Ich bin bisher noch den Bericht über den 25. Weltkongress der ISFG schuldig geblieben, der 2013 in Melbourne stattfand und ursprünglicher Anlass meiner kürzlich beendeten Reise nach Australien war. Ich hatte dort zwei Projekte* zu präsentieren und nahm an einem Workshop zu RNA/“Body Fluid Identification“ (BFI, deutsch: Identifikation von Körperflüssigkeiten) teil, bei dem ich später auch im Expertenpanel saß.

Melbourne ist eine tolle Stadt und auch der Kongress hat mir sehr gut gefallen. Er fand im Melbourne Convention and Exhibition Centre statt,

venue

war, wie fast alles in Australien, sehr gut organisiert und alles lief glatt.

tanz

klar, wir erhielten ja auch eine offizielle Haka-Begrüßung von maorischen Tänzern

 

Thematische Schwerpunkte des Kongresses waren u.a. die inzwischen vielseitigen Anwendungen und Einsatzmöglichkeiten von NGS in der forensischen Genetik (dazu gab es insgesamt ganze 10 Vorträge und bereits zwei Industrieaussteller präsentierten „handliche“ und „erschwingliche“ NGS-Geräte an ihren Ständen), Fortschritte und Weiterentwicklungen im Bereich der BFI und die verschiedenen biostatistischen Ansätze zur Interpretation von DNA-Befunden (auch und gerade bei schwierigen Profilen aus minimalen Mengen von DNA).

Der Einsatz von NGS wurde beschrieben für die Sequenzieurng des mitochondrialen (mt) Genoms, für die BFI, für die Metagenomik in der Wildlife-Forensik (s.u.), für die Analyse von Gemischen der DNA mehrerer Spezies, für die forensische Bodenanalyse und für die Untersuchung von SNPs im Rahmen der forensischen Identifikation aber auch der globalen Abstammungsanalytik. Wenn ich mich an den Kongress in Wien vor zwei Jahren erinnere, wo es erste vorsichtige Versuche mit forensischen NGS-Anwendungen gab, dann kann ich eine rasante Entwicklung von NGS bis zur realistischen Praxistauglichkeit feststellen und ich bin inzwischen sehr begierig danach, endlich auch mit NGS zu arbeiten. In Kombination mit meiner derzeitigen Lieblingsmethode, der quantitativen PCR, kann man unglaublich interessante Fragen damit bearbeiten und ich hätte aus dem Stegreif zig Ideen für forensische Forschungsansätze. Es kann nicht mehr lange dauern, bis so ein Gerät selbst für unser Institut in finanzielle Reichweite gelangen wird…

Aber auch die BFI hat Fortschritte gemacht (zum Nachlesen hier meine Einführung zur Spurenkunde) und ist wahrhaftig einen weiten Weg von den alten chemischen oder enzymatischen Tests zum Nachweis von Häm oder Saurer Phosphatase bis zu den modernsten Ansätzen, die micro-RNA, epigenetische Markierungen und/oder Kopienzahlvaritionen nutzen gekommen, um Körperflüssigkeiten zu identifizieren und auch komplexe Gemische zu analysieren. Inzwischen gibt es Bestrebungen (und erste Testläufe seitens der EDNAP, an denen wir, als eines von drei deutschen Laboren, regelmäßig teilnehmen) zur Einführung internationaler Ringversuche für die forensische RNA-Analyse (analog zu den fest etablierten DNA-Ringeversuchen, z.B. GEDNAP) und die bisher erzielten Ergebnisse sind bereits sehr vielversprechend. In einigen Ländern, z.B. den Niederlanden, werden von bestimmten Laboren RNA-Analysen auch schon regelmäßig in der echten Fallarbeit eingesetzt. Auf dem Kongress gab es nicht nur einen eigenen Workshop zum Thema (s.o.), sondern auch eine ganze Reihe von interessanten Vorträgen und Postern über den Einsatz von Epigenetik, micro-RNA, FISH und NGS in der BFI bzw. zur Verbesserung bestehender Methoden aber auch zur Bestimmung des Alters einer Spur.

Sehr theoretisch wurde es in den Vorträgen zu den mathematischen Verfahren und Ansätzen und den Diskussionen zwischen Vertretern der verschiedenen „Schulen“ darüber, welches biostatistische Verfahren zur Interpretation von DNA-Befunden das bessere sei. Es wurden Vor- und Nachteile probabilistischer Verfahren erörtert, verfügbare Softwares vorgestellt und diskutiert, inwiefern sich ein auf Bayes begründetes „continous DNA interpretation model“, welches sehr aufwendig und „rechnerpflichtig“ aber mit einigen Vorteilen gegenüber etwas simplizistischeren und auf mehr Annahmen begründeten Modellen ausgestattet ist, in die Laborroutine implementieren läßt. Außerdem ging es einmal mehr um das stets präsente und im Zuge mit immer besser werdenden Analysemethoden sich sogar verschärfende Problem der Interpretation von DNA-Mischprofilen, bei denen sich aufgrund der extrem geringen DNA-Mengen, die inzwischen der Analyse zugängig sind, Artefakte wie der Ausfall von Merkmalen oder die stochastische Entstehung von Scheinmerkmalen zeigen können. In diesem Zusammenhang wurde auch Sinn und Unsinn der Eintragung von (solchen) Mischspuren in forensische Datenbanken (in Deutschland z.B. die DAD) bzw. statistische Grundlagen für eine auf Mischspuren basierende Datenbanksuche diskutiert. Klar wurde, daß es im Bereich der DNA-Profil-Interpretation noch immer viele Uneinigkeiten, Variationen, Animositäten sowie regionsabhängig unterschiedliche „Traditionen“ aber auch Bedürfnisse und Ansprüche der jeweiligen Gerichte/Anwälte gibt. Ebenfalls klar ist aber auch, daß DNA-Beweise nach wie vor zu den besten, sichersten und „unparteiischsten“ gehören, auf die sich die Rechtsprechung stützen kann. Ein Grund mehr also, sie immer weiter zu verbessern und zu erforschen und – irgendwann vielleicht mal – international zu vereinheitlichen.

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