Wisst ihr noch, der Klimawandel? Das Ding, über das wir uns früher mal Sorgen gemacht haben? Bevor die Sache mit dem Virus angefangen hat? Das mit dem Klima war irgendwie wichtig, aber momentan scheint es wichtiger zu sein überall dagegen zu demonstrieren sich regelmäßig die Hände waschen zu müssen und die Demokratie vor den Machenschaften von Bill Gates und der geheimen Weltverschwörung zu schützen…

Der Klimawandel macht aber leider kein social distancing, der geht nicht auf Abstand – er macht auch keine Pause. Der läuft einfach weiter und wird vermutlich noch schneller weiterlaufen wenn die Virussache vorbei ist und wir alle wieder, von der Regierung finanziell unterstützt, neue Autos kaufen; erst recht wieder in die Flugzeuge strömen und durch die Gegend fliegen und die Wirtschaft den Klimaschutz weiter ignoriert (weil Corona). All das was vor der Coronakrise über die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen gesagt wurde gilt immer noch und es gilt jetzt noch viel mehr als vorher.

Ich hab zu dem Thema ja auch viel zu sagen gehabt und gesagt habe ich es unter anderem gemeinsam mit meinen Kollegen von den Science Busters in unserer aktuellen Show “Global Warming Party”. Die können wir momentan leider immer noch nicht aufführen. Aber es sollte dringend wieder über den Klimawandel geredet werden. In unserer Show hatten wir ursprünglich auch ein Segment über “Geoengineering” geplant. Also über all die gigantomanischen Maßnahmen, um das Klima der Erde künstlich zu kühlen. Durch Spiegel im Weltall, durch künstliche Wolken, künstliche Vulkanausbrüche, und so weiter. Was ja tatsächlich immer wieder mal nicht nur wissenschaftlich untersucht wird – wogegen nichts einzuwenden ist – sondern auch ernsthaft als Klimaschutzstrategie vorgeschlagen wird. Wogegen sehr, sehr viel einzuwenden ist.

Was Geoengineering ist und warum es keine gute Idee wäre erklärt dieses Video von Kurzgesagt sehr schön:

Sieht man mal von all den praktischen Schwierigkeiten ab – und da muss man von SEHR viel absehen; immerhin handelt es sich um Projekte im globalen Maßstab und wie gut wir darin sind global und koordiniert auf eine Krise zu reagieren sehen wir ja jetzt gerade: Wir haben es nicht mal innerhalb von Europa geschafft mit der Virussache gemeinsam umzugehen ohne sofort wieder in kontraproduktive Nationalstaaterei zurückzufallen – sieht man also mal von dem ab, bleibt immer noch das große Problem. Das Versprechen einer irgendwie gearteten technischen “Wunderwaffe” gegen den Klimawandel ist höchst gefährlich. Es führt dazu, dass wir die heute dringenden Maßnahmen in die Zukunft verlagern. “Wir müssen uns jetzt um nichts kümmern. Die Zukunft wird das schon richten!” – egal ob das jetzt Kernfusion ist, Geoengineering oder was ganz anderes. Die Zukunft wird aber gar nichts richten. Wir sind die Zukunft! Wir sind die, von denen vor ein paar Jahrzehnten alle gedacht haben, dass sie die Probleme schon lösen werden. Haben wir aber nicht. Weil ja immer noch genug Zukunft da ist, an die wir die Probleme weiter reichen können. Bis sie dann irgendwann vielleicht doch alle ist und dann stehen wir schön blöd da.

Übrigens: Auch wenn es in der Klimawandel-Bühnenshow der Science Busters kein Geoengineering gibt; in unserem Buch zum Thema (das ist September erscheint) wird Geoengineering auf jeden Fall behandelt werden.

Kommentare (10)

  1. #1 libertador
    27. Mai 2020

    In der internationalen Gemeinschaft liegt einiges an Zündstoff in der Frage des Geoengineering. Eine Besonderheit ist, dass es nicht unbedingt eine große Koordination bräuchte, um diese durchzuführen.

    Auf der einen Seite besteht damit natürlich die Gefahr, dass diese Projekte eine gemeinsame Strategie verhindern, auf der anderen Seite haben Staaten, die von den Folgen stark betroffen sind damit auch ein potentielles Drohmittel in der Hand. Der Klimawandel trifft Staaten in Äquatornähe starker. Im Falle von Sonneneinstrahlungsreduzierung, hätten diese aber zum Beispiel stärkere negative Folgen für die Landwirtschaft in größerer Polarnähe. Was die unterschiedlichen Temperaturwirkungen für Auswirkungen auf das Wettersystem haben würde, ist daneben aber offen und deswegen sehr gefährlich. Zu den negativen Folgen durch Geoengineering besteht eine große wissenschaftliche Unsicherheit.

    Eine Wunderwaffe sind solche Eingriffe sicher nicht und die Industriestaaten sind gut beraten es nicht zu einer Situation kommen zu lassen, in der einige stark betroffene Staaten es als sinnvoll erachten ein großes Experiment zu wagen. Diese Gefahr besteht, falls die Klimaschäden sehr groß werden und weite Teile aufgrund von hoher Temperatur und Luftfeuchte unbewohnbar würden (Da wurde ja erst letztens eine Studie zu veröffentlicht).

  2. #2 Positron
    27. Mai 2020

    ” Wir haben es nicht mal innerhalb von Europa geschafft mit der Virussache gemeinsam umzugehen ohne sofort wieder in kontraproduktive Nationalstaaterei zurückzufallen”

    Internationalität scheint wohl dem Menschlichen Drang nach Gruppenbildung zu wieder zulaufen. Ich kann mir sonst jedenfalls nicht erklären warum so etwas immer und immer wieder scheitert. Im Zweifelsfall ist einem die eigene Gruppe doch immer wichtiger als der Rest der Menschheit. Möchte jemand Gegenrede halten?

  3. #3 libertador
    27. Mai 2020

    @Positron
    Eine kurze handlungstheoretische Antwort (Problem der Allgmeingüter). Es ist verdammt schwierig ohne zuverlässige Institutionen Zusammenarbeit zu garantieren. Wenn Zusammenarbeit aber nicht garantiert ist, hat jeder Akteur die Angst ausgenutzt zu werden (und wird es auch von Zeit zu Zeit). Wenn man aber ausgenutzt wird oder dies nur befürchtet, dann arbeitet man nicht zusammen, selbst wenn einem nicht nur an einem selbst gelegen ist, möchten die meisten nicht benachteiligt werden.

    Das Schwierige ist es die Zusammenarbeit sicherzustellen in einer Situation in der es zwar einen klaren Ausblick auf die Technologien zur Transformation gibt, aber der Weg dahin von vielen Unwägbarkeiten und starken Beharrungskräften begleitet ist. Diese beiden kommen zu den oben angeführten Punkten dazu.

  4. #4 Skeptikskeptiker
    27. Mai 2020

    “Wunderwaffe” ist ein gutes Stichwort. Viel eher wird wohl bei solchen Technologien darüber nachgedacht werden, wie man diese am besten als Waffe einsetzen könnte.

  5. #5 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    27. Mai 2020

    Im Westen nichts Neues:
    DER SPIEGEL aus dem März 1950
    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44447703.html

  6. #6 Robert
    Oberland
    27. Mai 2020

    Solche Maßnahmen können aber Übergangslösungen sein. Denn den CO2-Ausstoß Weltweit in den Griff zu bekommen ist eher eine Aufgabe für Jahrhunderte statt Jahrzehnte. Z.B. habe ich einen Ansatz gesehen, Wüstenstaub in hohen Luftschichten auszubringen um die Bildung von Zirruswolken zu begünstigen, die temperatursenkend wirken. Ich sehe kein Problem darin, solche durchaus beherrschbare Methoden weiter zu untersuchen.

  7. #7 UMa
    27. Mai 2020

    Ein weiterer, im Video nicht genannter Nachteil ist die Verringerung der Energieerzeugung aus direkter Sonneneinstrahlung. In einigen Jahren könnten so viele Solarkraftwerke Energie gewinnen, dass allein die Verminderung der Sonneneinstrahlung ein ausreichender Grund wäre auf solche Experimente zu verzichten.

  8. #8 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2020/05/27/coronakita/
    28. Mai 2020

    Wir haben es nicht mal innerhalb von Europa geschafft mit der Virussache gemeinsam umzugehen ohne sofort wieder in kontraproduktive Nationalstaaterei zurückzufallen.

    Tja, ich verstehe das Argument nicht. Hätten wir EU-weit gemeinsam handeln sollen? Oder gleich teilweise global, mit UK und USA einen Konsens suchen? Vielleicht auch noch mit Tansania? Wie sollte das gehen?

    Die EU hat ja immerhin noch einen Haushalt, aus dem sie Maßnahmen finanzieren kann, aber eine europäische Polizei, die Maßnahmen auch umsetzt, gibt es nicht. Man hätte eine Entscheidungsebene mehr und hätte noch träger reagiert.

    Noch größere Organisationen hätte man erst mal gründen und mit Befugnissen ausstatten müssen – wie will man aber in demokratischen Staaten vermitteln, dass wir jetzt ein gemeinsames Handeln mit undemokratischen Regimen verabreden, die sich mit alleine mit Gewalt legitimieren?

    In einem Utopia, vernünftiger, informierter, dem Wohl der Menschheit verpflichteter Menschen könnte sowas funktionieren, aber in diesem Utopia würden auch Nationalstaaten besser funktionieren.

    Hätte die EU entscheiden sollen, ob Lufthansa gerettert wird? Egal wie sie entschieden hätte – zu ihrer Popularität hätte das m.E. kaum beigetragen. Wie hätte der Rechtsweg für uns ausgesehen, wenn wir gegen Erlasse hätten klagen wollen? Wenn man die Realität in großen Teilen ausblendet kann man sich vieles vorstellen, was besser gelaufen wäre.

    Gibt es denn irgendwo eine Partei, die für die kurzfristige Abschaffung des Nationalstaats eintritt, die man bei der letzten Wahl hätte wählen können?

    Ich finde es sehr vernünftig, dass wir jetzt in Deutschland von der Landes- auf die Kreisebene gehen mit der Abstimmung von Maßnahmen. Das heißt nicht, dass Koordination und Kooperation aufgegeben werden sollen. Wichtig wären dabei auch überregionale Stellen um kleine Einheiten, denen es an Expertise mangelt, Fragen zu beantworten, zu beraten, Erfahrungsaustausch zu koordinieren.

    Das Klima betreffend bieten sich Parallelen an, etwa dass man global von den Folgen betroffen sein wird, aber es gibt auch gewichtige Unterschiede. Für Demokratien etwa den, dass die Folgen für das politische Personal nicht mehr wahlentscheidend werden werden.

    Dann gibt es die Schuldfrage. Hier kann man China ans Bein pinkeln, aber nachdem die Seuche erst mal Fahrt aufnahm? Da gibt es Nationen mit mehr interenationalem Reiseverkehr, was Virenim- und Export bedeutet, aber das ist doch sehr unterschieden von 100 Jahren brummender Industrialisierung. Vor allem aber könnten kleine CO2-Ausstoßländer davon profitieren, dass alle anderen Anstrengungen unternehmen und selbst nichts tun. Bei Corona bekommt jedes Land seine Quittung.

    Außerdem fürchte ich, dass beim Klima der Zug längst abgefahren ist. Vor 20, 30 Jahren hätte man durch massives Umsteuern vielleicht was retten können, aber heute?

    Oder liegt dieses Video (10 min) da etwa falsch?

  9. #9 Herb
    28. Mai 2020

    Ja leider wird es wohl so sein, dass zukünftige Generationen auf Geoengineering zurückgreifen müssen, um überleben zu können. Während man auf den Klimakonferenzen ergebnislos labert oder sich wegen einer nicht verpflichtenden Abschlusserklärung freudeweinend in den Armen liegt (Paris 2015), steigt der CO2 Ausstoss ungerührt in neue Höhen. Unsere Kinder und Enkel werden dafür leiden müssen.

  10. #10 Jörn
    8. Juni 2020

    Inzwischen ist es so weit, daß nicht mehr nur unsere Kinder und Enkel werden darunter leiden müssen. WIR werden auch einen Teil dessen abbekommen, was da auf uns zukommt – denn wir sind schon mittendrin!