Die Haut -mit ihren rund 1,6 Quadratmetern das größte Organ des menschlichen Körpers- bietet viel Fläche für Verzierungen aller Art. Schon seit Jahrtausenden nutzen die Menschen diese letzte Körperschicht als Feld für kreative Veränderungen und Plattform zur Weitergabe nonverbaler Informationen.

Unsere Haut bietet eine Menge Platz für Kreativität; Tätowierungen, Bemalungen, Ringe und Piercings. Inzwischen ist dieser Körperschmuck, der noch vor wenigen Jahren oft skeptisch beäugt und eher mit diversen Randgruppen in Verbindung gebracht wurde, zum Teil schon fast salonfähig geworden. Doch Hautverzierungen dieser Art sind bei Weitem nicht nur eine Modeerscheinung unserer Zeit, sondern besitzen häufig eine lange Tradition. So verhält es sich auch mit einem der neueren Trends in Sachen “Hautverschönerung”, den Schmucknarben.


Körperschmuck der bleibt

Das Anbringen dieser Zier- oder Schmucknarben wird als Skarifizierung oder Scarification bezeichnet. Der Begriff leitet sich aus dem lateinischen Wort scarificatio/scarifatio ab und bedeutet so viel wie “das Ritzen”. Je nachdem welche Methode des Anbringens verwendet wird, spricht man auch von Branding oder Cutting. Aber egal welche Methode benutzt wird, in jedem Fall ist es eine schmerzhafte und vor allem dauerhafte Art der Körperverzierung.

Beim sogenannten Cutting werden die Muster gezielt in die Haut geschnitten. Dazu werden in der Regel mit dem Skalpell erst die äußeren Umrisse des Musters gezogen und anschließend die dazwischenliegende obere Hautschicht entfernt. Beim Branding erzeugt man die Narben durch Verbrennungen der Haut, zum Beispiel mit heißem Metall, Laser oder wie beim Cautery Branding mit dem sogenannten „Kauter“, der die Haut mittels Strom verödet.

Die Skarifizierung ist vor allem bei Völkern mit dunkler Haut beliebt, da normale Tätowierungen aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe kaum oder gar nicht sichtbar wären. In Afrika, vor allem im Tschad, im Sudan aber auch in Nigeria, Angola oder Kenia etc. dient das Anbringen der Ziernarben oft nicht nur der Verschönerung des Körpers, sondern wird auch vor einem ganz speziellen Hintergrund vorgenommen oder soll etwas Bestimmtes zum Ausdruck bringen.

Schmucknarben als Herkunftsnachweis

Jedes Muster hat seinen eigenen Namen und seine eigene Bedeutung. Bei verschiedenen afrikanischen Völkern geben die Art und Form der Narben beispielsweise Auskunft über den Status einer Person; Familienstand, Funktion, Stammeszugehörigkeit etc.; je aufwendiger die Verzierungen, umso höher ist in der Regel auch der Status des Trägers.

Skarifizierungen werden oft erst ab einem bestimmten Alter vorgenommen und dienen dann gleichzeitig auch als Initiationsritual, beispielsweise beim Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter. Jungen erhalten die Schmucknarben beispielsweise als Zeichen dafür, dass sie zu Kriegern geworden sind. Und die Mädchen der Hadjerai, einem Volk von Gebirgsbauern im Gebirgsmassiv des Zentraltschads, gelten erst als heiratsfähig, wenn sie im Gesicht, auf dem Rücken, dem Bauch und den Schultern skarifiziert wurden.

Bei den Nuba-Frauen (Bild) im Südsudan erfolgt die Skarifizierung nach drei streng festgelegten Phasen. Die ersten Narben erhalten die Mädchen im Alter von zehn Jahren. Kurz nach der ersten Menstruation werden weitere Narben unter dem Brustbereich angebracht. Nach der Geburt und dem Abstillen des ersten Kindes wird die Verzierung schließlich durch weitere Narben auf dem Rücken, den Armen und den Beinen vervollständigt.

Mittel der Verführung

Die Narben müssen jedoch nicht immer zwangsläufig etwas zum Ausdruck bringen. Nicht selten dienen sie einfach nur dazu, den Körper zu verschönern. Man benutzt sie als Schmuck, um sich für das andere Geschlecht attraktiver zu machen. So beispielsweise bei den Baluba, einem Volksstamm im Kongo; dort schmücken Mädchen und Frauen ihren Unterbauch oder ihre Hüften mit rautenförmigen Narben, deren einzige Aufgabe angeblich darin besteht, die Blicke der Männer anzuziehen und deren Verlangen zu wecken.

Der Grund, die Haut mit solchen Verzierungen zu schmücken, dürfte auch in der westlichen Kultur heute bei den meisten Menschen der sein, dass sie die Verzierungen einfach schön finden. Für die Mehrheit ihrer Träger sind sie ein reines Schmuckelement, mit dem nicht unbedingt auch etwas ausgedrückt werden soll.

Attraktiv mit Narben

Inwieweit dieser narbige Körperschmuck die Attraktivität des Geschmückten auch in den Augen anderer erhöht, ist wohl zweifellos eine Frage des Geschmacks. Bisher ging man eher davon aus, das Narben in den westlichen Kulturen einen negativen Einfluss auf das Attraktivitätsempfinden haben. Anders als in vielen afrikanischen Kulturen, wo man Narben gezielt einsetzt, um attraktiver zu wirken und diese als Zeichen von Reife und Stärke betrachtet.

Interessanterweise zeigen aber Untersuchungen, das Narben generell -auch in westlichen Gesellschaften- nicht zwangsläufig negativ bewertet werden, zumindest sofern diese nicht zu groß und dominant sind. Frauen finden für eine kurzfristige Beziehung Männer mit Narben scheinbar sogar attraktiver. Möglicherweise, so die Wissenschaftler, werden sie als männlicher empfunden und die Narben mit Gesundheit und Tapferkeit gleichgesetzt. Für eine langfristige Beziehung würden Frauen allerdings eher Männer ohne Narben den Vorzug geben. Männer, die ebenfalls an längerfristigen Beziehungen interessiert sind, sollten anscheinend demnach etwas genauer darüber nachdenken, auf welche Weise sie ihren Körper verschönern.

Quellen:

  • Burriss, R. P., Rowland, H. M., & Little, A. C. (2009). Facial scarring enhances men’s attractiveness for short-term relationships. Personality and Individual Differences, 46, 213-217.
  • Belting, H.: Bild-Anthropologie, Entwürfe für eine Bildwissenschaft, Fink, München 2001
  • Jung, E.G.: Kleine Kulturgeschichte der Haut. Steinkopff/Springer, Heidelberg 2007
  • Rüdiger, L.: Biographien, die unter die Haut gehen: Die Tätowierung als Ausdruck und Spiegel sozialer Entwicklungen. Grin Verlag, München 2009
  • Fuest, A.: Die Tätowierung – Geschichte und Bedeutung in Afrika und Deutschland. Grin Verlag, München 2008

Kommentare (2)

  1. #1 Jules
    Dezember 12, 2010

    Und weiß man auch, wie Narben bei Frauen auf Männer wirken? Wäre mal interessant, ob damit auch die gleichen Attribute assoziiert werden wie bei Männern.

  2. #2 Liane Vorwerk-Gundermann
    Dezember 13, 2010

    @ Jules
    Nach Aussage der Forscher wirken sich kleine Narben und Schrammen bei Frauen interessanterweise nicht auf die wahrgenommene Attraktivität aus. Die Männer machen hier also keine Unterschiede. Bei den Narben der Männer gingen die Testpersonen in der Regel aber davon aus, dass sie aufgrund einer Schlägerei entstanden sind, was dann anscheinend auch mit den Attributen “männlich” und “tapfer” gleichgesetzt wurde. Bei den Frauen kommt es offenbar nicht zu dieser “Vermännlichung”, ihre Narben wurden von vornherein eher auf Unfälle zurückgeführt.