SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Sternengeschichten Folge 355: Pulsarplaneten

Pulsarplaneten sind seltsam. Wir kennen gerade mal eine Handvoll von den Dinger; quasi nichts verglichen mit den tausenden “normalen” Planeten die wir bei all den anderen Sternen entdeckt haben. Aber sie haben eine wichtige Rolle in der Geschichte der Astronomie gespielt und werden das vermutlich auch in Zukunft tun. Über die faszinierende Geschichte der Suche nach den Planeten anderer Sterne habe ich ja früher schon erzählt, zum Beispiel in Folge 187 der Sternengeschichten. Wir haben schon seit Jahrtausenden darüber nachgedacht, ob auch andere Sterne von Planeten umkreist werden. Es hat bis 1995 gedauert, bevor wir das erste Mal zweifelsfrei einen solchen “Exoplaneten” nachweisen konnten. Aber ein paar Jahre davor wurden die Pulsarplaneten entdeckt. Und nicht entdeckt – wie gesagt, die Geschichte ist ein wenig kompliziert.

Dazu muss man zuerst einmal verstehen, was ein Pulsar überhaupt ist. Das habe ich in Folge 142 sehr ausführlich erklärt. Kurz gesagt: Wenn ein großer Stern am Ende seines Lebens keinen Brennstoff für die Fusion in seinem Inneren mehr übrig hat, fällt er unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Dabei entsteht ein “Neutronenstern”; ein Objekt das so viel Masse hat wie unsere Sonne, dabei aber nur circa 20 Kilometer groß ist. Ein Neutronenstern ist also enorm dicht – und er dreht sich enorm schnell um seine Achse. Unter bestimmten Bedingungen kann er dabei Radiostrahlung aussenden, so wie ein Leuchtturm in zwei eng fokussierten Strahlen. Von der Erde aus gesehen sieht das dann für uns so aus, als würde ein Objekt im All in sehr regelmäßigen Abständen “blinken” – nur dass man das Blinken nicht mit normalen Teleskopen sehen kann sondern Radioteleskope dafür braucht.

Die Signale so eines Pulsars sind dabei wirklich sehr regelmäßig. Aber im Jahr 1991 fanden der britische Astronom Andrew Lyne und seine Studenten Matthew Bailes und Setnam Shemar dann aber einen Himmelskörper bei dem das nicht so war. Der Pulsar trug die Bezeichnung PSR 1829–10 und er rotierte nicht so regelmäßig wie er sollte. So etwas kann durchaus vorkommen; ab und zu gibt es auch auf Pulsaren so etwas ähnliches wie “Erdbeben”; die Materie verschiebt sich ein wenig, der tote Stern wird ein bisschen durchgerüttelt und rotiert ein wenig anders als zuvor. Das, was Lyne und seine Kollegen hier sahen, sah aber ganz anders aus. Die Rotationsgeschwindigkeit des Pulsars änderte sich periodisch; der Himmelskörper schien regelmäßig hin und her zu wackeln. Aber warum sollte er das tun? Weil er, so die Argumentation der Forscher, von einem Planeten umkreist wird. Der übt mit seiner Gravitationskraft einen Einfluss auf den Pulsar aus und lässt ihn periodisch schwanken. Ein Planet, ungefähr von der Masse des Uranus in einer Umlaufbahn um den Pulsar die der Bahn der Venus um die Sonne entspricht: So ein Objekt könnte die Beobachtung wunderbar erklären.

Am 25. Juli 1991 wurde die Entdeckung veröffentlicht. Das erste Mal hatte man einen Planeten entdeckt, der nicht die Sonne umkreist. Mehr noch, es war ein Planet, der ein Objekt umkreist, das eigentlich gar nicht von Planeten umkreist werden sollte. Denn ein Stern wird nicht friedlich zu einem Pulsar. Die Transformation von Stern zu Neutronenstern ist ein gewaltiges Ereignis, begleitet von einer enorm Explosion, einer Supernova. Der Stern schleudert dabei große Massen seiner eigenen Materie hinaus ins All und dabei sollten auch alle Planeten zerstört werden, die sich dort befinden. Aber die Daten von Lyne und seinen Kollegen zeigten, dass auch tote Sterne wie ein Pulsar Planeten haben können.

Künstlerische Darstellung von Planeten in einem Pulsarsystem (Bild: NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC), gemeinfrei)

Ein wenig enttäuscht über diese Entdeckungen waren der polnische Astronom Aleksander Wolszczan und sein kanadischer Kollege Dale Frail. Die beiden waren ebenfalls seit einiger Zeit einem komisch unregelmäßig pulsierenden Neutronenstern auf der Spur. Auch sie vermuteten, dass er von Planeten umkreist wird. Sie hatten ihre Daten aber noch nicht veröffentlicht als die Nachricht von Lynes Entdeckung Schlagzeilen machte. Trotzdem sahen sie nochmal genau in den Aufzeichnungen über ihren Pulsar mit der Bezeichnung PSR 1257+12 nach. Und fanden, dass man sie am besten durch die Existenz von gleich zwei Planeten erklären konnte; beide mit circa 4 Mal so viel Masse wie die Erde. Nach der ersten Entdeckung eines Exoplaneten konnte nun also auch die Entdeckung des ersten Planetensystems bekannt gegeben werden.

Für die zweite Woche des Januar 1992 war die große Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft geplant und sowohl Andrew Lyne als auch Aleksander Wolszczan waren eingeladen, dort über ihre jeweilige Entdeckung zu berichten. Zuvor wollte Lyne aber noch die Daten über seinen Pulsarplaneten ein wenig sortieren und besser auswerten. Dabei fiel ihm auf, dass die Position des Pulsars am Himmel nicht in allen Datensätzen identisch war. Anscheinend hatte man die Bewegung der Erde bei der Auswertung nicht ausreichend exakt berücksichtigt. Wir bewegen uns ja ständig mit dem Planeten um die Sonne herum und wenn man die Position eines Himmelskörpers bestimmen will, muss man darauf achten. Ansonsten sieht es vielleicht so aus, als würde sich zum Beispiel ein anderer Stern bewegen; in Wahrheit sieht man aber nur die eigene Bewegung die dem Umlauf der Erde um die Sonne zu verdanken ist. Und als Lyne die Daten nun korrekt auswertete, verschwand plötzlich auch das Wackeln des Pulsars!

Man kann sich vermutlich denken, wie Andrew Lyne sich in diesem Moment gefühlt hat. Die große, historische Entdeckung des ersten Planeten außerhalb des Sonnensytems war nur ein dummer Rechenfehler. Der Planet, dessen Existenz er schon vor Monaten offiziell bekannt gegeben hatte, existiert nicht. Und in ein paar Tagen sollte er einen Vortrag über genau diese Entdeckung halten. Aber anstatt seinen Auftritt bei der Konferenz der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft abzusagen, stellte sich Lyne der unangenehmen Aufgabe.
Er trat vor einem Publikum aus knapp 1000 Personen auf die Bühne und erklärte im Detail, wo der Fehler in der Beobachtung lag. “Unsere Enttäuschung ist grenzenlos und es tut uns sehr leid” – nach diesem Schlusssatz beendete er den Vortrag. Und sah sich keinen Buhrufen ausgesetzt sondern Standing Ovations und großem Applaus von Seiten seiner Kolleginnen und Kollegen. Denn die wussten besser als alle anderen was es braucht, um so einen Fehler öffentlich einzugestehen. Genau das ist – in gewissen Sinne – Wissenschaft wie sie sein soll. Absolute Transparenz und wenn etwas falsch ist, wird es nicht verschwiegen sondern öffentlich gemacht.

Unmittelbar auf den unerwartet dramatischen Vortrag von Andrew Lyne folgte die Präsentation von Aleksander Wolszczan. Die beiden Planeten die er und Dale Frail entdeckt hatten, hielten einer genauen Überprüfung stand. Und ihre Entdeckung war nach dem Vortrag von Andrew Lyne um so beeindruckender. Zuerst verschwand der Planet von dem alle dachten, es wäre der erste Planet außerhalb des Sonnensystems den man gefunden hatte. Und unmittelbar danach wurde die echte Entdeckung zweier ganz anderer Pulsarplaneten verkündet.

Die Planeten von PSR 1257+12 haben mittlerweile Zuwachs bekommen. 2004 wurde ein weiterer Himmelskörper gefunden der diesen Pulsar umkreist, diesmal deutlich kleiner – eigentlich eher ein großer Asteroid als ein kleiner Planet. Der prominente Pulsar hat in der Zwischenzeit auch einen echten Namen bekommen; “Lich”, nach dem alten englischen Wort für “Leiche” – recht passend für einen toten Stern. Seine Planeten wurden ebenfalls nach mythischen Totenwesen benannt: Draugr, Poltergeist und Phobetor.

Künstlerische Darstellung der Materialscheibe um einen Pulsar (Bild: NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC), gemeinfrei)

Ein wenig komisch waren die Planeten aber trotzdem. Ein Pulsar ist ein toter Stern; man wollte aber eigentlich wissen ob “normale” Sterne ähnlich unserer Sonne Planeten haben. So einer wurde – wie ich in Folge 187 erzählt habe – erst 1995 entdeckt und seitdem haben wir ein paar tausend mehr von ihnen entdeckt. Wir wissen heute, dass Planeten völlig normal sind; im Schnitt hat jeder Stern im Universum mindestens einen Planeten. Die Pulsarplaneten sind dagegen Exoten geblieben. Nach der ersten Entdeckung von Wolszczan und Frail wurden nur eine Handvoll weiterer Pulsare gefunden die von Planeten umkreist werden. Und wo die herkommen wissen wir immer noch nicht so genau.

Es kann sein, dass einige Planeten des früheren Sterns die Supernova doch überlebt haben. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Planeten erst nach der Supernova entstanden sind. Im Jahr 2006 entdeckten der amerikanische Astronom Deepto Chakrabarty und seine Kollegen dass der Pulsar 4U 0142+61 von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben ist. Es handelt sich um Material, dass der Stern bei seiner Supernova-Explosion ins All geschleudert und das sich dann zum Teil in einer Scheibe um den neu entstandenen Pulsar gesammelt hat. Solche “protoplanetaren Scheiben” findet man auch bei normalen Sternen, wenn sie noch sehr jung sind und es sind genau diese Scheiben, in denen auch die normalen Planeten entstehen. Die Scheibe um den Pulsar enthält deutlich weniger Material, insgesamt nur etwa das 10fache der Erdmasse. Aber es könnte reichen, dass sich daraus ein paar Planeten bilden.

Auch wenn wir nur wenige von ihnen kennen: Die Pulsarplaneten werden die Astronomie auch weiterhin beschäftigen. Der Tod eines Sterns muss offensichtlich nicht das Ende sein. Sondern kann auch einen neuen Anfang bilden mit der Entstehung von Planeten die zuvor nicht existiert haben.

Kommentare (12)

  1. #1 pane
    13. September 2019

    Ein Planet, der die Supernovaexplosion des Sterns überlebt haben soll? Wäre er so weit weg ist wie Neptun von der Sonne, dann vielleicht. Aber die Planeten von Lich sind näher an ihrem Stern, als die Venus von der Sonne. Der Stern dürfte, als er noch ein roter Riese war, bedeutend größer gewesen sein.

    Wie auch immer. Die Planeten müssen recht merkwürdig sein. Zum Beispiel dürften sie kaum Wasserstoff enthalten, auch nicht in Form von Wasser oder Kohlenwasserstoffe.

  2. #2 UMa
    13. September 2019

    Vielleicht haben sich die Planeten auch auch erst nach der Supernovaexplosion gebildet? Oder wurden von einem Begleitstern übernommen? Zumindest scheinen Pulsarplaneten selten zu sein. Bei den meisten Pulsaren hat man keine entdeckt.

  3. #3 Captain E.
    13. September 2019

    @pane:

    Wie wenig wäre aber “kaum”? Im Vorgängerstern dürfte es bis zur Supernovaexplosion eine Schale mit Wasserstoffbrennen gegeben haben, und dieser übrig gebliebene Wasserstoff in der äußeren Hülle ist dann natürlich fortgeschleudert worden.

  4. #4 bote
    13. September 2019

    Super FF, du gibst der Phantasie Nahrung. Denkt an die Jugend, die wollen etwas Außergewöhnliches, Phantastisches.

  5. #5 pane
    13. September 2019

    @Captain E.:

    Ja, aber diese Schale wird weit außerhalb der jetzigen Bahnen der Planeten sein. Es wird da keinen Wasserstoff geben, außer das bisschen, dass aus radioaktive Reaktionen radioaktiver Elemente, entstanden ist

  6. #6 Captain E.
    13. September 2019

    @pane:

    Du meinst also, die ursprünglich noch vorhandene Wasserstoffschale des Sterne müsse sich weit außerhalb der Planetenbahnen befinden? Da frage ich noch einmal nach: Warum?

  7. #7 Uli Schoppe
    15. September 2019

    Im Gegensatz zu den RT bin ich hier eher wenig kompetent, aber die Supernova dürfte doch den Wasserstoff sehr schnell nach draußen gedrückt haben? ^^

  8. #8 Alderamin
    15. September 2019

    Ein Stern, der zur Supernova wird, muss mindestens 9-10 Sonnenmassen haben. Ein Neutronenstern hat höchstens 2,7 (es wurden noch keine über 2,2 gefunden, wenn ich mich recht entsinne). Da die Fluchtgeschwindigkeit √2-mal die Kreisbahngeschwindigkeit beträgt, die wiederum √(GM/r) ist, also mit √M skaliert, liegt die Fluchtgeschwindigkeit eines Neutronensterns immer unter der Kreisbahngeschwindigkeit seines Progenitors (√9=3>√2*√2,7=2,3) und das erst recht, wenn der Progenitor massiver und der Neutronenstern leichter ist. Damit würden alle Planeten, die die Supernova überleben, zwangsläufig aus dem Planetensystem hinausfliegen. Wenn also ein Neutronenstern Planeten hat, muss er diese selbst gebildet haben.

  9. #9 Uli Schoppe
    16. September 2019

    @Alderamin
    Mir geht einfach nicht in die Birne woher noch das Material für eine Planetenbildung kommen soll…

  10. #10 Alderamin
    16. September 2019

    @Uli Schoppe

    Eine Supernova spuckt doch genug Material aus (und produziert noch alle möglichen Elemente). Wer sagt, dass alles wegfliegt, die Explosion ist selten symmetrisch und das meiste fliegt entlang der Rotationsachse weg, wie bei allen Akkretionsscheiben (das ist, was in dem Stern entsteht, wenn der Kern zusammenbricht).

  11. #11 Karl-Heinz
    16. September 2019

    @Alderamin

    Das bestehende Planeten durch das hinausgeschleuderte Material gebremst werden, wäre das auch möglich oder kann man das vernachlässigen?

  12. #12 Alderamin
    16. September 2019

    @Karl-Heinz

    Ich denke, das ist zu vernachlässigen, die Explosion dauert nicht lange, die Gaswolke ist dünn, die Planeten sind massiv und träge, die Differenz zwischen Anfangs- und Restmasse des explodierenden Sterns ist groß.