SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.

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Sternengeschichten Folge 379: Chemisch pekuliäre Sterne

Sterne sind schön. Sterne sind super. Sterne sind cool. Oder eigentlich nicht; Sterne sind enorm heiß. Aber Sterne sind auch manchmal ungewöhnlich. Genaugenommen sind Sterne immer ungewöhnlich. Das sind gewaltige Kugeln aus heißem Gas, mehrere Millionen Kilometer groß und mehrere Millionen Grad heiß, in deren Inneren eine Millionen und Milliarden Jahre ndauernde nukleare Explosion stattfindet die gewaltiger ist als alles was wir uns vorstellen können. Wenn das nicht ungewöhnlich ist, dann weiß ich auch nicht was ungewöhnlich sein sollte. Wenn man in der Astronomie aber von ungewöhnlichen Sternen spricht, meint man normalerweise etwas anderes. In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um “pekuliären Sterne” die auch “chemisch pekuliären Sterne” genannt werden und das “pekuliär” stammt aus dem lateinischen und bedeutet so viel wie “eigentümlich”, “besonders” oder eben “ungewöhnlich”.

Es geht aber um eine ganz besondere Ungewöhnlichkeit die mit Metallen zu tun hat. Womit wir gleich beim nächsten eigentümlichen Thema wären: Das was in der Astronomie als “Metall” bezeichnet wird ist definitiv nicht das, was der Rest der Welt normalerweise unter diesem Wort versteht. Ich habe schon in Folge 337 der Sternengeschichten ausführlich erklärt was es mit den Metallen und der sogenannten “Metallizität” auf sich hat. In der Astronomie wird alles als “Metall” bezeichnet was kein Wasserstoff und kein Helium ist. Das hat nichts mit dem zu tun was die Chemie zu diesem Thema zu sagen hat, macht aber durchaus Sinn. Denn Wasserstoff und Helium waren die einzigen Elemente die direkt beim Urknall selbst in großen Mengen entstanden sind. Es sind daher auch mit Abstand die häufigsten Elemente im Universum. In erster Näherung könnte man durchaus sagen, dass das Universum nur aus Wasserstoff und Helium besteht. Der ganze Rest, also all das Zeug aus dem zum Beispiel wir Menschen bestehen – Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, und so weiter – stellt nur eine Art Verunreinigung dar und existiert nur in enorm geringen Mengen.

Unsere Sonne zum Beispiel besteht zu 73,8 Prozent aus Wasserstoff und zu 24,9 Prozent aus Helium. Bleiben nur 1,3 Prozent für alles andere übrig. Und weil es von all diesem anderen so wenig gibt, fast man das in der Astronomie zusammen und nennt es – aus historischen Gründen auf die ich jetzt nicht weiter eingehen will – “Metalle”. Womit wir wieder bei den pekuliären Sternen wären. Denn all die Metalle sind deswegen so selten, weil es schwer ist, sie herzustellen. Das geht nur durch Kernfusion im Inneren von Sternen beziehungsweise in noch komplexeren Vorgängen bei Supernovaexplosionen oder ähnlichen hochenergetischen Prozessen.

Da drin werden Metalle gemacht. Bild: NASA/ESA)

Wir haben mittlerweile einen halbwegs guten Überblick darüber wie Sterne neue chemische Elemente herstellen. Wir wissen, welche Arten von Kernfusion in unterschiedlichen Arten von Sternen ablaufen können. Wir haben gute Modelle die uns sagen, wie viele Metalle in einem Stern sein sollten, je nach seiner Größe, Masse, seinem Alter und so weiter. Und bei den meisten Sternen passt das, was wir denken zu wissen auch sehr gut mit dem überein was wir tatsächlich beobachten können. Bei manchen aber auch nicht und genau diese Sterne, die ungewöhnliche Häufigkeiten von Metallen zeigen sind die, die “chemisch pekuliär” genannt werden.

Dass es diese ungewöhnlichen Sterne gibt, hat als erstes die amerikanische Astronomin Antonia Maury entdeckt. Sie war eine der Astronominnen die im späten 19. Jahrhundert die Sterne anhand ihrer Spektren klassifiziert haben, wie ich in Folge 132 ausführlicher erklärt habe. Diese Sternspektren sind der Weg, wie man in der Astronomie herausfinden kann, woraus ein Stern besteht in dem man das Licht in seine Bestandteile, also die unterschiedlichen Farben aufspaltet. Manche Farben fehlen dort dann, da jedes chemische Element, vereinfacht gesagt, einen ganz bestimmten Bereich des Lichts blockiert. Maury fand heraus, dass man die meisten Sterne anhand ihrer Spektren ganz gut in passende Klassen einteilen konnte. Manche zeigten aber auch große Abweichung.

Heute teilt man diese ungewöhnlichen Sterne normalerweise in vier hauptsächliche Klassen ein. Nummer 1 sind die “Am-Sterne”. Das “A” steht für die normale Spektralklasse; es handelt sich also um weiß-bläuchlich leuchtende Sterne die circa drei bis fünf mal mehr Masse haben als unsere Sonne und deren Oberflächen ungefährt 7000 bis 10000 Grad Celsius heiß sind. Das “m” steht für “Metallinien” weswegen die Sterne auch “Metallinien-Sterne” genannt werden. Und wie der Name schon andeutet handelt es sich um Sterne, bei denen man überdurchschnittlich starke dunkle Linien im Spektrum sieht die darauf hinweisen dass es dort mehr Zink, Strontium, Zirkonium und Barium gibt als zu erwarten wäre. Gleichzeitig sind andere chemische Elemente wie Calcium oder Scandium unterdurchschnittlich stark vertreten. Die Am-Sterne rotieren auch langsamer als normale A-Sterne und das ist vermutlich auch der Grund, warum sie so ungewöhnlich sind. Ein schnell rotierender Stern funktioniert ein klein wenig so wie eine Zentrifuge in der chemische Elemente je nach ihrem Gewicht in unterschiedlichen Regionen des Sterns verteilt werden. Dreht sich der Stern aber langsamer um seine Achse, dann fällt dieser Effekt weg. Hier sinken manche Elemente aufgrund der Gravitation des Sterns einfach immer tiefer ins Innere während andere, die man eigentlich im Inneren erwarten würde an die Oberfläche steigen. Das sind dann vor allem die Elemente, die sehr gut darin sind, Licht zu absorbieren und deswegen von der im Kern des Sterns entstehenden Strahlung quasi nach oben gedrückt werden. Durch diese Umverteilung ändert sich natürlich die gesamte Häufigkeit der Elemente nicht; der Stern verliert oder gewinnt keine neuen Elemente. Aber es ändert sich die Zusammensetzung der äußeren Schicht des Sterns und es ist genau diese Schicht, die das Sternenlicht als letztes durchdringt, die dem von uns beobachtbaren Spektrum ihre Zusammensetzung einprägt.

Künstlerische Darstellung von Sirius A und B – einer davon ist ungewöhnlich. Der andere aber eigentlich auch. (“Bild: NASA, ESA and G. Bacon (STScI))

Am-Sterne sind oft Teil von Doppelsternsystemen wo zwischen den beiden Sternen starke Gezeitenkräfte wirken und ein Stern dadurch ein wenig seiner Rotationsenergie an den anderen abgeben und so seine Umdrehungsgeschwindigkeit verringern kann. Der prominenteste Am-Stern am Himmel ist sicherlich Sirius, der ja auch der hellste Stern am Nachthimmel ist. Beziehungsweise Sirius A um genau zu sein, denn auch hier handelt es sich um ein Doppelsternsystem.

Die zweite Klasse der chemisch pekuliären Sterne ist die der Ap- bzw- Bp-Sterne. Auch hier setzt sich der Name aus der üblichen Spektralklasse – in dem Fall A bzw. B – zusammen und das “p” weißt darauf hin, dass es sich um pekuliäre Sterne handelt. Hier sind die Spektrallinien die auf die Existenz von Elementen wie Chrom, Mangan, Silizium und Strontium hinweisen besonders stark; man findet hier außerdem auch Linien die von Elementen wie Praseodym oder Neodym verursacht werden, also von der Gruppe an Elementen die man “seltene Erden” nennt und die man ansonsten kaum irgendwo bei Sternen sehen kann. Außerdem verändern sich die Spektren der Ap-Sterne auch noch im Laufe der Zeit, weswegen sie oft auch als “Spektrum-Veränderliche” bezeichnet werden. Der Grund für ihre Besonderheit liegt einerseits in den meist überdurchschnittlich starken Magnetfeldern die sie haben. Dadurch reichern sich bestimmte chemische Elemente vor allem in der Nähe der magnetischen Pole des Sterns an. Wenn dann der Stern auch noch “schief” rotiert, seine Rotationsachse also von der Erde aus gesehen genau auf die richtige Art und Weise geneigt ist, so dass wir den Pol mal sehen können und mal nicht, dann ändert sich auch die Anzahl und Stärke der Spektrallinien die wir beobachten können im Laufe der Zeit. In der Realität sind die Vorgänge natürlich noch deutlich komplexer und auch noch nicht vollständig geklärt.

Die dritte Hauptklasse der pekuliären Sterne wird von den “HgMn-Sternen” gebildet wobei “Hg” und “Mn” für die chemischen Elemente Quecksilber und Mangan steht. Diese “Quecksilber-Mangan-Sterne” sind verwandt mit den Ap-Sternen und werden manchmal in einer gemeinsamen Klasse geführt. Auf jeden Fall handelt es sich meistens um blau-weiße heiße Sterne vom Spektraltyp B und – wie der Name schon nahelegt – zeigen überdurchschnittlich große Häufungen von Quecksilber und Mangan aber auch diverser anderer chemischer Elemente. Helium, Aluminium, Nickel und Cobalt sind dagegen unterdurschnittlich häufig zu beobachten. Warum das so ist ist noch nicht abschließend geklärt. So wie die Am-Sterne rotieren sie sehr langsam. Im Gegensatz zu den Ap-Sternen haben sie aber enorm schwache Magnetfelder. All das zusammen führt vermutlich dazu, dass sich die Elemente auf diese spezielle Art und Weise ver- bzw. entmischen, aber wie die Prozesse genau ablaufen wird noch erforscht.

Die letzten Klasse wird von den “heliumarmen Sternen” gebildet, deren Name eigentlich selbsterklärend ist. Es sind Sterne, in denen deutlich weniger Helium zu beobachten ist als man eigentlich erwarten würde. Das sind Sterne, bei denen vermutlich ähnliche Prozesse ablaufen wie bei den HgMn-Sternen, nur bei höheren Temperaturen was zur scheinbaren Reduktion des Heliums führt.

Metall ist auch in der Wissenschaft super!

Neben diesen vier Hauptklassen gibt es noch diverse Unter- oder Nebenklassen anderer Sterne mit anderen Auffälligkeiten und auch hier ist die Situation noch nicht komplett erforscht. Die ungewöhnlichen Sterne sind also nicht nur ungewöhnlich, sondern auch noch immer ein klein wenig geheimnisvoll und unverstanden. Aber es lohnt sich, sie zu untersuchen. Erstens, weil sie zwar eine Minderheit darstellen, aber keine vernachlässigbare. Von den heißen Sternen der Spektralklassen O, B und A bei denen die Seltsamkeiten vor allem auftreten, gehören bis zu 10 Prozent zu den pekuliären Sternen. Und wenn wir ganz allgemein verstehen wollen wie Sterne funktionieren, müssen wir vor allem auch die beobachten, die sich nicht an die Regeln halten. Denn von den Ausnahmen kann man normalerweise am meisten lernen…