Es wird ja schon sehr lange diskutiert und untersucht, ob die Aufnahme moderater Mengen an Alkohol, genauer: Ethanol nun leichte Gesundheitsvorteile birgt oder nicht; eine aktuelle Studie schränkt diese eventuellen Vorteile zudem auf Personen mit einer speziellen genetischen Disposition ein [1]. Unstrittig ist hingegen, daß chronischer Alkoholabusus sehr verbreitet und überaus schädlich ist, da er schwer abhängig machen und sowohl die Psyche als auch das soziale Umfeld zerrütten kann. Mögliche körperliche Folgen umfassen dabei das Versagen verschiedener Organe, wie Herz, Leber, Magen und Darm.

Gängige Behandlungsmethoden der Alkoholsucht setzen v.a. bei der Linderung der Entzugssymptome an oder sollen Abstinenz durch die Blockierung von Endorphinrezeptoren oder die Verstärkung unerwünschter Nebenwirkungen des Trinkens erzwingen aber keiner der Ansätze zielt auf Abstinenz und schützt gleichzeitig vor alkoholinduzierten Organschäden.

In einer aktuellen Studie mit Mäusen berichtet nun jedoch die Gruppe um R.A. Fisher, daß das Protein „regulator of G protein signaling 6“ (RGS6), das die Gruppe bereits 1990 entdeckt und beschrieben hatte, sowohl die Aufnahme von Alkohol als auch den alkoholinduzierten Zelltod in Herz, Leber und GI-Trakt beeinflusst [2]: man hatte zwei Gruppen von Mäusen unbeschränkten Zugang zu Alkohol ermöglicht. Die erste Gruppe waren normale Mäuse (Wildtyp), in der zweiten Gruppe hatte man gentechnisch RGS6  ausgeschaltet (RGS6 -/-). Die Mäuse der RGS6 -/- – Gruppe tranken deutlich weniger Alkohol als die Wildtypen und wiesen im Vergleich zu diesen eine veränderte Expression der Gene auf, die die Dopamin-Verfügbarkeit kontrollieren. Die Forscher prüften diesen Effekt, indem sie Dopamin- Rezeptor-Antagonisten und Dopamin-Inhibitoren einsetzen (beides führt zu einer schwächeren Dopamin-Wirkung) und schlossen, daß die RGS6 -/- Mäuse weniger Alkohol tranken, weil in ihnen der Belohnungseffekt durch Alkohol und gleichzeitig die Entzugserscheinung durch Alkoholverzicht schwächer ausgeprägt waren: es gab also schwächeren Anreiz zum Trinken und schwächere Negativerlebnisse bei Verzicht.

Hinzukam, daß RGS6 -/- Mäuse, denen unter Zwang genausoviel Alkohol zugeführt wurde, wie die Wildtyp-Mäuse freiwillig tranken, erheblich besser vor Schäden an Herz, Leber und GI-Trakt geschützt waren. Die Forscher fanden heraus, daß dieser Effekt durch einen völlig anderen Mechanismus erzielt wird, indem RGS6 offenbar eine von reaktiven Sauerstoffspezies abhängige Form der Apoptose fördert.

RGS6 dürfte damit das bisher einzig bekannte Molekül sein, das Alkoholaufnahme motivieren und zugleich die durch Alkohol verursachten Schäden an verschiedenen Organen verschlimmern kann. Bei Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf den Menschen, könnte eine therapeutische Hemmung von RGS6 womöglich das abhängigkeitsbezogene Craving und die Entzugssymptome eindämmen und gleichzeitig Herz und Leber vor alkoholinduzierten Schäden schützen. Für die Entzugstherapie wäre das sicher ein kolossaler Gewinn.

Daß es allerdings irgendwann eine Anti-RGS6 „Pille vor der Pulle“ geben wird, darf vermutlich bezweifelt werden. Zwar würden die Schäden, die man sich durch übermäßigen Alkoholgenuß zuführen würde, durch ein solches Medikament wohl abgemildert, aber wahrscheinlich würde das Trinken auch keinen Spaß (durch Ausbleiben neuronaler Belohnung) mehr machen. (Ob das allerdings entscheidend wäre, kann ich nicht beurteilen, da ich bisher noch keinen Alkohol getrunken habe und seine Wirkung nicht einschätzen kann. Vielleicht wissen da die KommentatorInnen mehr…).

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Referenzen:

[1] Mehlig K, Strandhagen E, Svensson PA, Rosengren A, Torén K, Thelle DS, Lissner L. CETP TaqIB genotype modifies the association between alcohol and coronary heart disease: The INTERGENE case-control study. Alcohol. 2014 Sep 17.

[2] Stewart, A., Maity, B., Anderegg, S. P., Allamargot, C., Yang, J., & Fisher, R. A. (2015). Regulator of G protein signaling 6 is a critical mediator of both reward-related behavioral and pathological responses to alcohol. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112(7), E786-E795.

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Kommentare (11)

  1. #1 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2015/03/31/die-maut-kommt/
    17/04/2015

    (Kommentarabo)
    2 Trinker in der Kneipe: “Mann, wir haben jetzt jeder 10 Bier zu 4 Euro getrunken! Was wir sparen könnten, wenn wir nicht trinken würden – 40 Euro pro Mann!”
    “Ja, und wieviel Bier man dafür bekäme!”

  2. #2 Trottelreiner
    17/04/2015

    Ähm, IMHO sind RGS6-Inhibitoren wahrscheinlich eine schelchte Idee. Ich war ja schon bei dem Punkt, daß bei den RGS6 knockouts Veränderungen im dopaminergen System vorlägen und diesen entsprechend Alkohol keinen Spaß mehr macht etwas kritisch, da sich das wohl auch auf andere positiven Verhaltensverstärker auswirken dürfte. In der richtigen Dosierung hemmen ja auch diverse Dopaminantagonisten den Alkoholkonsum, nur hätten entsprechende Dosen von z.B. Haloperidol wohl diverse andere Wirkungen.

    Und wenn man dann etwas sucht, findet man diesen Artikel:

    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25501001

    Was die Vermutung nahelegt, daß die “Veränderung des dopaminergen Systems” gewisse Ähnlichkeiten mit den frühen Stadien von Parkinson hatten. Und die kann man schon länger billiger haben

    BTW, Alkoholantagonisten gibt es schon seit längerem:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Ro15-4513

  3. #3 Cornelius Courts
    17/04/2015

    ” IMHO sind RGS6-Inhibitoren wahrscheinlich eine schelchte Idee”

    Ähm, Du hast aber schon mitbekommen, daß das – wenn überhaupt – keine dauerhafte Maßnahme sein soll und RGS6 vor allem nicht nur dopaminantagonistisch wirkt, sondern, im Gegensatz zu allen anderen bekannten Komponenten, auch eine organprotektive Funktion hat (the whole point of the article)?

  4. #4 noch'n Flo
    Schoggiland
    17/04/2015

    @ CC:

    da ich bisher noch keinen Alkohol getrunken habe und seine Wirkung nicht einschätzen kann

    Moment mal: Du hast in Deinem Leben noch nie Alkohol getrunken? Nicht einmal einen Schluck?
    (Das wäre ziemlich ungewöhnlich.)

  5. #5 Trottelreiner
    17/04/2015

    @CC:
    Doch, schon, und eine organprotektive Wirkung ist ja auch ganz nett, die Frage ist wie schon gesagt nur mit welchen Nebenwirkungen. Un auch wenn ein entsprechender Inhibitor nur auf Zeit eingenommen wird müßte er für einen Einfluß auf das Verhalten eben das dopaminerge System verändern.

    Und das geht grob gesagt entweder über halbwegs reversible (verändert Expression von Rezeptoren, Synthese- oder Abbauenzymen, Transportern etc.) oder irreversible Wege (schickt die Zellen ins Nirvana). Und da es eben Anzeichen gibt, das der zweite Weg beteiligt sein könnte, wäre ich SEHR vorsichtig. Ist BTW nicht ein Totschlagargument, es dürfte relativ einfach sein Inhibitoren zu finden, die die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können, da hätte man dann noch die organprotektive Wirkung. Nur muß man dann unter Umständen aufpassen, welche anderen Medikamente genommen werden, die das Zeug doch hirngängig machen.

    Wobei RGS9 auch eine Rolle im Herzen spielen soll, was dann auch bei peripheren Antagonisten problematisch werden könnte.

    Wie ein einzelnes Protein sowohl Auswirkungen im Gehirn als auch im restlichen Körper hat ist wirklich faszinierend, aber bei einer medizinischen Anwendung bin ich eben etwas skeptisch.

  6. #6 Florence
    17/04/2015

    @noch’n Flo

    Sooo ungewöhnlich find ich das gar nicht.
    Mehr als mal genippt (und dann entschieden dass ich es ekelhaft finde) habe ich auch noch nie.
    Den Geruch find ich schon schlimm genug, da brauch ich nicht auch noch den Geschmack…

  7. #7 Cornelius Courts
    17/04/2015

    @noch’n Flo:
    ” Nicht einmal einen Schluck?”

    Nein, bis jetzt nicht.
    Mein Vater macht Weihnachten immer eine besonders tolle Flasche Wein auf und irgendwann vor vielen Jahren, hat er mich überredet, zu probieren. Da meine Mutter und Schwester vor Wonne grunzten, hab ich also einen Schluck in den Mund genommen, dann aber auch schnell aus dem Fenster gespuckt. Hat gebrannt und ich hab’s nicht runterbekommen. Auf meine Diagnose, daß das ja schmecke, wie Essig, in den einer reingefurzt hat, wurde verschnupft reagiert :-/

  8. #8 Dr. Webbaer
    18/04/2015

    Ob das allerdings entscheidend wäre, kann ich nicht beurteilen, da ich bisher noch keinen Alkohol getrunken habe und seine Wirkung nicht einschätzen kann. Vielleicht wissen da die KommentatorInnen mehr…

    Festgehalten werden darf vielleicht, dass das Herumtreiben in bestimmter Lokalität, der Schreiber dieser Zeilen hatte noch Jazz-Cafes und Ähnliches im Auge, auch das Weibertum betreffend, idR nicht ohne ein paar Bier ausgehalten werden konnte; zumindest für einige nicht .

    MFG
    Dr. W

  9. #9 noch'n Flo
    Schoggiland
    18/04/2015

    @ Wb:

    Festgehalten werden darf vielleicht, dass das Herumtreiben in bestimmter Lokalität, der Schreiber dieser Zeilen hatte noch Jazz-Cafes und Ähnliches im Auge, auch das Weibertum betreffend, idR nicht ohne ein paar Bier ausgehalten werden konnte; zumindest für einige nicht .

    Wow! Das war jetzt selbst für Deine Verhältnisse ein extrem hoher Schwurbelfaktor. Respekt! (Hast wohl heimlich geübt, was?)

  10. #10 Dr. Webbaer
    18/04/2015

    Andere haben sich womöglich im Judo oder generell im Krafttraining angenähert – dass überzeugender Intellekt sich letztlich in der Paarbildung auszudrücken vermag, müsste selten sein.

    BTW, kürzlich gefunden:
    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Margaret_Pyke (wobei ein derartiger Passus wohl nicht in die bekannte Online-Enzyklopädie gehört)

    MFG
    Dr. W

  11. #11 Wilhelm Leonhard Schuster
    18/04/2015

    Alkohol in geringen Mengen dürfte nicht schädlich sein .
    Ich kannte einen Winzer der täglich seinen Schoppen Eigenbau trank und bei bester Kondition ein sehr hohes Alter erreichte.
    Mir aber, ist passiert, so um 65, daß mir Starkbier plötzlich sehr gut schmeckte und ich täglich eine “Halbe” zu mir nahm.
    Innerhalb von nur ca 3 Wochen war mein Harnsäurespiegel so stark angestiegen, daß ich fürchterliche schmerzhafte Gicht bekam.
    Offenbar reagiert halt jeder Körper anders.
    (Ich verstehe von Medizin natürlich Null!)