkur, Venus, Mond, Mars, Jupiter und Saturn. Da man vor dem 17. Jahrhundert auch noch weitestgehend davon ausging, dass sich ALL diese Himmelskörper um die Erde herum bewegen, war der Mond in der Hinsicht auch nichts besonderes. Er war eben von all den Objekten die sich um die Erde bewegen dasjenige, das uns am nächsten ist. Erst der Wechsel zum heliozentrischen Weltbild brachte da Veränderung. Jetzt war die Sonne das dominante und ausgezeichnete Objekt und die Erde nur ein Planet und der einzige, der von einem anderen Himmelskörper umkreist wurde, nämlich dem Mond.

Obwohl das auch nicht ganz korrekt ist. Ziemlich zeitgleich zum Wechsel des Weltbildes bzw. sogar einer der Auslöser dieses Wechsel war die Entdeckung von Galileo Galilei, dass auch der Jupiter von anderen Himmelskörpern umkreist wird. Die nannte Galilei damals übrigens nach seinem Förderer dem Fürst von Medici die “Mediceischen Sterne”. Stern, Mond, Planet: Die ganze Sache war auch damals schon ziemlich verwirrend. Noch weit ins 19. Jahrhundert hinein wurden die Monde der Planeten – mittlerweile hatte man bei allen bis auf Venus und Merkur solche Himmelskörper entdeckt – auch als “Nebenplaneten” bezeichnet. Und was war eigentlich mit den Ringen, die man bei den äußeren Planeten gefunden hatte? Auch da wusste man im 19. Jahrhundert schon, dass es sich um kleinste Eis- und Gesteinsbrocken handelte die den Planeten umkreisten. Alles Monde? Und dann sind da noch die Asteroiden. Die wurden zumindest nie als “Monde” bezeichnet, aber es gibt Asteroiden, die von kleineren Asteroiden umkreist werden. Sind das Monde? Asteroidenmonde? Doppelasteroiden?

Bleiben wir mal der Einfachkeit halber dabei nur das einen Mond zu nennen, das einen Planeten umkreist. Oder, um es noch einfacher zu machen: Wir beschäftigen uns nur mit der Erde und legen fest: Ein “Mond” muss die Erde umkreisen. Außerdem muss ein Mond ausreichend groß sein. Kein Staubkorn, kein Kieselstein – sagen wir, mindestens 1 Kilometer. Dann müssen wir nun nur noch klären, was wir mit “die Erde umkreisen” meinen.

Roter Mond, immer noch einfach zu zählen (Bild: NASA)

Ja, natürlich bewegt sich alles, was die Erde umkreist auch mit ihr um die Sonne herum. Aber das ist uns jetzt vorerst egal, das spielt keine Rolle für unsere Suche nach Monden. Aber wie schaut es eigentlich mit den Objekten aus, über die ich in Folge 156 der Sternengeschichten gesprochen habe? Auch damals habe ich ja die Frage nach der Anzahl der Monde der Erde gestellt. Ich habe vor allem vom Asteroid “Cruithne” erzählt, der ein sogenannter “koorbitaler Begleiter” der Erde ist. Das bedeutet, dass Cruithne für eine Runde um die Sonne ziemlich exakt genau so lange braucht wie die Erde, nämlich 364 Tage. Deswegen ist die Umlaufbahn von Cruithne aber nicht identisch mit der der Erde und deswegen muss Cruithne noch lange nicht auch die Erde umkreisen. Die Bahn von Cruithne ist um 20 Grad gegenüber der Erdbahn geneigt und auch bei weitem nicht so kreisförmig sondern viel langgestreckter. Cruithne kommt bei einer Runde um die Sonne weit hinein bis hin zur Bahn des Merkur und erreicht am anderen Ende fast die Umlaufbahn des Mars. Erde und Cruithne stehen in einer ganz speziellen dynamischen Beziehung – aber der Asteroid umkreist unsere Planeten nicht. Betrachtet man das ganze von der Erde aus, dann scheint Cruithne sich der mal zu nähern, mal wieder zu entfernen – aber er bewegt sich nie um uns herum und er kommt uns auch nicht näher als 12 Millionen Kilometer. Auch wenn Cruithne manchmal als “zweiter Mond der Erde” bezeichnet wird, ist er das doch nach allen halbwegs vernünftigen Maßstäben nicht. Das gleiche gilt für die anderen koorbitalen Begleiter der Erde und auch für den einzigen bekannten Erd-Trojaner. Dieser Asteroid mit der Bezeichnung 2010 TK7 bewegt sich auf annähernd der gleichen Bahn wie die Erde um die Sonne herum aber immer 60 Grad vor der Erde. Solche Trojaner-Asteroiden haben viele Planeten – ich habe in Folge 31 mehr davon erzählt – als “Monde” gehen aber auch sie nicht durch.

Also bleibt es dabei: Die Erde hat einen Mond? Vielleicht nicht, wenn wir auch die Vergangenheit inkludieren. Der Mond, also unser aktueller Mond, den wir meinen wenn wir “Mond” sagen, ist vor 4,5 Milliarden Jahren bei der Kollision der Erde und eines anderen Protoplaneten in der chaotischen Frühzeit des Sonnensystems entstanden. Ganz vereinfacht gesagt: Die ganzen Trümmer der Kollision haben sich zu dem Mond geformt, den wir heute sehen. Wie das im Detail abgelaufen ist, wissen wir aber noch nicht. Und manche Computermodelle legen nahe, dass die ganze Angelegenheit schrittweise stattgefunden haben. Aus den Trümmern ist also nicht sofort ein großer Mond geworden. Sondern zuerst einige kleine Monde, die dann später untereinander kollidiert sind bis der heutige Mond daraus wurde. Solche kleinen Monde könnte ein paar hundert Millionen Jahre existiert haben und unter Umständen bis zu 1000 Kilometer groß gewesen sein. Aber zweifelsfrei lässt sich das heute nicht mehr rekonstruieren und weg sind die Dinger ja heute so oder so.

Oder sind sie? Im Jahr 1846 hat der Franzose Frédéric Petit – nicht irgendwer sondern damals immerhin Direktor der Sternwarte von Toulouse – behauptet, er habe einen zweiten Mond der Erde entdeckt. Extrem klein und auf seiner Bahn um die Erde soll er ihr bis auf 11,4 Kilometer nahe kommen. Das jedoch erschien den meisten seiner Kollegen sehr absurd; der Luftwiderstand allein müsste ihn ziemlich schnell zum Absturz bringen wandte man ein. Und beobachten konnte ihn außer Petit auch niemand.

1898 wurde das zweite Mal die Entdeckung eines “zweiten Mondes” verkündet und zwar von Georg Waltemath aus Hamburg. Aber auch hier konnte das niemand bestätigen. Bis auf Walter Richard Old aus England, der allerdings kein Astronom war sondern Astrologe. Und der Meinung, dieser zweite Mond sei so enorm dunkel, dass er nicht gesehen werden kann, außer wenn er zufällig gerade direkt vor der Sonne vorüber zieht. Abgesehen davon, dass ein Objekt mit solchen Eigenschaften physikalisch gar nicht existieren kann, konnte er sich mit dieser Argumentation aber sowieso nur bei seinen Astrologenkollegen durchsetzen. Die Astronomen blieben dabei: Einen zweiten Mond der Erde gibt es nicht.

Bewegung von Pluto und Charon Bild: NASA/JHU-APL/SWRI

Wo stehen wir jetzt also: Die Erde hat heute einen Mond und früher ganz vielleicht ein paar mehr gehabt. Ab und zu hört man aber auch, die Erde hätte gar keinen Mond! Und damit sind jetzt nicht irgendwelche wirren Verschwörungstheoretiker gemeint. Das Argument geht so: Wenn zwei Objekte einander umkreisen, dann tun sie das immer gemeinsam und immer um ihren gemeinsamen Massenschwerpunkt herum. Nehmen wir zum Beispiel Pluto und Charon. Der eine ist ein großer Asteroid und Zwergplanet, der früher als Planet geführt wurde und der andere ist ein Asteroid und Zwergplanet der allgemein als “Mond” von Pluto bezeichnet wird. Charon ist aber vergleichsweise groß und schwer; seine Masse beträgt mehr als 52 Prozent der Masse des Pluto. Die Gravitationskraft die er auf Pluto ausübt ist also ebenfalls vergleichsweise stark. Was dazu führt dass nicht Charon um Pluto kreist, sondern Pluto und Charon gemeinsam um einen Punkt der zwischen den beiden im Weltall liegt; eben den Massenschwerpunkt. Der liegt immer zwischen den beiden Himmelskörpern um die es geht, aber auch immer näher am schwereren Objekt. Und um so näher am schwereren Objekt, je größer der Unterschied in den Massen ist. Nimmt man zum Beispiel den Saturn und seinen Mond Titan, dann ist Titan ein wirklich gewaltig großer Mond; größer als der Planet Merkur. Aber weil Saturn noch viel mehr Masse hat, liegt der Schwerpunkt hier tief unter der Oberfläche des Saturn. Die Bewegung des Saturn um diesen Punkt ist also nur eine Art Wackeln während der Titan sich eindeutig um Saturn herum bewegt.

Es gab einmal einen Vorschlag, dieses Verhalten für eine offizielle Definition des Begriffs “Mond” zu nutzen. Liegt der Schwerpunkt innerhalb des massereicheren Körpers, dann ist das kleinere Objekt sein Mond. Liegt der Schwerpunkt dagegen eindeutig zwischen den beiden Objekten im All, dann ist nicht das eine ein Mond des anderen, sondern beide sind Teil eines “Doppelplanetensystems”.

Ist das bei der Erde und dem Mond der Fall? Hier liegt der Schwerpunkt ungefähr 4680 Kilometer vom Erdmittelpunkt entfernt. Also noch deutlich innerhalb der Erde. Und wenn sich Erde und Mond um diesen Punkt herum bewegen, dann wackelt eben auch die Erde nur, während der Mond die Erde umkreist. Wäre Pluto noch immer offiziell ein Planet, dann könnte man ihn gemeinsam mit Charon zu einem Doppelplanetensystem erklären (und hat das früher tatsächlich oft auch getan). Die Erde ist aber ganz klar nicht Teil eines Doppelplanetensystems mit dem Mond, der ebenso klar kein Planet ist.

Eine offizielle Definition dessen, was ein “Mond” ist, gibt es aber bis heute nicht. Wer Lust hat, kann der Erde also beliebig viele oder wenige Monde zuschreiben. Nach allem was astronomisch sinnvoll ist, bleibt es aber bei der üblichen Antwort. Die Erde hat genau einen Mond!

Kommentare (5)

  1. #1 Bullet
    12. Juli 2019

    Erster!!! Und zwar mit:

    Die Erde wird ja zum Beispiel auch von der Internationalen Raumstation umkreist und die würden wir mit Sicherheit nicht als “Mond” bezeichnen.

    Das ist kein Mond. Es ist eine Raumstation!

  2. #2 Nachtfalter
    10. Oktober 2021

    Auch wenn der Artikel schon etwas älter ist, möchte ich dem doch eine Frage hinzu fügen: Es ist ja inzwischen bekannt, dass sich der Mond langsam von der Erde entfernt. Wird sich dadurch der gemeinsame Schwerpunkt irgendwann aus dem Inneren der Erde heraus verschieben, sodass sich die Definition von Planet-Mond in diesem Fall zu Doppelplanetensystem verändern würde?

  3. #3 rolak
    10. Oktober 2021

    irgendwann?

    Die schlechte Nachricht: ja. Die gute: nicht übermorgen. Bei Erdmittelpunkt bei 0 und Mondmittelpunkt bei x Erdradien liegt der Schwerpunkt bei (MM·x)/(MM+ME), was bummelig bei x=82.5 größer als eins wird. Wären ca 520000km, da ist noch Luft. Bzw eben nicht.
    (alles ohne Gewähr)

    btw: Nachtfalter um 10:36 – das passt doch hinten und vorne nicht 😉

  4. #4 Kyllyeti
    10. Oktober 2021

    @ rolak

    10:36 oder 16:44 … es gibt auch tagaktive Nachtfalter, und es sind gar nicht mal so wenige.
    Die häufigsten z.B. hier zu sehen.

  5. #5 Kyllyeti
    10. Oktober 2021

    Aber wo du irgendwie schon recht hast: Bei den Viechern stimmt’s hinten wie vorne nicht – keins von denen hat jemals eine Nacht gefaltet.