Die Muster der Moleküle

Dafür verwendet man die Isotopenmuster der Moleküle. Die Elemente auf unserer Erde kommen in unterschiedlicher Form vor. Zwei Atome des gleichen Elements können unterschiedliche Anzahl an Neutronen enthalten, und haben somit ein unterschiedliches Gewicht. Zum Beispiel gibt es zwei stabile Isotopen von Wasserstoff: den “normalen” Wasserstoff (kein Neutron), und den schweren Wasserstoff (ein Neutron). Normaler Wasserstoff kommt auf unserem Planeten zu 99.985% vor, schwerer nur zu 0.015%. Durch die unterschiedliche Häufigkeit der Isotopen entsteht im Massenspektrum ein Muster — das Isotopenmuster. Je nach Anzahl der enthaltenen Elemente ändert sich dieses Muster. So kann man zwei Moleküle mit gleicher Masse aber unterschiedlicher Zusammensetzung voneinander unterscheiden.

Mittels bioinformatischer Methoden kann man das Isotopenmuster einer Summenformel simulieren. Vergleiche ich das Muster mit einer Messung meines unbekannten Moleküls, kann ich herausfinden, welche Summenformel die wahre Zusammensetzung des Moleküls ist. Natürlich macht das der Rechner, nicht ich — trotzdem: hunderttausende Isotopenmuster zu simulieren und zu vergleichen kostet Rechenzeit. Wie könnte ich Rechenzeit sparen? Zur Erinnerung: unser Problem wird schwieriger mit der Größe des Moleküls und mit der Anzahl der möglichen Elemente, die wir betrachten. Nun, an der Größe des Moleküls können wir wohl kaum etwas ändern, an der Anzahl der Elemente, die wir betrachten, vielleicht schon.

Elemente wie Chlor, Brom und Selenium haben charakteristische Isotopenmuster, die sich im Isotopenmuster des Moleküls widerspiegeln.

Elemente wie Chlor, Brom und Selenium haben charakteristische Isotopenmuster, die sich im Isotopenmuster des Moleküls widerspiegeln.

Was wäre, wenn ich schon vorher erraten könnte, welche Elemente sich sehr wahrscheinlich im Molekül befinden? Klar, Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff kommen in fast allen Molekülen vor, nehmen wir diese also als gesetzt. Wie sieht es mit Chlor, Brom oder Selen aus? Muss ich die Elemente überhaupt betrachten, wenn sie doch eh nur selten vorkommen? Einfach ausschließen können wir sie nicht. Aber — welch ein Glück — diese Elemente haben besonders auffällige Isotopenmuster. Die Muster sind sogar so prägnant, dass sie sich im Isotopenmuster des Moleküls widerspiegeln. Enthält mein Molekül Chlor, erkenne ich das von vornherein am gemessenen Muster. Und besser noch als ich selbst erkennen es Computer. Mittels Maschinellem Lernen können Computer vorhersagen, ob ein Molekül bestimmte seltene Elemente überhaupt enthalten kann.

Egal wie weit der Weg ist, man muss den ersten Schritt tun

Vielleicht habt ihr schon gemerkt, eine der großen Künste der Bioinformatik ist es, die biologischen Fragestellungen in die richtigen Teilprobleme zu zerlegen, die sich dann Schritt für Schritt lösen lassen. Zuerst bestimmen wir, was überhaupt drin sein kann im Molekül, dann bestimmen wir die genaue Zusammensetzung der Elemente und erst dann lohnt es sich zu untersuchen, wie die einzelnen Atome angeordnet sind. So gesehen, ist es auch heute noch ein langer Weg, um die Struktur eines Moleküls aufzuklären. Nur begeben wir uns nicht mehr zu Fuß auf diesen Weg, sondern eher in einer Rakete — und zwischendrin müssen wir ab und zu umsteigen.


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Kommentare (8)

  1. #1 Rotmilan
    20. Juli 2016

    Superartikel.

    Habe mich nur gefragt, ob andere Elemente, die vielleicht auch seltener sind, in entsprechend deutlichen Isotopenmuster in der MSM auftauchen oder ob Elemente wie Selen, Brom oder Chlor hier eine Ausnahme bilden…Kann man da “Überraschungen” erwarten oder weiß man nüchtern, wie wahrscheinlich Elemente auftauchen?

    Andere Frage:
    Es hieß, dass es komplizierter wird, je komplexer ein Molekül ist. Die hier dargestellten Moleküle sind ja recht überschaubar. Wie verhält sich denn bei großen Lipidmolekülen oder komplexen Proteinen?

    • #2 Franziska Hufsky
      20. Juli 2016

      Nicht alle Elemente, Phosphor zum Beispiel nur ein einziges stabiles Isotop. Das zeichnet sich nicht ab im Isotopenmuster des Moleküls. Man versuchten die Methode so zu trainieren, dass es man lieber mehr falsch Positive zulässt, als falsch Negative. Wenn das Element in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist, kann das dann noch immer in einem späteren Schritt erkannt werden. Wenn man es gleich wegschmeißt, dann nicht mehr.

      Die Methoden sind generell für “kleine Moleküle” bzw. Metaboliten. Für Proteine wendet man in der Regel ganz andere Methoden an, aufgrund ihrer kettenartigen Struktur und den wiederkehrenden Bausteinen.

  2. #3 Inge Schuster
    20. Juli 2016

    sorry, 1 Nanometer = 10 Angstrom

  3. #4 MJ
    21. Juli 2016

    Tut mir leid, aber 1A sind 10nm, nicht 1000.
    Mit guten Elektronenmikroskopen lassen sich durchaus molekulare Sechsringe auflösen.

  4. #5 MJ
    21. Juli 2016

    Mist, umgekehrt natürlich. 10A sind 1nm wollte ich sagen.

  5. #6 Franziska Hufsky
    21. Juli 2016

    @MJ & Inge: Danke für den Hinweis! Korrigiert 🙂

  6. #7 Kai
    23. Juli 2016

    @Rotmilan: Proteine bestehen ja aus einzelnen Aminosäuren. Daher setzt sich dein Münzalphabet nicht aus den chemischen Elementen zusammen, sondern aus den verschiedenen Aminosäuren. Und schon kannst du aus einer Masse des Proteins darauf schließen wie oft welche Aminosäure darin vorkommt. Ganz gut funktioniert das dann doch nicht, weil manche Aminosäuren die gleichen Massen haben (bsp: Leucin/Isoleucin). Und dann gibt es auch noch post-translationale Modifikationen (z.B. Methylierung), welche die Aminosäuren ändern. Zur genauen Bestimmung der Sequenz muss man dann aber Sequenzierungsmethoden verwenden.

    Lipide wiederum sind meines Wissens nach ja recht eingeschränkt, was die Zahl chemischer Elemente angeht. Generell macht es natürlich Sinn nicht nur eine, sondern mehrere Messtechniken zu benutzen und zu kombinieren. Man kann oft schon anhand einer Chromatographie viel über die Art des Moleküls erfahren um dann im zweiten Schritt die Möglichkeiten einzugrenzen.

  7. #8 Stephan
    29. November 2016

    MJ,
    bist du derjenige, dem im mai d.j. ein eingriff bevorstand ?