stuffmatters (Andere)Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Stuff Matters: Exploring the Marvelous Materials That Shape Our Man-Made World”* von Mark Miodownik. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienenen Artikel findet man hier.

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Nach Stahl und Papier kommt in Kapitel 3 des Buchs “Stuff Matters” nun das Fundament von Allem an die Reihe: Beton. Beton ist für unsere moderne Zivilisation das, was der Wasserstoff für das gesamte Universum ist. Ohne ihn gäbe es so gut wie nichts von all dem, was uns tagtäglich umgibt. Der Wasserstoff hat allerdings ein viel besseres Image als der Beton. Zugegeben, es klingt wesentlich poetischer, wenn man sagt”: “Wir alle sind Sternenstaub!” als es “Unsere Zivilisation besteht aus Beton!” Aber wenn jemand vermitteln kann, wie wichtig und wie schön dieses Material ist, dann ist das Mark Miodownik.

The Shard in  London; mit einem Kern aus Beton (Bild: Mariordo (Mario Riberto Duran Ortiz), CC-BY-SA 3.0)

The Shard in London; mit einem Kern aus Beton (Bild: Mariordo (Mario Riberto Duran Ortiz), CC-BY-SA 3.0)

Miodownik erzählt die Geschichte des Betons anhand “The Shard” das nach seiner Errichtung im Jahr 2012 mit 306 Metern der höchste Wolkenkratzer Europas war. Das Gebäude wurde direkt in Miodowniks Nachbarschaft gebaut und er hat die Konstruktion täglich mitverfolgt. 700 LKW-Ladungen Beton wurden für das Fundament verwendet und der musste übrigens nicht “trocknen”, wie viele Menschen glauben. Beton wird hart, weil dort bestimmte chemische Prozesse das Wasser einschließen; nicht, weil das Wasser verdunstet. Und damit der ganze Prozess funktioniert muss man alles richtig machen.

Einfach nur Erde oder Steine mit Wasser zu vermischen ergibt nur Matsch. Für Beton braucht man zuerst Zement und der entsteht, wenn man calciumcarbonathaltiges Gestein und silikathaltiges Gestein mischt und auf sehr hohe Temperaturen (mindestens 1450 Grad Celsius) erhitzt. Nur dann brechen die chemischen Bindungen auf und man bekommt Calciumsilicate und den pulverigen Zement, der Wasser aufsaugt und ein Gel formt. Gibt man dann noch Steine dazu, verbindet der Zement alles bombenfest und man bekommt im wesentlichen einen künstlichen Stein der ebenso fest ist wieder natürliche. Nur dass man den Beton eben in jede beliebige Form gießen kann…

Interessant ist auch die Geschichte des römischen Betons. Die alten Römer hatten zwar keine Ahnung von der speziellen Chemie des modernen Betons und wussten auch nicht, wie man Zement herstellt. Aber sie sammelten die vulkanische Asche in der Umgebung von Neapel. Die entstand ebenfalls durch Gestein, das enormer Hitze ausgesetzt war und daraus ließ sich durch Mischung mit Wasser und Kalkstein ein brauchbarer Beton gewinnen. So brauchbar, dass die Betonkuppel des römischen Pantheons heute immer noch steht.

Römischer Beton in der Kuppel des Pantheon (Bild: Mr. Lehmeyer / Adalbert, CC-BY-SA 3.0)

Römischer Beton in der Kuppel des Pantheon (Bild: Mr. Lehmeyer / Adalbert, CC-BY-SA 3.0)

Miodownik wird zwischendurch bei der Beschreibung dieses Materials und seiner Verwendung richtig poetisch:

“It is a philosophy as much as it is an engineering technique, completing a cycle that starts when the Earth’s mantle creates rock and stone through mountain building, which is then mined by humans and transformed back into our own artificial mountains of rock, made to our own design, where we live and work.”

Der römische Beton verschwand im Mittelalter wieder und tauchte lange Zeit nicht mehr als Baumaterial auf. Warum, weiß man nicht – aber vermutlich lag es daran, dass die Römer ein Problem nicht lösen konnten. Beton ist zwar sehr stabil, wenn es darum geht, Druck abzufangen. Wenn er gestaucht wird – wie zum Beispiel bei Säulen oder Kuppeln – dann hält er lange. Wird er aber gedehnt, wie es bei Brücken oder Aquädukten der Fall wäre, dann reißt und bricht er. Erst im 19. Jahrhundert fand der französische Gärtner Joseph Monier die Lösung. Um stabilere Blumentöpfe zu konstruieren, goß er Beton über ein Stahlnetz und erfand den Stahlbeton.

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Kommentare (9)

  1. #1 Nekrassow
    8. Januar 2015

    Der gezeigte Einsteinturm ist aber eher ein schlechtes Beispiel für die Betonbauweise, er wurde zwar als Betonbau geplant, aber dann doch zum großen Teil in Ziegelbauweise ausgeführt.

  2. #2 Buck Rogers
    8. Januar 2015

    Schöner Artikel!
    Mal ein Thema, dass ich sogar in der Schule hatte.
    Ich habe mich schon damals gefragt, wie die Welt wohl aussehen würde, hätten Stahl und Beton nicht zufällig den gleichen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Man könnte ja fast meinen, es sollte so sein 😉

  3. #3 Basilius
    Mashiroiro Symphony
    8. Januar 2015

    Hm….
    Ich denke, wenn Stahl & Beton nicht so gut zusammenpassen würden, dann hätte irgendjemand irgendeine andere Lösung gefunden die irgendwie auch praktikabel gewesen wäre. Vielleicht nicht ganz so prima. Aber das hätte dann auch keinen gestört, weil ja der Vergleich zum besseren Stahlbeton gar nicht existieren würde.

  4. #4 Chris
    Keller
    8. Januar 2015

    Moin,
    was mich in der Uni recht überrascht hatte ist was mit Beton so alles gemacht werden kann. Klar, die Lautsprechergehäuse wegen denen ich mit ein paar Bau IngStudenten gesprochen hatte lagen zumindest mir noch nahe.

    Aber die Vorführung vom Betonkanu und Betonsegelboot waren da schon was anderes…
    Viel Spaß: https://www.betonkanu-regatta.de/

  5. #5 bikerdet
    8. Januar 2015

    Bei aller Begeisterung sollte man zwei Dinge nicht vergessen : Die Herstellung von Zement erzeugt viel CO2. Jede Tonne Zement entlässt auch fast eine Tonne CO2 in die Atmosphäre. Außerdem geht uns der Sand aus.

    https://www.ingenieur.de/Themen/Klima-Umwelt/Der-Sandverbrauch-fuehrt-Raubbau-an-Natur

    Aktuell verbrauchen wir je Erdenbürger 2 Tonnen Sand im Jahr , da kommen rund 15 Mrd. Tonnen zusammen, die unwiederbringlich in Beton verwandelt werden.

    https://www.arte.tv/de/krieg-um-den-sand/7459746,CmC=7459738.html

    Mittlerweile gibt es eine Sandmafia, Sandschmuggler und Sandräuber. Flüsse, Strände und Flachgewässer werden systematisch ‘entsandet’. Besonders Inselstaaten leiden darunter, der fehlende Sand fördert die Erosion der Küsten.

  6. #6 Michael J. Hußmann
    Hamburg
    9. Januar 2015

    Zum römischen Beton (Opus caementicium) fällt mir noch ein: Weil die Römer in Köln frisches Wasser brauchten, bauten sie ein Aquädukt, das Quellwasser aus der Eifel über rund 100 km nach Köln führte – nicht überirdisch wie in Italien üblich, sondern unterirdisch, in aus Opus caementicium gegossenen Leitungen, die teilweise bis heute erhalten sind. Ich finde ja, dass Arminius einen großen Fehler gemacht hatte, als er seine römischen Freunde verriet und in einen Hinterhalt lockte.

  7. #7 Alderamin
    9. Januar 2015

    @Michael J. Hußmann

    nicht überirdisch wie in Italien üblich, sondern unterirdisch

    Was durchaus logisch ist, weil es früher im Winter fror, insbesondere in der Eifel 😉

    Obwohl ich aus der Gegend bin, weiß ich gar nicht, wo die lang lief, gibt’s davon noch zugängliche Reste zu sehen?

  8. #8 Michael J. Hußmann
    Hamburg
    9. Januar 2015

    @Alderamin: In Köln sind natürlich Reste ausgestellt, aber es gibt auch Teile, die man in situ sehen kann: https://www.naturpark-rheinland.de/kultur/die-roemer-im-naturpark/der-roemerkanal-wanderweg/.

  9. #9 Andriool
    12. Januar 2015

    @ Michael J. Hußmann @Alderamin
    Es freut mich, etwas über das römische Zement zu hören. Es war ja das einzige Material, mit dem ganz früher in Flüssen Bauten errichtet werden konnten, die länger halten als Bauten aus Holz oder Beton. 🙂 Ja, es gibt neuere Bauwerke aus “unserem Beton”, die wieder abgerissen werden müssen wohingegen die Betonbauten der Römer, die zum Teil auch dem Wasser, genauer Salzwasser ausgesetzt sind, über zweitausend Jahre bis heute gehalten haben. Das ist schon wirklich so spitze, dass irgendlich keiner mehr wagte zu fragen, warum das so ist, weil wir uns damit nur blamierten. 🙂

    Im übrigen kann hierzulande noch heute oberirdisch verbauter römischer Zement an den übrig gebliebenen Stützmauern eines Äquaduktes bei Mainz (Moguntiacum) betrachtet werden. Auf fünften Foto in der Fotogalerie unten ist die einstige Architektur des Äquaduktes zu sehen. https://www.roemisches-mainz.de/index.php?qp_active=global&qp_lnr=39 Das röm Äquadukt war einst 9 km lang und 25 m hoch und lieferte mehrere hundert Kubikmeter Wasser pro Tag.