Letzte Woche wurde der Nobelpreis für Physik vergeben und ich habe schon ausführlich über Michel Mayor und Didier Queloz berichtet, die den Preis – absolut gerechtfertigt – für ihre Entdeckung des ersten Planeten eines anderen Sterns bekommen haben. Ein wenig ignoriert habe ich bis jetzt den dritten Preisträger: James Peebles. Den man aber definitiv nicht ignorieren sollte!

Es ist ein wenig schwierig über Peebles’ Arbeit zu schreiben. Einerseits weil sie nicht so leicht zugänglich und verständlich ist wie die von Mayor und Queloz. Die beiden haben einen Planeten entdeckt; das kann man sich sehr gut vorstellen. Bei Peebles’ Forschung ist das ein wenig schwieriger. Und andererseits hat der Mann in seinem langen Leben verdammt viel geforscht und so gut wie alles davon ist wichtig. Das hat wohl auch das Nobelpreiskomitee so gesehen, denn laut offizieller Begründung wurde ihm der Preis für “theoretical discoveries in physical cosmology”. Das klingt ein wenig vage, aber es ist tatsächlich schwer, die eine Entdeckung zu identifizieren, die nobelpreiswürdig ist. Das ist auch die Meinung von Peebles selbst, der in einer ersten Reaktion dazu meinte:

“Which particular step did I take? I would be very hard-pressed to say. It’s a life’s work.”

Die kosmische Hintergrundstrahlung (ESA and Durham University)

Das ist absolut richtig. Seine Arbeit begann in den frühen 1960er Jahren; seinen Doktortitel machte er 1962. Ab 1964 beschäftigte er sich mit Kosmologie, eine Wissenschaft die damals noch ein wenig schief angesehen wurde. Unter anderem deswegen, weil es kaum möglich erschien abseits mathematischer Überlegungen irgendwelche überprüfbaren Aussagen über das gesamte Universum zu machen. Die Kosmologie wurde mehr als Philosophie betrachtet denn als harte Naturwissenschaft. Das änderte sich aber schnell, unter anderem durch die Arbeit von Peebles. 1965 veröffentlichte er gemeinsam mit Robert Dicke (und anderen Kollegen) einen wissenschaftlichen Aufsatz mit dem Titel “Cosmic Black-Body Radiation”. Der ist vor allem deswegen so berühmt, weil er im “Astrophysical Journal” unmittelbar von einem weiteren Aufsatz gefolgt wird, der von Arno Penzias und Robert Wilson verfasst wurde. Die beiden erhielten den Physik-Nobelpreis im Jahr 1978, für die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Diese Geschichte habe ich hier ausführlich erzählt. Diese Strahlung ist quasi das erste Licht im Universum, das knapp 400.000 Jahre nach dem Urknall begann sich auszubreiten und das wir auch heute noch beobachten können. Penzias und Wilson haben diese Strahlung entdeckt – vorhergesagt wurde ihre Existenz aber von Dicke, Peebles und ihren Kollegen (und unabhängig davon schon 1948 von Ralph Alper und Robert Herman, was aber wieder in Vergessenheit geriet).

Die Vorhersage der Exiszenz der kosmischen Hintergrundstrahlung wäre schon für sich alleine eine ordentliche Leistung für eine wissenschaftliche Karriere gewesen. Das erste Mal war es jetzt möglich, Hypothesen zur Entstehung und Entwicklung des Universums durch Beobachtung zu prüfen. Die Urknall-Hypothese wurde dadurch zum Urknall-Modell; erst die kosmische Hintergrundstrahlung führt dazu, dass sie in der Wissenschaft mehrheitlich akzeptiert wurde. Aber Peebles war noch lange nicht fertig. Da ist zum Beispiel ein Artikel aus dem Jahr 1982: “Large-scale background temperature and mass fluctuations due to scale-invariant primeval perturbations”. Klingt enorm technisch, ist aber faszinierend. Mittlerweile hatte man festgestellt, dass die kosmische Hintergrundstrahlung nicht völlig gleichmäßig ist. Wäre die Materie im frühen Universum unmittelbar nach dem Urknall überall gleichverteilt gewesen, dann hätte sich auch das erste Licht gleichmäßig ausgebreitet. Was dazu führen müsste, dass die Hintergrundstrahlung die wir heute beobachten immer exakt die gleiche Temperatur haben müsste, egal in welche Richtung man schaut. Man beobachtet aber winzigste Fluktuationen die darauf hindeuten, dass die Materie damals eben nicht gleichverteilt war.

Was gut ist: Denn nur wenn es im jungen Universum ein paar “Klumpen” in der Materie gegeben hat, können die mit ihrer leicht größeren Gravitationskraft noch mehr Materie aus der Umgebung anziehen und zu noch größeren Strukturen anwachsen. Die großen Strukturen die wir heute im Universum beobachten – Galaxien, Galaxienhaufen, Filamente, Voids, etc – haben ihren Ursprung in den winzigen Fluktuationen kurz nach dem Urknall. Genau davon handelt die Arbeit von Peebles und er hat sich mit diesem Thema auch in vielen anderen Zusammenhängen beschäftigt. Wenn wir heute mit komplexen Computermodellen die Entwicklung des Universums simulieren, dann basieren die auf der Arbeit von Peebles.

In solchen Simulationen spielt natürlich auch die dunkle Materie (siehe hier für eine ausführliche Erklärung des Phänomens) eine wichtige Rolle. Der größte Teil der Materie des Universums ist nicht sichtbar; die “normale” Materie aus der wir und alles was wir sehen bestehen, macht nur einen kleinen Teil aus. Hinweise auf die Existenz dieser Materie gibt es seit den 1930er Jahren; in den 1960er machte die Astronomin Vera Rubin klar dass diese Hinweise ernst genommen werden müssen und James Peebles hat maßgeblich dazu beigetragen, diese dunkle Materie in die kosmologischen Modelle einzubauen. Das aktuelle Standardmodell der Kosmologie basiert auf seiner Arbeit.

Peebles hat sich auch mit der “primordialen Nukleosynthese” beschäftigt, also den Prozessen durch die nach dem Urknall die ersten chemischen Elemente entstanden sind. Mit seiner Arbeit konnte man abschätzen, wie die statistischen Häufigkeiten von Wasserstoff, Helium, und so weiter sein müssen: Ein weiterer Weg das Urknallmodell durch Beobachtungen zu überprüfen.

James Peebles, 2010 (Bild: Juan Diego Soler, CC-BY 2.0)

Ohne James Peebles wäre die Kosmologie heute nicht das, was sie ist. Er hat das Universum in seiner Gesamtheit untersucht und erforscht und bei allen relevanten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte auf die eine oder andere Weise Anteil gehabt. Entweder direkt durch seine eigene Arbeit. Oder indirekt, in dem andere auf dem aufgebaut haben was er herausgefunden hatte. Mit seinen Lehrbüchern zum Thema (“Physical Cosmology”, “Large-Scale Structure of the Universe “ oder “Quantum Mechanics”) hat er dazu beigetragen aus der Kosmologie eine echte Naturwissenschaft zu machen und eine neue Generation Forscherinnen und Forscher inspiriert und instruiert. Ihm den Nobelpreis für Physik zu verleihen ist genau so gerechtfertigt wie die Auszeichnung von Mayor und Queloz. James Peebles ist ein “Master of the Universe” und seine Arbeit hat unser Wissen über das Universum ebenso dramtisch verändert und revolutioniert wie es die Exoplaneten von Mayor und Queloz getan haben.

Kommentare (2)

  1. #1 orinoco
    16. Oktober 2019

    Im Bild “Großräumige Struktur des Universums” hätte ich gerne mal einen Maßstab. Auf unserern Exkursionen haben wir immer einen Meter oder Geologenhammer ins Bild gelegt um einen Maßstab zu haben. Dürfte hier wohl nicht ausreichen 😉

  2. #2 anders
    17. Oktober 2019

    Gehen wir großzügig davon aus, dass die Darstellung ungefähr dem Ereignishorizont als Kreis/Kugel in einem Würfel mit ca. 16 Mrd Lichtjahren Radius entspricht, also ein bisschen grösser ist als der Hubble-Radius, dann hätten wir einen Würfel mit einer Kantenlänge von, hm, 32 Mrd. Lichtjahren. Denke ich.
    Ich bin für ein **Tachyometer** denn Tachyonen sollen schneller als Licht sein (Scherz…) das kann man prima anlegen …