ResearchBlogging.org Ich hatte in einem früheren Beitrag  ja schon angekündigt, daß ich bei Gelegenheit über die Einsatzmöglichkeit von Smartphones bei forensischen Untersuchungen am Tatort berichten wollte. Das möchte ich heute tun:

Wie ich ja schon öfters erwähnt habe, kann die genaue Erfassung und Interpretation eines Spurenbilds am Tatort entscheidend für die Rekonstruktion des Tatgeschehens und damit letztlich seine juristische Beurteilung sein. Dabei ist es nicht nur wichtig, die Art der Spuren, die man vorfindet, zu identifizieren und aufgrund ihrer Verteilung Rückschlüsse auf bestimmte beteiligte Werkzeuge, Waffen etc. und/oder bestimmte Bewegungsabläufe zu ziehen. Es ist natürlich auch von höchstem Interesse, die Tatzeit einzugrenzen. Das kann man erreichen, wenn es gelingt, das präzise Alter einer Spur zu ermitteln: wenn am Tatort eine Blutspur gefunden wird und man feststellen kann, wie alt das gefundene Blut, d.h., wie lange es her ist, daß es den Körper seines Besitzers verlassen hat, ist es sehr plausibel, daß der Zeitpunkt der Tat genauso lange zurückliegt.

Es gibt in der forensischen Molekularbiologie inzwischen einige Ansätze, das Alter biologischer Spuren zu bestimmen und für Haare habe ich auch schon eine Methode beschrieben. Die meisten dieser Methoden sind allerdings aufwendig, kompliziert und bedürfen gut ausgestatteter Labore und qualifizierten Personals.

Für schnelle Ermittlungserfolge wäre es daher sehr hilfreich, wenn man eine „quick & dirty“-Methode hätte, die nach kurzer Einweisung auch ein Laie mit einfachen Hilfsmitteln am Tatort durchführen kann. In Forensic Science International erschien dazu letztes Jahr ein Artikel [1], der den Einsatz eines Smartphones zur Altersbestimmung von Blutspuren im Rahmen forensisch-spurenkundlicher Untersuchungen beschrieb.

Das Grundprinzip der Methode besteht darin, unter Standardbedingungen ein Photo des Blutflecks zu machen und die Magentawerte dieses Photos mit einer eigens dafür programmierten App zu analysieren. Die Autoren zeigten, daß die Intensität des Magentawertes mit dem Alter der Spur korreliert ist. Der biologische Grund hinter dieser Farbveränderung hat mit dem Zerfallsprozess von Hämoglobin zu tun: wenn Blut den Körper verlässt, wird das darin enthaltene Hämoglobin (der Blutfarbstoff) irreversibel verändert. Zunächst wird das gesamte Hämoglobin (Hb) mit Luftsauerstoff oxidiert. In Abwesenheit von Cytochrom-b5-Reduktase wird das oxidierte Hb dann durch einen Prozess der Auto-oxidation zu Methämoglobin, das schließlich zu Hämochrom denaturiert. Während dieses Prozesses ändert sich die Farbe der Blutspur von rot zu dunkelbraun und die Geschwindigkeit der Farbveränderung hängt von diversen Variablen wie Lichteinstrahlung, Temperatur und Feuchtigkeit ab. Weil dieser Prozess kontinuierlich verläuft, wurde die Tauglichkeit der konkomitanten Farbänderung als forensischer Zeitmesser bereits erforscht [2-4]. Die Idee der Autoren war nun, zu prüfen, ob die Farbveränderung anhand einer digitalen Aufnahme des Blutflecks quantifizierbar ist und damit auf die verstrichene Zeit zurückgeschlossen werden kann.

Um Standardbedingungen für das Meß-Photo herzustellen, konstruierten sie eine sehr einfache, leicht transportable und kostengünstige Photo-Box:

 

abbildung

Die Kiste hat ein Volumen von 2666 cm2, die Lampe ist eine Sylvania Osram DULUX S 9-Watt-Birne (G32-2 pin base, 600 Lumen, 4100K Farbtemperatur) und erzeugt Licht mit den Wellenlängen 350 nm bis 750 nm. „Substrat“ steht hier für den Spurenträger, auf dem sich der Blutfleck befindet.

 

Die Autoren hatten übrigens zuvor die Eignung von drei Smartphones verglichen:

abb2

Das Samsung (rot) weist im Vergleich die beste Reproduzierbarkeit auf
y-Achse: Magenta-Wert; x-Achse: Zeit seit Blutabgabe in Stunden (Tagen)

 

das Samsung Galaxy S Plus hatte am besten abgeschnitten (, die beiden anderen Geräte von Apple – sehr zu meiner Freude – ausgestochen) und wurde daher für die Studie verwendet.

Durchführung der Messung: Das Smartphone wird so auf die Box gelegt, daß die Kamera durch die obere Öffnung genau den Blutfleck auf dem Substrat erfassen kann. Die Aufnahmesteuerung wird soweit möglich auf „automatisch“ gestellt (Weißabgleich, ISO-Wahl, Fokus etc.). Das Aufnahmeformat ist 24-bit JPEG bei einer Auflösung von 2592 x 1944 Pixeln. Aus den Aufnahmen werden dann mittels eines von den Autoren entwickelten ImageJ-Macros 10 zufällige Pixel ausgewählt und der Durchschnittswert ihrer Magentawerte (CMYK Farbmodell) gebildet. Dieser Durchschnittswert kann dann unter Zuhilfenahme eines mathematischen Modells, das die Autoren im Rahmen der Studie erstellt haben, in eine Angabe über die Zeit, die seit der Blutabgabe verstrichen ist, umgerechnet werden und – wichtig – die Ungenauigkeit dieses Wertes kann bestimmt werden.

flattr this!

1 / 2 / Auf einer Seite lesen

Kommentare (4)

  1. #1 wereatheist
    31/10/2014

    Wenn diese App dann irgendwann erhältlich ist, kann also jede/r ein kleines bißchen CSI in der Hosentasche mit sich tragen.

    Wenn dann die Styroporbox, die Leuchtstoffröhre und die dazugehörige Stromquelle auch noch in die Hosentasche passen 🙂

  2. #2 wereatheist
    31/10/2014

    Man könnte natürlich per App das einfallende Licht spektral analysieren und dann aus verschiedenen Abständen, die über den Autofocus näherungsweise ermittelbar wären, Fotos vom Fleck machen.

  3. #3 wereatheist
    31/10/2014

    Oder noch einfacher: der Hobby-Forensiker legt einen Papierschnipsel mit wellenlängenunabhängiger Albedo dicht neben den Blutfleck… (passt garantiert in die Hosentasche)

  4. #4 CM
    01/11/2014

    Sehr interessant – bes. der statistische Aspekt und vielleicht lassen sich noch ein paar ggplot2-snippets abstauben (am Montag, wenn ich an das Paper kommen kann …).