Die Verbindungen zwischen den Konzepten werden als gewichtetes Netzwerk dargestellt, wodurch sich voneinander abhängige Überzeugungen flexibel spezifizieren lassen. Es bietet somit einen guten Ausgangspunkt, um weitergehende Fragen hinsichtlich Überzeugungsstrukturen und sozialer Beeinflussung zu untersuchen, z.B. derjenigen danach, wie Einfluß auf die Überzeugungen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit bestimmter Belege soziale Auswirkungen betrifft.
Aus Simulationen weiß man, daß die Überzeugungen von Individuen hinsichtlich der Verläßlichkeit oder Wahrhaftigkeit der Aussagen anderer Individuen sowohl die Wahrscheinlichkeit, zu einem Gruppenkonsens zu gelangen, als auch die Natur dieses Konsens’, so gegeben, sehr stark beeinflussen kann. Wenn man dann modelliert, was passiert, wenn solche Überzeugungen zum Subjekt sozialer Beeinflussung werden, könnte das ein Mittel sein, die Entstehung epistemisch abgeschotteter Gemeinschaften vorherzusagen, die durch ihre extreme Skepsis gegenüber externen Belegen anfällig für persistierende Fehler werden, welche dann nur sehr schwer zu korrigieren sind.
Individuelle Überzeugungen können überdies beeinflussen, in welchem Ausmaß neue Informationen, ob aus Aussagen anderer oder in Form anderer äußerer Quellen, angenommen und für relevant befunden wird. Als Beispiel dafür wurde die kollektive Massentäuschung aus dem Jahr 1954 angeführt, die als Seattle Windschutzscheiben-Beschädigungsepidemie bekannt wurde: Leute begannen, akribisch nach winzigen Beschädigungen ihrer Windschutzscheiben zu suchen, nachdem sie auf die Möglichkeit, daß solche vorhanden sein könnten, aufmerksam gemacht worden waren. Die bei einer solchen Suche unweigerlich bei so gut wie jedem Auto feststellbaren Beschädigungen wurden dann als Bestätigung der Theorie fehlinterpretiert, daß es in der Umgebung von Seattle einen neuartigen, unbekannten und womöglich gefährlichen Mechanismus geben müsse, der die Scheiben beschädige. Wer solche Beschädigungen entdeckte, erzählte das sofort anderen weiter, die ihrerseits auf die Suche gingen, fündig wurden, es weiter erzählten und so fort. Die Erweiterung bereits bestehender Modelle könnte dazu beitragen, Umstände zu identifizieren, die solche Phänomene entstehen lassen und vor allem, wie man das verhindern könnte.
Nochmal zurückkommend auf den Kreationismus bzw. die Akzeptanz der ET heißt das für die USA dann wohl, daß man sich irgendwie in diese qua Ideologie epistemisch abgeschotteten Gemeinschaften einschleichen und die ET und andere Konzepte intern in das Überzeugungsnetzwerk einspeisen müßte, um wirklich die Überzeugungen der Mehrheit verändern zu können. So traurig es ist: es reicht offenbar nicht, daß etwas wahr ist, um überzeugend zu sein, es muß einem auch von jemandem gesagt werden, den man glaubwürdig findet. Und jetzt, da sie da auch noch diesen orangenen Kasper da herummurksen lassen, wird in einigen Bundesstaaten wohl bald nur noch die Frage zu klären sein, ob man endlich ‘mal die King-James-Version des Biologielehrbuchs anschaffen sollte 🙁
______
Referenzen
[1] Friedkin, N. E., Proskurnikov, A. V., Tempo, R., & Parsegov, S. E. (2016). Network science on belief system dynamics under logic constraints. Science, 354(6310), 321-326.
[2] Kahan, D. M. (2015). Climate‐science communication and the measurement problem. Political Psychology, 36(S1), 1-43.
[3] Nisbet, M. C., Markowitz, E., Bailey, D., Spencer, K., Silet, K., & Sorkness, C. (2016). Americans’ attitudes about science and technology: The social context for public communication. Commissioned Review.
[4] Steglich, C., Snijders, T. A., & Pearson, M. (2010). Dynamic networks and behavior: Separating selection from influence. Sociological methodology, 40(1), 329-393.
[5] Friedkin, N. E., & Johnsen, E. C. (1990). Social influence and opinions. Journal of Mathematical Sociology, 15(3-4), 193-206.
Kommentare (1.069)