Dies ist die ungekürzte und nur geringfügig überarbeitete Version meines Interviews mit Rudolf Jaenisch.
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Cornelius Courts: Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zur Verleihung der Otto-Warburg-Medaille! Bitte erzählen Sie aus Ihrer ganz persönlichen Sicht, wie Sie zu Ihrem Forschungsgebiet kamen und was das Spannende und Bedeutende daran ist.
Rudolf Jaenisch: Da muß ich etwas ausholen. Ich komme eigentlich von der Molekularbiologie und habe über Phagenreplikation meine Doktorarbeit gemacht, in den 60er Jahren in München und bin dann als Post-Doc in die USA gegangen und habe dort mit Säuger-Viren, speziell dem SV40, einem Tumorvirus, gearbeitet. Ich war noch ein naiver Molekularbiologe und habe dann 1967 eine Arbeit in PNAS gelesen von Beatrice Mintz, einer sehr prominenten Entwicklungsgenetikerin, die mich völlig verstört hat. Die hatte da die ersten chimären Mäuse gemacht (die hatten Streifen), um etwas über Pigmentembryologie zu lernen – sehr kompliziert! Habe ich damals nicht verstanden, verstehe ich heute noch nicht, obwohl ich diese Arbeit jedes Jahr in meiner Vorlesung behandle.
Was mich damals fasziniert hat, als naiver Molekularbiologe, war, daß man Embryonen in der Kulturschale hat und daraus eine Maus machen kann. Das fand ich phantastisch. Ich hatte ein Problem damals mit meinen Tumorviren, das mich sehr beschäftigt hat: wenn man eine Maus mit SV40 infiziert, entwickelt sie ein Sarkom aber keinen Hirn- oder Lebertumor. Ich fragte mich, warum das so war und sah nur zwei Möglichkeiten: entweder konnten die Leber- und Hirnzellen nicht infiziert werden oder sie konnten zwar infiziert aber nicht transformiert werden – also eine Frage des Tropismus. Und dann las ich diese Arbeit und dachte: „wenn man die SV40-DNA in die Mausembryonen hineinbekäme, dann müßte sie im erwachsenen Tier ja auch in den Leber- und Hirnzellen sein und dann könnte ich meine Frage beantworten.“
Das Problem beschäftigte mich so, daß ich nachts nicht schlafen konnte und dann habe ich Beatrix Mintz in Philadelphia angerufen und gefragt, ob ich mit ihr sprechen könne. Und wie das so typisch für amerikanische Professoren ist, sagte sie „Ja, selbstverständlich“ und so bin ich zu ihr hin gefahren und habe ihr mein Experiment vorgeschlagen. Das war im Jahr 1970/71 und ich hatte gerade ein Mikroskop gekauft, mit dem man das hätte machen können. Sie war sehr skeptisch, denn wer war ich schon?, und ich dachte: „Es hat nicht geklappt“, und fuhr sehr enttäuscht zurück. Eine Woche später rief sie mich dann aber an und sagte, sie würde es machen. Ich war damals in Princeton, bei A. Levine, und der sagte: „Du bist verrückt, das zu versuchen. Aber wenn Du es machen willst, halte ich Dich nicht auf.“ Daraufhin habe ich in Princeton die DNA fertig gemacht und in Philadelphia, das ist eine Zweistundenfahrt von Princeton, hat B. Mintz mir dann beigebracht, wie man Embryonen manipuliert und wie man Mäuse macht.
Dann habe ich munter angefangen, das zu lernen und fand es furchtbar spannend. Und so habe ich irgendwann tatsächlich Mäuse bekommen und war sehr erstaunt, daß mir das gelungen war. Aber die Mäuse waren völlig normal und ich fragte mich, ob das Experiment überhaupt geklappt hatte, ob die Mäuse also die SV-40-DNA in sich trugen. Das war keine triviale Frage, denn zu dieser Zeit gab es noch keinen Southern Blot, PCR sowieso nicht und man konnte noch nicht mal bei Amersham radioaktiv markierte Nukleotide kaufen. Ich hatte also die Mäuse und fragte mich, was ich tun sollte. Schließlich schnitt ich ihnen ein Stück vom Ohr ab, gab es in ein Kulturmedium und es wuchen Fibroblasten heran. Beim Test auf T-Antigen waren die dann alle positiv! Und ich dachte: „Mensch, das hat geklappt!“ und war schon ganz aufgeregt, bis ich am nächsten Morgen die Kontroll anschaute und bemerkte: die waren auch alle positiv. (Offenbar taugte der Antikörper nichts.) Ich wußte also immer noch nicht, ob die Zellen die SV40 DNA enthielten und ich wußte nicht mehr, was ich machen sollte.
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