Furchen sind kleine Kanäle im Knochen, die durch wiederholte Kieferbewegungen des Tiers entstehen, indem die aufgesetzten Zähne über den Knochen geschleift werden. Hier fanden sich extreme Einfurchungen an den Enden der Schäfte der langen Knochen. Riefen, schließlich, bilden sich, wenn die Zähne eines Karnivoren vom Knochen abrutschen und dabei über den Schaft gleiten. Sie erscheinen oft als Gruppe paralleler Kratzer, senkrecht zur Längsachse des Knochenschafts. Im vorliegenden Fall wurden Riefen am rechten Oberarmknochen festgestellt.

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rechter Wadenbeinkopf; man erkennt Furchen und Punktionen (schwarzer Pfeil), aus [1]

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Fragment des rechten Oberarmknochens; man erkennt Einkerbungen und Riefen, aus [1]

Zusätzlich zu den sterblichen Überresten wurden auch Proben des aufgefundenen Hundekots in die Untersuchung mit einbezogen.

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Proben von Hundekot; man erkennt noch Haare und Fragmente von Schaumstoff, aus [1]

Neben der morphologischen Inaugenscheinnahme wurden die Fäzes geröntgt und nach Rehydrierung durch dreitägige Tränkung mit 0,5% iger Trinatriumphosphat-Lösung auch histologisch untersucht. Sogar eine genetische Analyse wurde versucht, mißlang aber. Die Röntgenanalyse zeigte schließlich, daß die Fäzes kleine Knochenfragmente enthielten, was ein weiterer Beleg dafür war, daß der Hund der Toten Teile von deren Knochen gefressen hatte.

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Röntgenaufnahme des Hundekots; Anteile von Knochen sind sichtbar, aus [1]

Mikroskopisch waren in den rehydrierten Fäzes auch Fragmente von Kleidungsstücken, Zellulose, Schaumstoff (aus der Matratze) und reichlich Hundehaare erkennbar. Diese Befunde konnten histologisch bestätigt werden.

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Die Aktivität von Aasfressern an menschlichen Leichen resultiert häufig in Modifikationen und Reduzierung (durch Fraß) der Weichgewebe, Entstellung des Leichnams mit Abtrennung von Gliedmaßen, sowie der Modifikation und Verteilung von Knochen. Außerdem können karnivore Aasfresser auch mit dem Leichenliegeort und anderen Beweisstücken interagieren und damit die forensische und rechtsmedizinische Begutachtung erschweren.

Die forensische Begutachtung und Rekonstruktion unter Einbeziehung der Auswirkungen von Leichenfraß und hinsichtlich der Eigenschaften/Fähigkeiten möglicherweise beteiligter Tiere, hat daher die Zerstörung und Verteilung von Körper(teile)n, die Veränderung von Anzeichen für die mögliche Todesursache und mögliche post-mortale Artefakte zu bewerten und erleichtert so ggf. die Identifikation Verstorbener.

 

Im vorliegenden Fall fügten sich die forensisch-anthropologischen Befunde sehr gut in das Gesamtbild ein. Die gesamte Evidenz ist zwanglos mit dem folgenden Szenario vereinbar: die alte und offenbar gebrechliche und kognitiv eingeschränkte Dame brach sich bei einem Sturz den Oberschenkel, konnte nicht mehr ohne Hilfe aufstehen und verstarb schließlich auf dem Boden liegend. Zum Zeitpunkt des Todes war der Raum sehr warm und ungelüftet, so daß eine Mumifizierung der Leiche erfolgte. Der Hund der Verstorbenen hat dann damit begonnen, die Leiche anzufressen und einige Knochenfragmente im Haus zu verteilen bzw. mit den Fäzes auszuscheiden. Nach einigen Tagen oder Wochen starb auch der Hund. Die fehlenden Knochen und Leichenteile können von den Hausbesetzern ohne deren Wissen/Bemerken und zusammen mit dem Hundekadaver entfernt worden sein, als sie das Haus säuberten.

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Referenzen

[1] I.Galtes, M. A.Gallego, D.Gimenez, V.Padilla, M.Subirana, C.Martin-Fumado, J.Medallo, A body, a dog, and a fistful of scats, Forensic Science International (2014), https://dx.doi.org/10.1016/j.forsciint.2014.04.007

[2] Pickering, T. R. (2001). Carnivore voiding: a taphonomic process with the potential for the deposition of forensic evidence. Journal of forensic sciences, 46(2), 406-411.

[3] Haynes, G. (1980). Evidence of carnivore gnawing on Pleistocene and Recent mammalian bones. Paleobiology, 341-351.

[4] Binford, L. R. (1981). Bones: ancient men and modern myths. Academic Press.

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Kommentare (7)

  1. #1 Spritkopf
    12/12/2014

    Eine forensisch-anthropologische Untersuchung ergab entsprechend, daß die knöchernen Überreste zu einer ca. 155 cm großen und mehr als 60 Jahre alten Kaukasierin gehörten.

    Wobei ich mal vermute, dass in dem englischen Text mit der “Kaukasierin” eine hellhäutige Person gemeint war.
    [klugscheiß off] 😉

  2. #3 Withold Ch.
    13/12/2014

    Über das Wort “Kaukasierin” bin ich auch gestolpert – was soll den dies – und habe mich dann von wiki aufklären lassen.

    Zu den Referenzen:

    [4] Binford, L. R. (1981). Bones: ancient men and modern myths. Academic Press.

    Dieses Buch würde mich interessieren.

  3. #4 Cornelius Courts
    13/12/2014

    @Spritkopf und Witold: “Kaukasisch” ist in der Fachsprache ein überaus gebräuchlicher Begriff für “Weiße”. Mir ist schon klar, daß im engeren Sinne ein sehr begrenzte Population dadurch bezeichnet wird.

  4. #5 weyoun
    15/12/2014

    kaukasier ist in der tat ein etwas ungewöhnlicher begriff, der halt sinn ergibt hinter dem hintergrund, das in den usa halt nach kaukasiern, afro-amerikanern etc differenziert wird.

    vielleicht könntest du ja mal nen kleinen glossar schreiben, damit leser die nicht aus dem forensichen gebiet kommen darüber nicht stolpern.

  5. […] Blog Blood’n'Acid steht eine etwas aussergewöhnliche Geschichte: Eine alte Frau verstirbt und ihr Hund verspeist Teile […]

  6. #7 Trottelreiner
    21/12/2014

    @weyoun:
    nur scheint der herr Ignasi Galtés in barcelona/katalonien zu sitzen, entsprechend ist die anwendung der us-nomenklatur (ja, eigentlich geht die idee mit den kaukasiern auf einen deutschen zurück) etwas überraschend, zumal die eben leicht mißverständlich ist. in spanien wird man wohl häufiger tschetschenen oder georgier treffen als in den usa.

    ach ja, “hellhäutig” ist als ersatz nicht wirklich geeignet, z.b. bei größeren teilmengen von spaniern und nordostasiaten.

    eventuell hat auch einfach jemand das Iberien verwechselt *g*:

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Iberien_(Kaukasien)

    btw, noch jemand hier bei dem das stereotypenzentrum im hirn “das sind die folgen der eurokrise” schreit?