Jack the Ripper war DER Serienmörder schlechthin. Mysteriös, brutal, gerissen und vor allem letztlich ungefasst soll er gesagt haben: „Eines Tages wird man zurückblicken und erkennen, dass ich das 20. Jahrhundert eingeläutet habe.“

Es gibt unzählige Theorien und Hypothesen zu seiner wahren Identität, seinen Motiven, seiner Psychopathie und diese wurden in ebenso zahlreichen Filmen, Serien, Comics, Spielen und Schauergeschichten untergebracht. Klar ist, die Ripper-Morde nehmen eine Sonderstellung in der Geschichte der Kriminologie ein, sorgen aus dem sicheren Abstand von 100 Jahren für wohlige Schauder und beflügeln die Phantasie vieler Menschen. Einigen davon reicht es auch nicht, das reichliche Angebot an Medien zu Jack the Ripper zu nutzen, sie wollen selbst Scotland Yard spielen und die Morde aufklären, wofür sie bisweilen erheblichen Aufwand betreiben.

So auch Geschäftsmann und Hobby-Detektiv Russell Edwards, der unlängst behauptet hat, er hätte, zusammen mit dem Biologen Jari Louhelainen, der eifrigen blooDNAcid-Lesern aus dem Beitrag zur RNA-Uhr in Haaren bekannt sein kann, das Rätsel um Jacks wahre Identität gelöst. Es soll sich bei ihm um Aaron Kosminski gehandelt haben, einen polnischen Juden, der mit seiner Familie in den frühen 1880er Jahren vor den russischen Pogromen nach London geflohen war. Kosminski arbeitete als Friseur in Whitechapel und soll schwer psychisch gestört gewesen sein und an einer paranoiden Schizophrenie mit akustischen Halluzinationen gelitten haben. Ihm wurde zudem Frauenfeindlichkeit und ein Hang zur Masturbation nachgesagt.

Ich will jetzt hier keinen historischen Abriss der Ripper-Morde und auch keine posthume Psychoanalyse versuchen, dafür gibt es zig andere Quellen. Ich werde mich stattdessen im Folgenden nur mit den forensisch-genetischen Untersuchungen und meiner Beurteilung derselben befassen (wen die Grundlagen interssieren, mag die Serie zur Forensischen Genetik ansteuern).

Zum Hintergrund: Russell Edwards hatte im März 2007 beim Auktionshaus Bury St. Edmunds einen Schal erworben, der bei Catherine Eddowes, einem Opfer des Rippers gefunden worden und irgendwann aus dem Besitz eines der damals ermittelnden Polizeibeamten über Zwischenstationen in die Verfügung des Auktionshauses übergegangen war.

Der Schal (Quelle: dailymail.co.uk)

Der Schal

Der Schal sei zu edel und teuer gewesen, als daß er der bitterarmen Eddowes gehört haben könnte, doch Edwards vermutete, daß der Ripper ihn, wie es für ihn nicht ungewöhnlich war, bei der Leiche deponiert hatte, um einen Hinweis auf seine Tat zu geben: den Schal ziert ein Muster aus sogenannten „Michealmas-Gänseblümchen“. Michaelmas ist ein Fest, das im viktorianischen England Jack the Rippers überaus beliebt war und je nach religiöser Tradition am 29.9. (westl. Christentum) oder 8.11. (orthodoxes Christentum) begangen wurde. Russell fiel auf, daß beide Daten exakt mit den Nächten der letzten beiden Ripper-Morde zusammenfielen und begann zu vermuten, daß der Schal direkt mit Opfer und Täter in Kontakt gekommen war. In der Tat befanden sich auf dem Schal Flecken mit blut- bzw. sekrektverdächtigen Anhaftungen.

fleck dailymail.co.uk

R. Edwards zeigt einen Fleck

Russell entschloss sich daraufhin, Jari Louhelainen von der Uni Liverpool hinzuzuziehen, um die Flecke auf möglichen DNA-Gehalt hin zu analysieren. Warum ausgerechnet Louhelainen, der sich zwar für forensische Analysen bei historischen Fällen interessiert, aber hinsichtlich seiner Forschungsarbeiten nicht eigentlich als Koryphäe anzusehen ist, kann ich nicht sagen und von “weltweit führend”, wie auch behauptet wurde, kann ebenfalls nicht die Rede sein.

Zu den Untersuchungen: 2011 begann Louhelainen mit den Arbeiten. Zunächst ermittelte er mit einer Infrarotkamera die Art der Spur und konnte (angeblich) zeigen, daß es sich bei dem Blut speziell um arterielles Blut gehandelt habe, wie es mit Spritzern aus einer Schnittwunde vereinbar sei. Ok, Blutspuren detektieren ist keine große Kunst, sondern forensischer Alltag. Außerdem habe er dann mittels UV-Licht auch noch Spuren von Sperma gefunden.

untersuchung Quelle Louhelainen-PA Wire

Auf Spurensuche

Auch das: Routine. Mit einer selbst entwickelten Kollektionsmethode sammelte er dann die Zellen aus den vertrockneten Blut- bzw. Sekretresten ein. Dazu hat er die Flecken mit einer Nukleinsäure stabilisierenden Lösung getränkt (z.B. dieser) und dann die aus dem Gewebe herausgelösten Zellen mit einer Pipettenspitze und Unterdruck abgesaugt.

Normalerweise erfolgt nach der Kollektion die DNA-Extraktion. Wie Louhelainen das gemacht hat, wurde nirgendwo beschrieben, ebensowenig, ob und wie er die DNA quantifiziert hat (vielleicht schreiben sie mal einen Case Report für ein forensisches Journal, da muß es dann stehen). Man hat aber wohl gar nicht erst versucht, genomische DNA zu extrahieren und STR-Profile anzufertigen. Warum, kann ich mir nicht ganz erklären, denn „zu alt“ kann kein Argument sein, schließlich kann man mit NGS (dessen forensische Anwendung angeblich zu Louhelainens Interessen zählt) auch erheblich ältere Urmenschen-DNA noch untersuchen und auch wir haben aus einem (zwar etwas jüngeren, dafür deutlich ungünstiger gelagerten)  alten Knochen noch ein DNA-Profil herausbekommen.

Louhelainen hat sich jedenfalls gleich auf die mtDNA konzentriert. Mitochondrien haben ein eigenes, kleines, ringförmiges Genom, von dem sie mehrere Kopien enthalten.

mtDNA

mtDNA, schematisch. Forensisch relevant ist nur der D-Loop in blau ganz oben. (translation by Knopfkind; layout jhc [Public domain], via Wikimedia Commons)

Bei bis zu 1000 Mitochondrien pro Zelle kann eine einzige Zelle also mehrere Tausend Kopien des mt-Genoms enthalten, im Gegensatz zur einzigen Kopie der nukleären DNA im Kern. Das ist für forensische Genetiker sehr interessant, denn erstens ist die Chance groß, selbst in winzigen Spuren noch mtDNA zu finden und zweitens ist das mtGenom ringförmig (ohne offene Enden) und sehr kurz, was es recht stabil macht. In der Tat ist die mtDNA oft noch analysierbar, wenn die normale DNA schon zu zerstört ist, um noch untersucht werden zu können.

Das Problem ist, daß die mtDNA sehr kurz ist (wenig Information) und noch dazu keiner Rekombination unterzogen wird, worauf ja bei den DNA-Profilen auf STR-System-Basis die extreme Seltenheit beruht (kombinatorische Vielfalt). Das mt-Genom wird unverändert von der Mutter an ihre Kinder weitergegeben, es bildet einen sogenannten „Haplotypen“. Wir alle besitzen also mtDNAs, die identisch mit denen unserer Mütter, deren Mütter usw. sind, so daß die mtDNA auch sehr gut zur Nachverfolgung mütterlicher Erblinien dienen kann und genutzt wird. Allerdings werden bei der mtDNA keine STR-Systeme untersucht (die gibt’s da gar nicht), sondern es wird ein bestimmtes Stück, der sogenannte D-Loop, komplett ausgelesen (sequenziert) und dann mit einem Referenzgenom verglichen.

Im Ripper-Fall verglich nun Louhelainen die mtDNA aus den Blutflecken am Schal mit der DNA einer in direkter Linie mit Catherine Eddowes verwandten Frau namens Karen Miller und erhielt in allen untersuchten Proben eine vollständige Übereinstimmung. Dies bedeutet aber nicht, wie in den Berichten vorschnell behauptet wird, daß das Blut wirklich von Eddowes stammte. Man kann lediglich sagen, daß der Mensch, von dem das Blut stammt, dieselbe mtDNA besaß, wie Karen Miller. Da mtDNA-Haplotypen aber deutlich häufiger sind, als STR-Profile, kann es sich dabei also auch um eine (wenngleich nicht sehr wahrscheinliche) zufällige  Übereinstimmung handeln.

Mit dem Zellen aus den Spermaspuren verfuhr Louhelainen auf dieselbe Weise. Spermien selbst enthalten in ihren Köpfen keine Mitochondrien aber in den Zellgemischen auf dem Schal fanden sich auch noch Epithelzellen, die vermutlich aus dem Samenleiter mit dem Ejakulat herausgeschleudert worden waren. Auch aus diesen Zellen wurde die mtDNA analysiert. Als Vergleichsmaterial diente die DNA einer Frau, die von der Schwester Kosminskis abstammte, die aber ungenannt bleiben will. Da Kosminski und seine Schwester Matilda von der selben Frau abstammten, müssen sie identische mtDNA gehabt haben, so daß ein Vergleich hier durchaus sinnvoll ist. Die Epithelzellen enthielten jedoch so wenig DNA, daß Louhelainen erst noch ein Verfahren einsetzen mußte, um die DNA zu vermehren, die sogenannte „whole genome amplification“ (WGA), bei der durch zahlreiche PCRs mit Zufallsprimern die meisten Bereiche einer genomischen DNA oder eben mtDNA vervielfältig werden. Die mit WGA angereicherte mtDNA ließ sich dann sequenzieren und mit der von der ungenannten Frau vergleichen: wieder fand sich eine Übereinstimmung. Zudem gehörte die mtDNA aus der Spermaspur zur Haplogruppe T1a1, die häufig bei russisch-jüdischer Ethnizität vorkommt. Das heißt also, analog zur Blutspur, daß die ungenannte Frau und der Mensch, dessen Sperma sich auf dem Schal befindet, dieselbe mtDNA haben, entweder durch einen (unwahrscheinlichen) Zufall, oder weil sie einen gemeinsamen Vorfahren mütterlicherseits haben.

Eine Übereinstimmung von mtDNA wird in der forensischen Routine und im Gegensatz zu STR-Profilen nicht für eine eindeutige Zuordnung jenseits jeden Zweifels herangezogen. Dafür sind die einzelnen mtDNA-Haplotypen nicht selten genug und zudem kommt jede mit dem Tatverdächtigen in mütterlicher Linie verwandte Person ebenfalls als Spurenleger in Betracht. Die mtDNA ist aber dennoch nützlich, weil man mit ihr sicher Personen als Spurenleger ausschließen kann, nämlich dann, wenn ihre mtDNA nicht zu der in einer Spur passt. Insofern ist der „Beweis“, den Russell und Louhelainen hier für die Identität von Jack the Ripper vorgelegt haben wollen, alles andere als perfekt oder wasserdicht.

Andererseits haben wir hier zwei je mit der mütterlichen Linie des Opfers bzw. eines plausiblen Tatverdächtigen übereinstimmende mtDNA-Profile auf ein und demselben Asservat, das plausiblerweise mit einem Ripper-Mord in Verbindung zu bringen ist.

Meine abschließende Bewertung:

Fraglich ist und bleibt, warum J. Louhelainen für die Untersuchung gewählt wurde, warum kein NGS eingesetzt wurde, warum die Untersuchung so lange gedauert hat und warum man nicht einmal versucht hat, STRs zu untersuchen (gerade Y-STRs wären interessant gewesen, um eine väterliche Linie des Rippers verfolgen zu können). Die methodischen Details wären ebenfalls noch offenzulegen und es fehlt die Information, welchen Teil des D-Loops man untersucht hat und wie häufig die ermittelten Haplotypen in der Bevölkerung sind.  Damit darüber hinaus die Belege nur auf die Weise interpretiert werden können, daß Kosminski der Ripper und Eddowes das Opfer war, müßte ausgeschlossen werden, daß die Spuren nicht auch irgendwie von in mütterlicher Linie mit diesen Verwandten stammen können (was vermutlich recht unwahrscheinlich ist).

Alle fraglichen Punkte zusammen genommen reichen jedoch für mich nicht, um die komplette Geschichte zu verwerfen. D.h., es ist forensisch möglich und nicht unplausibel, daß hier entscheidende Belege für die Identität von Jack the Ripper vorgelegt worden sind. Man darf sich nun fragen: hätte ich Kosminski aufgrund dieser Belege verurteilt und würde ich selbst gerne aufgrund solcher Belege verurteilt werden?

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Nachtrag 15.09.2014:  Ich habe dem skeptischen Podcast Hoaxilla ein Interview zum Thema für die Folge #168 “Ripper entlarvt?” gegeben. Hier geht’s zur mp3.

 

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Kommentare (20)

  1. #1 rolak
    08/09/2014

    Verurteilung?

    Wenn trotz Möglichkeit die technischen Mittel insbesondere zur Zielgenauigkeits-Erhöhung nicht genutzt wurden – imho nein. Da schon generell nicht, ich selber auch nicht.

    Ansonsten wäre es eigentlich (zumindest ein wenig) schade, wenn das große Kriminalrätsel einfach mal eben so gelöst würde – gäbe es denn wenigsten einen halbwegs angemessenen bis ausbaufähigen Nachfolge-Fall? Zodiac ist eher kraftlos auch wenn schon des öfteren in fiktive Geschichten eingewoben, vielleicht Torso, da könnte direkt das ganze Eliot-Ness-Material wieder auf den Markt gedrückt werden…
    Aber Verstümmelung in Serie, Rotlichtmilieu, Adel verdächtigt – was soll da schon heranreichen?

  2. #2 Manuel
    08/09/2014

    Klasse Artikel.

    Snopes hat auch bereits was dazu :

    https://www.snopes.com/info/news/ripper.asp

  3. #3 Marcel
    08/09/2014

    Eine Prostituierte hat einen Schal mit Spermaflecken bei sich. Für mich heißt das lediglich, dass Aaron Kosminski (oder jemand mit der gleichen mtDNA) ein Kunde der Dame war.
    Und warum sollte eine Prostituierte keine edlen Dinge besitzen? Vielleicht diente der Schal auch als Bezahlung (von einem anderen Kunden oder von Kosminski selbst). Oder sie hat sich halt mal was luxeriöses geleistet.
    Das Ganze ist die Geschichte eines Geschäftsmannes, der uns eine Lösung anbietet, die von den Medien verbreitet wird und in ein paar Jahren wieder vergessen ist, wenn der nächste mit DER Auflösung dieses Falles auftaucht.

  4. #4 WolfStark
    09/09/2014

    Das ist doch aber ein bisschen sehr konstruiert. Zumindest in diesem Artikel ist die Wahrscheinlichkeit ja schon durchaus gegeben, dass man hier tatsächlich Jack the Ripper gefunden hat. Ärgerlich ist nur, dass man eben nur Anhaltspunkte hat, die das recht wahrscheinlich machen aber keine Zweifelsfreiheit, weil die Untersuchung eben nur eine Untersuchung ist und die dann eben doch eher oberflächlich durchgeführt wurde.

  5. #5 Cornelius Courts
    09/09/2014

    @Marcel: “Das Ganze ist die Geschichte eines Geschäftsmannes, der uns eine Lösung anbietet,”

    ich glaube, so einfach ist es nicht. Die Tote (Eddowes) hatte kurz vor der Tat sogar ihre Schuhe versetzt, um an Geld zu kommen, was sie nicht getan hätte, wenn sie stattdessen einen teuren Schal hätte versetzen können.
    Außerdem muß erklärt werden, warum Blut und dann auch noch arterielles (Spritzmuster) Blut auf dem Schal ist.
    Es ist durchaus bemerkenswert, daß es nun ein Asservat gibt, auf dem DNA ist, die möglicherweise sowohl von einem Opfer des Rippers als auch von einem (von mehreren) plausiblen Tatverdächtigen, die als Ripper in Frage kommen, stammt.

  6. #6 allerteuerste
    planet erde
    09/09/2014

    Sehr guter Artikel.

    In der Tat sollte man sich auch mal fragen, warum Herr Edwards ausgerechnet eine Untersuchung durchführen lässt, die eher vage Ergebnisse liefern kann, diese aber als absolut “wahr” in die Welt schreit, während er auf der anderen Seite genau jene Unersuchungen beiseite lässt, die zumindestens eindeutig eine Person hätten ausschließen könnten.
    Edwards hat, milde gesagt, nicht daran gedacht, seine These zu falsifizieren.

    Abgesehen davon, damit Kosminski als Samenspender eindeutig feststehen darf, sollte man ihn ausbuddeln. Selbst im Falle einer positiven Identifizierung macht ihn das aber immer noch nicht zum Mörder oder/und gar zum Ripper.

  7. #7 allerteuerste
    immer noch hier
    09/09/2014

    Ich möchte die Gelegenheit nutzen, zu fragen,
    * ob es möglich ist, das Alter von DNA zu bestimmen? Also, kann man feststellen, ob die unersuchte DNA 120 Jahre alt ist oder erst ein paar Tage vor der Untersuchung auf den Schal kam?
    * wenn mtDNA nur mütterlicherseits weiter gegeben wird, wie war es dann Kosminskis BRUDER möglich, mtDNA auf seine Nachkommen zu übertragen?

  8. #8 Cornelius Courts
    09/09/2014

    @allerteuerste:
    “ob es möglich ist, das Alter von DNA zu bestimmen?”

    dazu ist mir keine Methode bekannt (der Fraktionierungsgrad allein reicht nicht aus). Man kann wohl aber anhand der DNA auf das Alter der Person, von der sie stammt schließen (https://scienceblogs.de/bloodnacid/2014/05/28/forensic-dna-phenotyping-die-dna-verraet-wie-der-taeter-aussieht/#comment-14915). Allerdings könnte man versuchen, das Alter der RNA (statt DNA) zu bestimmen (so wie hier beschrieben: https://scienceblogs.de/bloodnacid/2011/07/12/haare-haben-eine-rnauhr/), wobei ich nicht glaube, daß das nach so langer Zeit noch funktioniert.

    “wie war es dann Kosminskis BRUDER möglich, mtDNA auf seine Nachkommen zu übertragen?”

    gar nicht. Wird aber (zumindest von mir) auch nirgendwo behauptet. Im Artikel ist von seiner Schwester die Rede. Wenn man allerdings die Y-STRs analysiert hätte, hätte man auch Vergleiche mit männlichen Abkömmlingen seines Bruders (sofern es solche gibt) arbeiten können.

  9. #9 allerteuerste
    09/09/2014

    WolfStark,
    “Zumindest in diesem Artikel ist die Wahrscheinlichkeit ja schon durchaus gegeben, dass man hier tatsächlich Jack the Ripper gefunden hat.”

    Nein, ist sie nicht. Möglich ist zwar alles, wahrscheinlich aber nicht. Um die Wahrscheinlichkeit zu finden, muss man Einiges abwägen:
    – Wem gehörte der Schal überhaupt?
    – Wo und wann wurde er auf geklaubt?
    – Welche Besitzer und Kontaminationen erfuhr er zwischenzeitlich?
    – Welche Garantie haben wir, dass dieser Schal nicht von jemand Anderem im Laufe der Zeit als Wischobjekt nach überstandener sexueller Anstrengung verwendet wurde?
    – Wie aussagekräftig und gründlich ist die DNA Analyse? Wie wir im Artikel lesen können, wurden etliche Untersuchungen einfach unterlassen. Das alleine ist Grund genug, diese Aussage und vor allem die ehrlichen Aufklärungsmotive eines Herrn Edwards anzuzweifeln.
    – Wessen Blut wurde auf dem Schal gefunden?
    – Machte man sich die Mühe, zu untersuchen, ob es Menstruationsblut sein könnte?
    – Wie gesagt, wenn es gar nicht Eddowes Schal ist, gehört das Blut dann einer andere Frau
    – und dgl mehr

    Bei so vielen ????? ist es noch nicht einmal angebracht, von der Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass Kosminski den Schal verwendet hatte.

    Da hier ja offenbar bewusst NUR mtDNA untersucht wurde, deren Ergebnis auf mehrere Personen zutreffen kann, liegt schon mal KEINE eindeutige Idenifikation vor.
    Es ist daher möglich, sogar wahrscheinlich, dass außer Kosminski durchaus andere männliche Personen aus seiner ethnischen Gruppe – östlich (russisch? polnisch?) und jüdisch – in Frage kommen.
    Was aufgrund der Tatsache, dass damals das East End die erste Anlaufstelle für jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa war, auch nicht weiter verwundert.

    Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass ausgerechnet Kosminski rein gar nichts mit dem Schal zu tun hat.
    Denn, nicht vergessen, diese Untersuchung ergab ja auch, dass Eddowes Verwandte die gleiche mtDNA haben. Auch das gibt zu denken. Besonders, wenn man die Überlegung, dass der Schal gar kein Eddowes Blut beinhalten könnte, berücksichtigt.

    Selbst wenn ich jetzt mal die Gretchenfrage, ob es überhaupt Eddowes Schal sei (auch das ist nicht geklärt), großzügig beiseite lasse, ebenso großzügig und daher durchaus völlig falsch, postuliere, dass Kosminski der Fleckenverursacher wäre, dann heißt das auch nur, dass er die Flecken irgendwie verursachte, mehr nicht.

    Daraus ergibt sich aber keinerlei Hinweis darauf, wann, wo und wie genau. Die Fundstelle, die übrigens unbekannt ist, muss ja nicht auch der “Tatort” sein.

    Aber selbst dann, macht ein Samenerguss Kosminski weder zum Mörder, noch zum Ripper, ja, noch nicht mal zum Klienten oder zu jemanden, der Eddowes je begegnet ist.

    Ganz abgesehen davon, dass ich aufgrund der Tatsache, dass eine mtDNA eben KEINE individuelle Zuordnung erlaubt, den Samenspender nicht für identifiziert halte, bestehen da noch jede Menge unbeantworteter Fragen (siehe weiter oben).

    Allerdings haben diese Artikel erreicht, was der neu geschaffene Autor Edwards wollte: sie klingen für “Laien”, auf dem Gebiet der Biologie genauso glaubwürdig, wie für Laien in Sachen “Ripperologie”.

  10. #10 allerteuerste
    09/09/2014

    Cornelius Courts,
    “Außerdem muß erklärt werden, warum Blut und dann auch noch arterielles (Spritzmuster) Blut auf dem Schal ist.”

    Ja, das ist schon was. (und beantwortet eine meiner oben gestellten Fragen).
    Aber, war es auch weiblich?
    Soweit ich das jetzt verstanden habe, gab es ja keine DNA Untersuchung, die eine eindeutige Zuordnung erlauben würde, auch nicht bei Eddowes Verwandten.

    Und, wie gehabt, kamen Blutspritzer und Samenflecken denn zur gleichen Zeit auf den Schal?

  11. #11 Cornelius Courts
    09/09/2014

    @allerteuerste: “Ja, das ist schon was. (und beantwortet eine meiner oben gestellten Fragen). Aber, war es auch weiblich?”

    gute Frage. Wurde meines Wissens nicht getestet, weil nicht berichtet wurde, wie die DNA-Konzentration bestimmt wurde. Die meisten forensischen qPCR-Ansätze zur Quantifizierung (https://scienceblogs.de/bloodnacid/2011/04/07/forensische-genetik-dnaquantifizierung/) erfassen gleichzeitig auch das Geschlecht. An der mtDNA alleine kann man es jedenfalls nicht sehen.

    “Soweit ich das jetzt verstanden habe, gab es ja keine DNA Untersuchung, die eine eindeutige Zuordnung erlauben würde, auch nicht bei Eddowes Verwandten.”

    es gibt nur die Übereinstimmung der mtDNAs. Daß diese rein zufällig ist, ist, abhängig von der Seltenheit des Haplotyps und vmtl. recht unwahrscheinlich. Geklärt werden muß allerdings, ob auch eine Verwandte von Eddowes als SpurenlegerIn in Frage kommt.

    “Und, wie gehabt, kamen Blutspritzer und Samenflecken denn zur gleichen Zeit auf den Schal?”

    Da könnte theoretisch die RNA helfen, (übrigens auch bei der Frage, ob es sich auch um Menstruationsblut handelt, was bei dem Spritzmuster jedoch unwahrscheinlich ist) praktisch würde es vermutlich am hohen Alter der Spuren scheitern

  12. #12 allerteuerste
    09/09/2014

    Cornelius Courts,

    danke für die schnellen Antworten.

    “Geklärt werden muß allerdings, ob auch eine Verwandte von Eddowes als SpurenlegerIn in Frage kommt.”
    Das könnte also auch heißen, dass Samenspuren und die gefundenen Hautspuren durchaus von zwei verschiedenen Personen stammen könnten?

    Und nach wie vor leider unbeantwortet: kann man feststellen, wie alt die Spuren selbst sind?

  13. #13 WolfStark
    09/09/2014

    @allerteuerste
    Wenn ich mich nur auf die Informationen dieses Blogartikels stütze, dann ist natürlich eine durchaus realistische Wahrscheinlichkeit gegeben. Im Artikel selbst haben wir ja mehrmals zu lesen, dass gewisse Zufälle halt eher unwahrscheinlich sind. Die Möglichkeit besteht natürlich dennoch und es bleiben Fragen aber das Fazit kann daraus schlecht lauten, sich was aus den Lücken zurecht zu konstruiereren, um der These zu widersprechen. Stattdessen kann man nur hoffen, dass man noch mal einige Untersuchungen macht, die wirklich alle Aspekte betrachten, damit man endlich ganz eindeutige Aussagen treffen kann.

  14. #14 allerteuerste
    09/09/2014

    Ich konstruiere nicht aus den Lücken dieses Blogs heraus, sondern sehe diesen Artikel im größeren Zusammenhang. Es ist bisher noch keinem der forschenden Ripper Autoren gelungen, fest zu stellen, ob der Schal auch wirklich Eddowes gehörte.

    Da am Tatort kein solcher gefunden wurde, sollte man sich fragen, woher er stammt. Natürlich könnte der Mörder diesen Schal mit genommen haben, und dann? Was dann? Ging er nach Hause, im Falle Kosminskis zu seinem Bruder, beichtete und vertraute ihm den Schal an?

    Oder fand der Bruder diesen Schal in Aarons Besitz, und da Aaron in der Psychiatrie war, schloß der Bruder haarscharf, dass Aaron ein Killer sei und der Schal einem seiner Opfer gehörte? Wie er dabei auf Eddowes kam, ist ein Rätsel, denn dieser Schal wurde ja nie erwähnt.

    Alternativ hätten wir die Story, dass ein Polizist ihn mitnahm, was aber die unwahrscheinlichstes Variante ist, denn gerade die City of London Police, die den Fall Eddowes bearbeitete, arbeitete gründlich. Solch ein Schal wurde nicht erwähnt.

    Aber all das muss man noch nicht einmal wissen, denn, wie der Artikel mEn meint, ist mit mtDNA keine eindeutige Zuordnung möglich.

    Und, schon mehrmals überlegt, selbst im idealsten Falle, dass es sich um Kosmninski´s DNA handele, macht ihn das nur zum Benutzer des Schals, nicht zu mehr.

  15. #15 Dr. Webbaer
    09/09/2014

    Auf jeden Fall vielen Dank für Ihre Bewertung zum Fall, die Ihr Kommentatorenfreund fast selbst angefordert hätte; als Hypothese also womöglich tauglich, könnte aber noch deutlich besser belegt werden, gell.
    MFG
    Dr. W

  16. #16 Cornelius Courts
    09/09/2014

    @Webbaer: ” als Hypothese also womöglich tauglich, könnte aber noch deutlich besser belegt werden, gell.”

    ja, so kann man es sagen.

  17. […] Und auch der Forensische Genetiker Cornelius Courts analysiert den Fall im Science-Blog blooDNAcid. […]

  18. #19 Cornelius Courts
    20/10/2014

    @Christian Reinboth:
    Ahja, danke für den Hinweis. Das bestätigt meine Einschätzung von Louhelainens “Expertentum”. Bisher war nichts über Details des mtDNA-Haplotypen bekannt, so daß man nicht selber dessen Häufigkeit nachprüfen konnte. Aber die 315.1C-Insertion nicht zu erkennen bzw. falsch zu bezeichnen ist schon ein Armutszeugnis.
    Also, abhaken das Ganze. War nix.

  19. #20 Jack The Ripper Finder
    Tübingen
    12/12/2016

    das problem meine lieben freunde ist,dass selbst wenn der schal von eddowes ist und ein mann mit ihr geschlechtsverkehrt hatte,was als prostituierte sicher nicht ungewöhnlich,dieser mörder ganz sicher nicht der mörder ist zu nahezu 100%,denn eddowes hatte vor ihrem Tod keinen Geschlechtsverkehr,was aus der Autopsie hervorgeht und warum würde der Täter auf ihren Schal mastrubieren und dann noch die Gebärmutter mitnehmen in sehr kurzer Zeit? Vergesst nicht er hatte nachweislich vor ihrem Tod keinen Geschlechtsverkehr mit ihr.Der Schal kann übrigens durchaus ihrer gewesen sein,sie war zu diesem Zeitpunkt für eine Dirne schon sehr sehr alt und möglicherweise ging es ihr nicht immer so schlecht ,übrigens kann der Schal anhand des Verlaufs der Blutspritzer neue Erkentnisse über die ersten Schnitte nachdem sie erwürgt wurde liefern.Ich danke dem Autor dieses Textes sehr für seine bereichernde Analyse