Putzsucht war im Mittelalter verpönt. Bei den Merkmalen die Mann und Frau aufweisen sollten, um dem idealen Schönheitsbild zu entsprechen, war man jedoch anspruchsvoll. Neben weißer Haut und blauen Augen war vor allem eine knabenhafte Figur gefragt.

Das Mittelalter bezeichnet in etwa eine Epoche zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert -eine nicht gerade unerhebliche Zeitspanne. Unterteilt werden die rund 1000 Jahre in frühes, hohes und spätes Mittelalter. Genug Zeit also für die Schönheit und ihre verschiedenen Ideale möchte man meinen. Beim Lesen stellt man jedoch fest, dass sich das Verständnis von Schönheit -Körperpflege und Kosmetik mal außen vorgelassen- während dieser Zeit bis auf Kleinigkeiten aber relativ treu bleibt. Blass, blond schlank: mit diesen drei Worten lassen sich die wichtigsten Schönheitsattribute des Mittelalters zusammenfassen.

Die Zeit wurde stark vom christlichen Glauben beeinflusst. Äußerlichkeiten und Prunk galten eher als unschicklich und unerwünscht. Walther von der Vogelweide, einer der bekanntesten Lyriker seiner Zeit, beschrieb die schöne, reine Frau als vor allem ansehnlich, aber schmucklos.


Die Betonung des Äußeren durch Schmuck und andere Hilfsmittel mag zwar verpönt gewesen sein, in Bezug auf die körperlichen Merkmale, die jemand aufzuweisen hatte, um als schön zu gelten, hatte man aber genaue Vorstellungen. Und das Mittelalter zeigte sich nicht gerade wenig anspruchsvoll was die Schönheit der Männer -und vor allem die der Frauen betraf. Von der Farbe des Mundes über die Beschaffenheit der Haut bis zum Schwung der Augenbraue war Schönheit genau definiert.

Perfekte Brust dank Taubenmist

Bei den Damen galt eine schlanke knabenhafte Figur mit leicht gerundeten Schultern als ideal. Taille und Hüften sollten schön schmal sein. Bis dahin unterscheiden sich die Vorstellungen also nicht wesentlich von denen des 21. Jahrhunderts.  Im Gegensatz zu heute, war ein bisschen Bauch jedoch erlaubt. Dieser durfte aber nur leicht nach vorn gerundet sein. Auf bildlichen Darstellungen kann man so schnell den Eindruck, die Dame sei schwanger.

Große Brüste waren dagegen absolut inakzeptabel, sie galten als Zeichen eines niedrigen Standes. Glücklich schätzen konnten sich die Frauen, die kleine feste Brüste besaßen – sofern diese nicht zu dicht beieinander lagen. Ein Wunschbild, das einigen Frauen allerdings Sorgen bereitet haben dürfte. Um diesem Idealbild möglichst nahe zu kommen, griff frau dann auch zu interessanten Mitteln: Im mittelalterlichen Spanien wurden Mädchen etwa ab dem sechsten Lebensjahr Bleiplatten auf die Brüste gelegt, die das Brustwachstum verhindern oder wenigstens einschränken sollten.

Großes Vertrauen legte man offenbar auch in den Saft von fleckigem Schierling und in ein Gemisch aus Essig und Taubenmist. Das fleißige Einreiben der zu wachsen beginnenden Brüste sollte dazu führen, in den Genuss kleiner fester Brüste zu kommen. So jedenfalls die Empfehlung an die mittelalterliche Jungfrau.

Das ideale Gesicht

Spezielle Anforderungen gab es in Bezug auf das Gesicht: Blasse Haut
galt als besonders edel, da sie dokumentierte, dass man nicht gezwungen war
einer körperlichen Arbeit nachzugehen. Überhaupt gehörte eine weiße, reine Haut
zum Idealbild weiblicher Schönheit. 

Lediglich die Wangen durften von einem leichten Hauch Röte überzogen sein. Als anziehend
empfand man ein rundes Kinn, feine Brauen und einen kleinen roten Mund mit weißen, ebenmäßigen Zähnen. Die Augen sollten möglichst blau und strahlend sein. Umrahmt war ein solch liebliches Gesicht idealerweise von langen blonden Locken – und das nicht nur bei der Frau. Auch bei den Männern galt langes blondes Haar als das Schönheitsattribut schlechthin.

Der 1313 in Italien geborene Dichter und Schriftsteller Giovanni Boccaccio beschreibt in einem seiner Gedichte das ideale Frauengesicht so:

„Makellose unberührte Perlen aus dem Orient unter lebendig leuchtend roten Rubinen, von denen sich ein engelsgleiches Lächeln erhebt, das unter zwei schwarzen Brauen oft Venus und Zeus gemeinsam funkeln lässt, und mit roten Rosen und weißen Lilien seine Farbe unter alles mischt, ohne dass irgendeine Kunst eingreift: die goldenen Locken leuchten über der frohen Stirn, auf der Armor wunderbar erstrahlt; und die anderen Teile passen alle zu dem Gesagten, in gleicher Proportion, bei ihr, die einem wahren Engel gleicht.”

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Kommentare (10)

  1. #1 Lichtecho
    September 9, 2010

    Hmmmm, Apfelbrüste!

  2. #2 Alles Käse
    September 9, 2010

    Auch heute gibt es ein in Werbe- und Modefotografie zelebriertes Schönheitsideal, das mit der Realität wenig zu tun hat. Und das betrifft nicht nur die Realität der tatsächlichen durchschnittlichen Körperform, sondern auch dessen, was als schön empfunden wird.

    Während schwule Modemacher Models auf den Laufsteg schicken, die an adoleszente Knaben erinnern, weil sie ihnen von allen Frauen noch am wenigsten missfallen und so seit Jahrzehnten einen Frauentyp hypen, der unter erwachsenen Frauen recht selten anzutreffen ist, mögen Männer im Durchschnitt tatsächlich Frauen mit “normalem” Körperbau, also durchschnittlich üppigen Schenkeln und Hintern, wie einschlägige Untersuchungen der letzten Jahrzehnte immer wieder zeigten.

    Interessant das Statement einer etwas großzügiger von der Natur bedachten Freundin: “Alle Männer wollen mit mir ins Bett, aber kaum einer eine ernsthafte Beziehung.” Interpretiert: Die Superschlanke wird als Statussymbol genommen, aber Sex hätte man lieber mit der mit dem gebärfreudigen Becken und den üppigen Hupen. Eine Redewendung im brasilianischen Mittelstand lautet: Weiße Mädchen sind zum Heiraten, Mulatas für den erotischen Spaß (vom Autor entschärft). Mit anderen Worten: Das was gesellschaftlich bevorzugt wird und das was tatsächlich gefällt, differiert deutlich.

    Warum sollte das jemals anders gewesen sein?

  3. #3 Alles Käse
    September 9, 2010

    P.S. Tatsächlich scheint auch im Mittelalter der jugendliche Mensch (schmale Hüften, kleine feste Brüste) das Schönheitsideal verkörpert zu haben. Der Sexualforscher Magnus Hirschfeld erfand dafür die Begriffe Parthenophilie (Interesse an adoleszenten Mädchen) und Ephebophilie (Interesse an adoleszenten Knaben) und kommentierte das als eine im Unterschied zur Pädophilie “sexualbiologisch erwartbare Reaktion“, die “nicht als Störung der sexuellen Präferenz kategorisiert werden” könne.

    Quelle: Ch. J. Ahlers, G. A. Schaefer, K. M. Beier: Das Spektrum der Sexualstörungen und ihre Klassifizierbarkeit in DSM-IV und ICD-10. In: Sexuologie. Band 12, 2005

  4. #4 Geoman
    September 10, 2010

    Glückwunsch, wirklich schöner Artikel!

  5. #5 Georg Hoffmann
    September 10, 2010

    Ich bin zu spaet geboren. Blasser Teint, Apfelbruestchen und hohe Stirn, hab ich alles!

  6. #6 Liane Vorwerk-Gundermann
    September 10, 2010

    @Geoman
    Herzlichen Dank! Hat auch wirklich Spaß gemacht;-)

  7. #7 Geoman
    September 10, 2010

    @Georg Hoffmann

    Fehlt nur noch die hochmittelalterliche Warmzeit um das Bild von Ihnen abzurunden.

  8. #8 Marc Scheloske
    September 10, 2010

    @Alles Käse:

    Zu den Schönheitsidealen der Gegenwart kommen wir natürlich noch. Da werden wir dann sicher auch sehen, ob das (in Modezeitschriften oder den Laufstegen) propagierte Ideal von den tatsächlichen Idealvorstellungen abweicht.

    @Georg:

    Ja, das ist das Schicksal der Spätgeborenen. 😉

  9. #9 Liane Vorwerk-Gundermann
    September 10, 2010

    @Georg Hoffmann

    Netter Tipp;-) Die hochmittelalterliche Warmzeit ist mit Sicherheit ein interessantes Thema. Wäre aber unter der Rubrik Naturwissenschaft wahrscheinlich besser aufgehoben. Da es in diesem Blog primär um Schönheit geht, habe ich mal davon abgesehen, auf dieses Thema einzugehen.

  10. #10 Mittelalter Muckel
    November 14, 2010

    Man sollte vielleicht erwähnen das ein paar Details bezüglich der Schönheit nur auf dem Oxident beschränkt war. Natürlich hatte der Orient in manchen punkten ein anderes Schönheitsideal.