Es ist erstaunlich, wie viel Wissenschaft stattfindet wenn man Dinge mit anderen Dingen zusammenkrachen lässt. Fast die gesamte Teilchenphysik basiert auf diesem Konzept und den Teilchenbeschleunigern in denen man die Bausteine der Materie aufeinanderschmeißt. Aber auch in anderen Disziplinen bringen Kollisionen neue Erkenntnisse. In der Astronomie freut man sich immer besonders, wenn Himmelskörper aufeinanderprallen (zumindest dann, wenn sie nicht gerade direkt auf die Erde fallen). Wenn etwa ein Komet mit einem Planeten kollidiert – wie damals 1994 Shoemaker-Levy 9 und Jupiter – oder Asteroiden zusammenstoßen, dann liefert uns das wichtige Erkenntnisse. Kein Wunder: Sehr oft wollen wir ja wissen, aus was Dinge bestehen. Und wenn man sie nicht vorsichtig auseinanderschrauben kann, muss man sie eben anderweitig “öffnen” um nachsehen zu können…

Ein Phänomene das wir sehr gerne “öffnen” würden, sind die interstellaren Asteroiden. Es gibt in unserem Sonnensystem Billionen kleinerer Himmelskörper die alle auch direkt hier bei uns und gemeinsam mit der Sonne vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden sind. Es kommen aber auch immer wieder mal Objekte aus anderen Sternensystemem zu Besuch. Auch anderswo entstehen Planeten und Asteroiden und in der chaotischen Frühphase der Planetenentstehung werden viele kleine Objekte aus ihren jeweiligen Sternensystemen geworden und fliegen durch den interstellaren Raum. Kreuzt ihr Weg den der Sonne, können sie kurzfristig unserem Sonnensystem einen Besuch abstatten. Wir wissen schon länger dass es solche interstellare Asteroiden geben muss.

Flugbahn von ‘Oumuamua (Bild: ESO/K. Meech et al)

Aber erst 2017 wurde der erste davon zweifelsfrei nachgewiesen: Ein Objekt das den schönen Namen ‘Oumuamua trägt. Wir haben es leider zu spät gefunden, um es ausführlich untersuchen zu können. Aber ‘Oumuamua war sicher nicht der letzte interstellare Asteroid den wir entdecken werden. Und ganz besonders gut für deren Erforschung könnte sich der Mond eignen.

Das meinen zumindest Amir Siraj und Abraham Loeb von der Harvard University in ihrem aktuellen Fachartikel “A Real-Time Search for Interstellar Impacts on the Moon”. Die Idee ist simpel aber bestechend. Prinzipiell gilt für Asteroiden: Je kleiner sie sind, desto mehr gibt es. Wenn wir unsere Suche also auf die kleinen interstellaren Objekte konzentrieren, haben wir bessere Chancen weil mehr davon durch unser Sonnensystem fliegen. Sie sind aber naturgemäß schwerer zu finden. Das gilt aber nur wenn man sie direkt im leeren All aufspüren will. Siraj und Loeb konzentrieren sich aber auf den Mond. Von den interstellaren Asteroiden die durchs Sonnensystem fliegen werden sicherlich einige mit den Planeten kollidieren. Auf der Erde merken wir aber nichts davon; der ganze kosmische Kleinkram wird durch unsere Atmosphäre zerstört (mit etwas Mühe kann man vielleicht interstellare Sternschnuppen sehen) und kommt nicht bis zum Boden. Der Mond aber hat keine Atmosphäre. Hier schlagen auch winzigste Himmelskörper ein.

Detektor für interstellare Asteroiden (Bild: NASA, gemeinfrei)

Siraj und Loeb schlagen nun vor, ein Teleskop in eine Umlaufbahn um den Mond zu bringen. Von dort aus, 100 Kilometer über der Mondoberfläche, soll es nicht zu den Sternen schauen, sondern nach unten. Wenn nun ein Asteroid auf dem Mond einschlägt, saust er zuvor am Teleskop vorbei. Es wäre möglich, das Objekt selbst zu beobachten UND den Schatten, den es auf der hellen Mondoberfläche erzeugt. Aus der Länge und der Dicke der jeweiligen Spuren und der Kombination der Daten könnte man die Geschwindigkeit, die Flugbahn und die Größe des Objekts berechnen und so auch herausfinden, ob es sich um einen interstellaren Asteroid handelt oder nicht. Objekte die von jenseits des Sonnensystems kommen sind ja deutlich schneller unterwegs als die heimischen Felsbrocken.

Wenn das Ding dann einschlägt, kann man den Lichtblitz des Impacts beobachten und aus der Untersuchung des Lichts herausfinden, aus welchen chemischen Elementen der interstellare Asteroid bestand. Und schließlich kann man noch die erzeugten Krater vermessen und daraus ebenfalls die Eigenschaften des Asteroids ableiten.

Will man eine Chance haben, im Durchschnitt einen interstellaren Asteroid pro Jahr beim Einschlag auf dem Mond zu beobachten, dann – so haben Siraj und Loeb berechnet – braucht man ein Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 2 Metern (zusätzlich würde man damit im Schnitt pro Jahr auch noch ~1000 Einschläge von Mini-Asteroiden des Sonnensystems beobachten können). Das ist groß – aber auch nicht so dramatisch groß dass man die Idee gleich in der Science-Fiction-Schublade ablegen müsste. Ein 2-Meter-Teleskop in eine Mondumlaufbahn zu bringen wäre ein ambitioniertes Projekt aber technisch mit den heutigen Mitteln durchaus machbar. Und dann hätten wir quasi einen Detektor für interstellare Asteroiden! 3500 Kilometer groß, in einer Umlaufbahn um die Erde! Nimm das, Teilchenphysik!

Kommentare (3)

  1. #1 UMa
    26. August 2019

    Die Häufigkeit interstellarer Impakte auf dem Mond wird vermutlich um Größenordnungen überschätzt, da die Abschätzung darauf beruht, dass CNEOS 2014-01-08 tatsächlich interstellaren Ursprungs war.
    Was er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht ist.

  2. #2 Engywuck
    26. August 2019

    Wie kommst Du auf “mit hoher Sicherheit”? Stimmen die 60km/s nicht?

  3. #3 UMa
    26. August 2019

    @Engywuck: Die Messfehler der Geschwindigkeit sind so groß, dass für einige der vielen Objekte des Sonnensystems Geschwindigkeiten über Fluchtgeschwindigkeit gemessen werden.

    Auf etwa 1 interstellares Objekt mit einer Bahn CNEOS 2014-01-08 sollten etwa 2000 Objekte des Sonnensystems kommen, die aufgrund von ungenauer Geschwindigkeitsmessung nur auf einer Hyperbelbahn um dies Sonne scheinen.

    Siehe die Kommentare hier (insbesondere #11 bis #15):
    https://scienceblogs.de/alpha-cephei/2019/04/22/brachten-interstellare-meteore-sternenstaub-auf-die-erde/