Ende Februar findet immer der Spurenworkshop der Spurenkommission der DGRM statt.

Der historische und aktuelle Hauptzweck der Spurenworkshops ist dabei immer, die Ergebnisse der beiden jährlichen GEDNAP-Ringversuche für forensische Labors vorszustellen und zu diskutieren. Inzwischen ist die Veranstaltung, die wirklich als ganz kleiner Workshop ihren Anfang nahm, aber zu einer großen internationalen Tagung mit Hunderten Teilnehmern und zahlreichen Industrieausstellern geworden, auf der inzwischen auch immer wissenschaftliche Vorträge präsentiert werden.

Letztes Jahr waren wir in Halle an der Saale, wo ich über den Einsatz unserer molekularen Ballistik bei den Ermittlungen zu einem Mehrfachmord berichtete. Dieses Jahr ging es nach Innsbruck in Tirol. Der Spurenworkshop fand im Congress Innsbruck statt, einem großen Kongressgebäude, von dem aus man, wie von so ziemlich jedem Punkt in Innsbruck, einen schönen Blick auf die umgebenden Berge hatte.

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gibt schlechtere Kongressorte, oder?

 

Bevor es allerdings losging, nahm ich am Tag davor noch am Workshop “Forensische Biostatistik” teil, um neue Herangehensweisen bei der Bewertung komplexer Mischspuren und von Profilen aus geringsten Mengen von DNA kennenzulernen und zu diskutieren. Auch dieser fand im Congress Innsbruck statt. Die Einrichtung und technische Ausstattung der Austragungsstätte waren zwar gut, aber die Kosten für einen Kongreß an diesem Ort müssen wohl unanständig hoch gewesen sein, so daß es nicht mehr für freies WiFi und nicht einmal für eine anständige Pausenverpflegung oder gutes und ausreichendes Essen beim traditionellen Gesellschaftsabend am Freitag, auf das man sich nach einem langen Konferenztag gefreut hat, gereicht hat. Das war zwar ärgerlich aber angesichts des vielseitigen und interessanten wissenschaftlichen Programms zu verschmerzen. Außerdem war immerhin der Abschiedimbiss lecker wenn auch rustikal:

 

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am Ende ist eh alles Wurst

 

Unter den insgesamt 32 Vorträgen konnte ich keinen Schwerpunkt ausmachen und statt dessen eine große Themenvielfalt feststellen.

Es gab zum Beispiel gleich drei Vorträge zum DNA-Profiling nicht-menschlicher Organismen, wofür die Gruppen jeweils eigene STR-Multiplex-Ansätze entwickelt haben: es gibt jetzt also ziemlich gute Hunde-, Katzen und Cannabis-DNA-Profiling-Methoden. Die ersten beiden sind interessant für alle rechtlich relevanten Fälle, in denen diese sehr häufigen Haustiere involviert sind und zwar sowohl als „Täter“ (z.B. Kampfhundangriff) als auch als Opfer (z.B. Tierquälerei im Nachbarschaftsstreit). Letztere, von deren Entwicklung schon damals in Hannover berichtet wurde, wird sich als sehr hilfreich bei der Ermittlung gegen Rauschgifthändler und der Nachverfolgung entsprechender Schmugglernetze erweisen. Ein weiterer Vortrag, in dem es um nicht-menschliche DNA ging, kam aus der Rechtsmedizin in Zürich und befaßte sich mit einem Thema der Wildlife Forensik (vgl. den Bericht von der ISFG-Tagung aus Melbourne) indem er vom Beitrag der forensischen Genetik bei der Bekämpfung des Buschfleischhandels an Schweizer Flughäfen berichtete.

Natürlich wurde auch wieder über NGS gesprochen: die neue Sequenzierungstechnik hält ja längst Einzug in die Forensik und vielen forensischen Genetikern juckt es schon sehr in den Fingern, endlich auch NGS einsetzen zu können. In einem Vortrag stellte die Fa. Illumina ihr für forensische Anwendungen optimiertes MySeq-Gerät und dessen Möglichkeiten vor und in einem weiteren Vortrag demonstrierte B. Rolf eindrucksvoll, daß man durch NGS das bis vor kurzem in der forensischen Genetik unlösbare Zwillings-Problem (mit der alten Standard-Sequenzierungsmethode lassen sich eineiige Zwillinge nicht unterscheiden und somit im Zweifelsfall auch nicht auf Grundlage eines DNA-Gutachtens verurteilen) überwinden kann.

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Die Abb. zeigt ein Alignment von NGS-Sequenzen. Oben ist ein Kind, in der Mitte sein Onkel und darunter sein Vater (also der Bruder des Onkels) angeordnet. Der Pfeil deutet auf eine Stelle (SNP) an der man den Vater des Kindes von seinem eineiigen Zwillingsbruder unterscheiden kann.

Insgesamt fanden sich fünf Merkmale, in denen sich die beiden Zwillingsbrüder unterscheiden und an denen man auch sehen konnte, von welchem der beiden Brüder das Kind abstammte. Für verbrecherische eineiige Zwillinge ist das Glück jetzt also ein für allemal vorbei! Wie zuvor schon in Melbourne zeigte dann “Lokalmatador” W. Parson (Gerichtsmedizin Innsbruck) auch in seiner Heimatstadt noch einmal die eindrucksvollen Ergebnisse, die er und seine Gruppe durch NGS bei der vollständigen Sequenzierung mitochondrialer Genome erreichen konnten.

Gleich mehrere Vorträge befaßten sich dieses Mal auch mit der Datenbanksuche: das BKA unterhält in Deutschland die sog. “DNA-Analysedatei” (DAD). Wenn DNA-Profile aus unbekannten Spuren von Tatorten erzeugt und diese Datenbank eingestellt werden, werden sie mit den darin befindlichen Profilen bereits überführter Täter verglichen und bei Übereinstimmung wird ein Alarm ausgelöst. Die Bewertung solcher Übereinstimmungen, also ob die Spur wirklich vom Tatverdächtigen stammt oder es sich dabei nur um einen Zufallstreffer handet, ist jedoch alles andere als trivial und u.a. sollte unbedingt die aktuelle Größe der Datenbank bei den Berechnungen miteinbezogen sowie die Möglichkeit, ob ein naher Verwandter des Tatverdächtigen als Spurenverursacher in Frage kommt, berücksichtigt werden. Zudem sind die Suchalgorithmen der Datenbank auch nicht ideal und ein Beamter vom BKA berichtete von den aktuellen Bemühungen (aber auch den administrativen und organisatorischen Hürden davor), diese zu verbessern.

Zusätzlich zu der für jeden Spurenworkshop obligatorischen umfänglichen Besprechung der GEDNAP-Ringversuchsergebnisse gab es diesmal auch noch zwei Berichte über voneinander unabhängig durchgeführte Ringversuche zum DNA-Profiling an Knochen (an dem von der Rechtsmedizin aus Halle a.d.S. organisiertenVersuch hatten auch mein Team und ich erfolgreich mit unserer eigenen Methode teilgenommen). Erfreulicherweise waren die Ergebnisse beider Knochenringversuche ziemlich gut und belegen die Verbreitung der inzwischen sehr robusten und offenbar gut beherrschten Methoden.

Zwei Vorträge behandelten den Plötzlichen Kindstod (SIDS) und die Rolle mitochondrialer SNPs als mögliche genetische Risikofaktoren. Beide Vorträge berichteten von signifikanten Unterschieden zwischen SIDS-Fällen und Kontrollen bei der Verteilung von SNPs, die mit der ATP-Synthese assoziiert sind. Das ist interessant, weil es bereits Hinweise darauf gab, daß SIDS mit ATP-Mangel in Verbindung stehen könnte. Vorträge über SIDS sind jedoch insofern ungewöhnlich für den Spurenworkshop, als dieses Syndrom zwar forensisch relevant ist aber doch eher wenig mit „Spuren“ und allgemein forensisch-wissenschaftlichen Ermittlungen zu tun hat. Da ich selber u.a. an SIDS forsche, fand ich es natürlich trotzdem interessant.

Wie in den Jahren zuvor hatte auch ich dieses Mal wieder Gelegenheit, unsere neuen Ergebnisse der Community vorzustellen. Diesmal sprach ich über die „Co-Extraktion und Analyse von DNA und RNA aus biologischen Spuren im Schußwaffeninneren zur Opferindividualisierung mit simultaner Gewebetypisierung” (hier geht es zum Hintergrund).

eine Schußhand, drei Tatwaffen und ich (u.r.)

eine Schußhand, drei Tatwaffen und ich (u.r.)

Der Vortrag lief gut und wurde mit Interesse zur Kenntnis genommen 🙂

Insgesamt war der 34. Spurenworkshop eine schöne, interessante Tagung an einem tollen Ort, den ich sicher einmal wieder (ob mit Tagung oder ohne) besuchen werde. Ich habe viel neues gesehen und gelernt und bin schon damit beschäftigt, einiges davon bei uns im Labor umzusetzen. Der nächste also 35. Spurenworkshop wird dann in Berlin an der Charité stattfinden. Meine Begeisterung darüber hält sich in Grenzen

 

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