Ich bin ja ein Fan aller Arten von RNA und interessiere mich daher besonders für forensische RNA-Analytik. ResearchBlogging.org Neulich erschien im Journal of Forensic Sciences ein Paper, welches die Alterbestimmung von Haaren an Tatorten mittels RNA-Expressionsanalyse beschreibt.
Die Autoren griffen auf eine Methode zurück, die schon zuvor von Anderson et al. für Blutspuren beschrieben worden war und optimierten und validierten diese Methode zur Anwendung auf Haare.


Empfohlene vorbereitende Lektüre: Genexpressionsregulation.

Häufig ist für die Aufklärung eines Verbrechens die Kenntnis der Tatzeit entscheidend. Manchmal ist diese jedoch nicht einfach zu festzustellen und muß indirekt durch den Zeitpunkt, zu dem biologische Spuren am Tatort abgegeben wurden, bestimmt werden. In anderen Fällen steht und fällt der Wert einer biologischen Spur mit der Kenntnis des Zeitpunkts, zu dem sie gelegt wurde.
Das Alter biologischer Spuren ist jedoch nicht leicht zu bestimmen, da ihre Zersetzung keinen einfach zu beschreibenden Gesetzmäßigkeiten gehorcht, daher forschen immer wieder forensische Wissenschaftler an biologischen Markern, an denen man, wie auf einer Stoppuhr, die Zeit ablesen kann, die seit dem Zeitpunkt vergangen ist, zu dem die Zellen ihren ursprünglichen Körper(zusammenhang) verlassen haben.

Bis vor kurzem gab es keine verläßliche Methode zur Alterbestimmung von Haaren, obwohl Haare, neben Blut, Speichel und Sperma, zu den häufigsten biologischen Spuren an den Tatorten von Verbrechen gehören. Häufig liefern gerade Haare Hinweise oder bestärkende Evidenz, um eine Person mit einem Tatort oder einem Gegenstand in Verbindung bringen zu können.
Für die Bestimmung des Alters von Blutspuren wurden indes schon einige Anstrengungen unternommen: Andersen et al. haben 2005 dafür eine RNA-abhängige Methode beschrieben, die nun Hampson et al. für Haare „neu entdeckt” und optimiert haben.

Das Prinzip dieser RNA-Methode beruht auf der Messung des relativen Expressionsverhältnisses, der „relative expression ratio” (RER) von zwei verschiedenen Arten von RNA. Dazu muß man wissen: es gibt in der Zelle viele verschiedene Spezies von RNA (und es wird sicher mal einen Basics-Artikel darüber geben). Die mRNA habe ich im Post zu Genexpressionschon erwähnt. Eine andere Sorte ist die sogenannte „ribosomale RNA” (rRNA), die zum Baumaterial der Proteinfabriken, den Ribosomen, gehört. Diese beiden Sorten von RNAs haben in der Zelle unterschiedliche Haltbarkeiten und sind auch unterschiedlich in Hinsicht auf ihr postmortales Überdauern und genau das macht man sich hier zunutze.

Zunächst zum Material: für diese Studie haben die Autoren von 10 Personen (5 Frauen, 5 Männer, unterschiedliche Altersgruppen) für 9 Intervalle (0, 1, 5, 15, 30, 45, 60, 75 und 90 Tage) je 20 Haare mit Wurzel ausgerupft.
(ja, ich habe mir an dieser Stelle auch überlegt, daß es sicher nicht lustig für die Probanden war, sich 180 Haare einzeln ausraufen zu lassen)

Die Haare wurden dann kontrolliert gealtert, indem sie für eine ihrem jeweils zugeordneten Intervall entsprechende Zeit in sterilen Plastikreaktionsgefäßen den diurnalen Schwankungen von Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, UV-Bestrahlung und Temperatur ausgesetzt wurden.

Aus den Haaren wurde dann RNA extrahiert und diese revers zu cDNA transkribiert (für die PCR wird ja immer DNA benötigt). Diese cDNA diente dann als Grundlage für die quantitative PCR (,die hier auch schon erwähnt wurde).
In dieser Studie wurde viel Arbeit in die Optimierung dieser PCR investiert, ich überspringe aber diesen sehr technischen Teil, da er nur für qPCR-Kenner interessant sein dürfte und für das Verständnis der Daten nicht notwendig ist.

Jedenfalls wurden in dieser qPCR durch Verwendung von zwei für je eine der RNAs spezifischen Assays (so nennt man die Kombination eines spezifischen Primerpaares und einer spezifischen Sonde, die einen Fluoreszenzfarbstoff trägt, dessen Leuchten detektiert wird und als Messgrundlage für die Amplifikation dient), gleichzeitig die cDNA-Äquivalente der Beta-Aktin-mRNA und der 18S-rRNA vervielfältigt.
Am Verlauf der Reaktion, dem man bei der Technik der qPCR in „Echtzeit” (weswegen man sie manchmal auch „Realtime-PCR” nennt) zusehen kann, kann man sehr exakt auf die Ausgangsmenge der jeweiligen cDNAs und damit RNAs schließen und schließlich auch ein Mengenverhältnis von zwei oder mehr cDNAs berechnen, das relative Expressionsverhältnis (RER). Zunächst sahen sich die Forscher aber die Stabilität der einzelnen RNAs an:

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Kommentare (2)

  1. #1 michael
    12/07/2011

    Na gut, die Haare wurde kontrolliert gealtert, aber was ist, wenn die Haare in einer feuchtwamen Wohnung oder im Wald gefunden werden. Kann man dann immer noch sinnvoll die Formel anwenden ?

  2. #2 Cornelius Courts
    14/07/2011

    @michael: “aber was ist, wenn die Haare in einer feuchtwamen Wohnung oder im Wald gefunden werden. Kann man dann immer noch sinnvoll die Formel anwenden ?”

    das kommt drauf an, in welchem Umfang die RER von den äußeren Umständen beeinflusst wird. Im vorliegenden Fall scheint es vor allem die Zeit zu sein, es kann aber durchaus sein, daß der RNA-Zerfall durch extreme Bedinungen beschleunigt wird.
    In Folgeexperimenten sollten daher genau solche Bedinungen und ihr Einfluss auf die RER getestet werden, z.B. besonders hohe/niedrige Luftfeuchtigkeit oder direkter Kontakt mit Regen o.ä.