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Auch wenn Schwerelosigkeit auf den ersten sowie auf den Blick auf die Waage ein großer Spaß zu sein scheint, ist dieser Zustand für den menschlichen Körper keineswegs unbedenklich, u.a. wird das Immunsystem geschwächt und die Gefahr opportunistischer Infektionen und ähnlicher Probleme ist erhöht. Um besser zu verstehen, was ihr Arbeitsplatz den Astro- und Kosmonauten so alles zumutet, ist es daher nötig, die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf biologische Organismen zu erforschen. Die kurzen Zeiträume „künstlicher“ Quasi-Schwerelosigkeit, die man bei Parabelflügen erleben kann, taugen dazu allerdings nicht, also muß man die zu erforschenden Organismen mit ins All nehmen. Da in den einschlägigen Beförderungsmitteln allerdings Platz eine der am stärksten eingeschränkten Ressourcen ist, sollten jene möglichst klein sein.

So wie die Fliegen, die die Gruppe um K. Taylor mit Hilfe der NASA ins All geschickt haben. Dort entwickelten sie sich unter Bedingungen von Schwerelosigkeit innerhalb von 12 Tagen zu erwachsenen Tieren. Zurück auf der Erde wurde die angeborene Immunität der Fliegen (die keine adaptive Immunkomponente besitzen) untersucht, welche der von Menschen recht ähnlich ist und daher oft als Forschungsmodell genutzt wird.

Die Forscher hatten aber zuvor erst einmal den deutlich leichter darstellbaren Einfluss von Hypergravitation (also einer im Vergleich zu irdischen Zuständen erhöhten Schwerkraft, wie sie bei Starts und Landungen von Weltraumflügen auftritt) auf Fliegen untersucht, indem sie mit einem insektenpathogenen Pilz infizierte und normale Kontroll-Fliegen in eine Zentrifuge, worin die Fliehkräfte erhöhte Schwerkraft simulieren, steckten. Dabei kam heraus, daß die Hypergravitation die Widerstandsfähigkeit der Fliegen gegen den insektenpathogenen Pilz, die durch den Toll– und Imd-Signalweg vermittelt wird, erhöht hatte.

Diese Befunde veranlassten die Forscher, zu untersuchen, ob Schwerelosigkeit (bzw. Mikrogravitation) ebenfalls eine Wirkung auf die Fliegenimmunität hat und so schickten sie die Fliegen ins All.

space vs. earth

Unterschiede im Genexpressionsmuster zwischen normalen („Earth“) und Weltraumfliegen („Space“). Diese Art der Darstellung nennt sich „heatmap“ und die Farben zeigen eine erhöhte (rot) bzw. erniedrigte (grün) Expression bestimmter Gene (jede Zeile = 1 Gen) an. Eine Software ordnet („clustert“) die Gene dann nach ähnlichen Expressionsstärken und dadurch wird offensichtlich, daß sich die Genexpressionsmuster zwischen den beiden Fliegengruppen (jede Spalte = 1 Fliege) deutlich unterscheiden. [1]

Und in der Tat: wie die Abbildung zeigt, hatte die Schwerelosigkeit erheblichen Einfluss auf Expression bestimmter Gene: in den Weltraumfliegen waren Gene des „heat shock stress“-Systems aktiviert und die Fliegen konnten daraufhin den Toll-Signalweg nicht mehr aktivieren und damit einer Pilz-Infektion nicht widerstehen. Ihre Resistenz gegen die Infektion mit Bakterien war hingegen nicht beeinträchtigt.

Die Forscher schlossen daraus, daß Hyper- und Mikrogravitation gerade entgegengesetzte Auswirkungen auf das Immunsystem der Fliegen hatten und daß durch Weltraumflüge bestimmte mit der Stress-Antwort des Organismus zusammenhänge Gene aktiviert werden, wodurch Toll-signalvermittelte Komponenten des Immunsystems zur Abwehr bestimmter Pathogene beeinträchtigt werden. Ob sich Astronauten nun vor Infektionen mit Space-Alien-Pilzen noch mehr hüten müssen, als ohnehin schon, muß aber noch erforscht werden.

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Referenz:

[1] Taylor, K., Kleinhesselink, K., George, M., Morgan, R., Smallwood, T., Hammonds, A., Fuller, P., Saelao, P., Alley, J., Gibbs, A., Hoshizaki, D., von Kalm, L., Fuller, C., Beckingham, K., & Kimbrell, D. (2014). Toll Mediated Infection Response Is Altered by Gravity and Spaceflight in Drosophila PLoS ONE, 9 (1) DOI: 10.1371/journal.pone.0086485

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Kommentare (3)

  1. #1 radix100
    21/03/2014

    whau, das war interessant. Wäre ja auch merkwürdig, wenn Weltraum+Schwerelosigkeit auf den menschlichen Organismus überhaupt keinen Einfluss hätten. Aber man muss die richtigen Fragen stellen, und das lehrt dieser Beitrag

  2. #2 Fliegenschubser
    21/03/2014

    Interessante Sache. Und wieder einmal stelle ich fest, dass Drosophilogen echt Humor haben was Gennamen angeht. Im verlinkten Paper wird ein Gen erwähnt, was für die Wahnehmung von Gravitation (“gravity sensing”) wichtig ist. Dieses Gen trägt den (hervorragend zum Paper) passenden Namen “yuri gagarin” . Wobei zu erwähnen ist, dass die Namensgebung des Gens nicht in Zusammenhang mit der o.g. Publikation steht.

  3. #3 Bullet
    25/03/2014

    Also ich raff dieses Zusammenhang gar nicht. Schwerelosigkeit an sich ist ja in Mikroumgebungen erstmal quasi normal (oder haben Bakterien etwa sichtbare morphologische Features, die in Richtung der Gravitationsquelle zeigen?). Daß Schwerkraft dann auch noch in der Genexpression herumfuhrwerkt, klingt für mich ähnlich nachvollziehbar wie eine Herleitung des “Temperamentes” einer Person aus der Position des Jupiter in den Fischen. (Mit – natürlich – der Ausnahme, daß man die Genexpression zweifelsfrei und numerisch messen kann. Irgendwas wird also einen manipulativen Einfluß auf etwas anderes haben – nur: was, zum Geier??)