Neben der Identität von Opfer(n), Täter(n) und anderen Beteiligten, die sich vermittels DNA-Analyse feststellen läßt, sind auch Erkenntnisse zum Hergang von Straftaten mit Feuerwaffeneinsatz von großem forensischem Interesse und genau hier kann die RNA-Analyse hilfreich sein. Bei Delikten mit Einsatz mehrerer Feuerwaffen kann es beispielsweise von entscheidender Bedeutung für die nachträgliche Rekonstruktion und Bewertung des Tatgeschehens sein, die verursachten Schusswunden den einzelnen beteiligten Schusswaffen zuordnen zu können. So ließe sich etwa ein Kopfschuss durch eine bestimmte Waffe nachweisen, indem durch den Schuss aus dem Wundkanal herausgeschleudertes Hirngewebe aus dem Inneren dieser Waffe detektiert werden könnte: die Gewebeherkunft einer biologischen Spur lässt sich anhand des Transkriptoms bzw. miRNoms bestimmen (s. auch hier).

 

Nachhausemitnehmbotschaft: Die forensische RNA-Analyse bereichert die forensische Molekularbiologie um eine große Vielfalt von ganz unterschiedlichen Einsatz- und Erkenntnismöglichkeiten, wofür die in diesem Artikel vorgestellten Anwendungen als – keineswegs erschöpfende – Belege gelten mögen. Sie kann dabei nicht nur die „traditionellen“ DNA-Untersuchungen ideal ergänzen, sondern auch in disziplinübergreifenden Ermittlungen eingesetzt werden und letztlich eigene Forschungsfelder begründen. Für die Zukunft gelangen im Zuge der Einführung und Verbreitung von NGS auch in forensischen Forschungsumgebungen Techniken wie Einzelzell-Transkriptomik und In-situ-RNA-Sequenzierung in Reichweite wodurch sich enorme Fortschritte und abermalige Erweiterungen der Möglichkeiten forensischer RNA-Analytik ergeben werden.

Ich selbst strebe an, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten (wir haben hier in Kiel gerade ein nagelneues NGS-Gerät bekommen 🙂 ) und neben der Bearbeitung innovativer Forschungsansätze (ich habe gerade eine DFG-Förderung zur Fortsetzung meines „molekulare Ballistik“-Projekts erhalten  🙂 \o/ ) auch der Akzeptanz und Validität RNA-basierter Verfahren in der rechtsmedizinischen und spurenkundlichen Routinearbeit beizuhelfen (wir hier in Kiel werden bald als erstes Labor in Deutschland die Akkreditierung gem. DIN/ISO 17025 für den Einsatz der forensischen RNA-Analytik zur Spurenartidentifikation erhalten 🙂 ).

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Referenzen:

[1] M. Oehmichen, K. Zilles, [Postmortem DNA and RNA synthesis. Preliminary studies in human cadavers], Z. Rechtsmed. 91 (1984) 287-94.

[2] T. W. Phang, C. Y. Shi, J. N. Chia, C. N. Ong, Amplification of cDNA via RT-PCR using RNA extracted from postmortem tissues, J. Forensic Sci. 39 (1994) 1275-9.

[3] C. A. Heid, J. Stevens, K. J. Livak, P. M. Williams, Real time quantitative PCR, Genome Res. 6 (1996) 986-94.

[4] C. Courts, B. Madea, Ribonukleinsäure – Bedeutung in der forensischen Molekularbiologie, Rechtsmedizin 22 (2012) 135-44.

[5] M. Bauer, I. Gramlich, S. Polzin, D. Patzelt, Quantification of mRNA degradation as possible indicator of postmortem interval–a pilot study, Leg. Med. (Tokyo) 5 (2003) 220-7.

[6] A. Kimura, Y. Ishida, T. Hayashi, M. Nosaka, T. Kondo, Estimating time of death based on the biological clock, Int. J Legal Med 125 (2011) 385-91.

[7] S. T. Young, J. D. Wells, G. R. Hobbs, C. P. Bishop, Estimating postmortem interval using RNA degradation and morphological changes in tooth pulp, Forensic Sci Int. 229 (2013) 163-6.

[8] J. H. Sun, L. H. Nan, C. R. Gao, Y. Y. Wang, Validation of reference genes for estimating wound age in contused rat skeletal muscle by quantitative real-time PCR, Int. J Legal Med 126 (2012) 113-20.

[9] M. Takamiya, K. Saigusa, N. Nakayashiki, Y. Aoki, Studies on mRNA expression of basic fibroblast growth factor in wound healing for wound age determination, Int. J. Legal Med. 117 (2003) 46-50.

[10] M. Takamiya, K. Saigusa, R. Kumagai, N. Nakayashiki, Y. Aoki, Studies on mRNA expression of tissue-type plasminogen activator in bruises for wound age estimation, Int. J. Legal Med. 119 (2005) 16-21.

[11] Y. Sato, T. Ohshima, The expression of mRNA of proinflammatory cytokines during skin wound healing in mice: a preliminary study for forensic wound age estimation (II), Int. J. Legal Med. 113 (2000) 140-5.

[12] T. Ohshima, Y. Sato, Time-dependent expression of interleukin-10 (IL-10) mRNA during the early phase of skin wound healing as a possible indicator of wound vitality, Int. J. Legal Med. 111 (1998) 251-5.

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Kommentare (5)

  1. #1 rolak
    26/01/2018

    Das hab ich mir ja gedacht – während der Arbeit über fuffzisch Kommentare bei den katholischen Trollen. Und hier? Nix.

    Der nächste Teil der schönen Übersicht, neugierig machend, weit verzweigend.

    Glückwünsche zu Laborzuwachs, angemessener Förderung und Zertifizierung!

    (Die nichtverlinkten Fußnoten habe ich nur überflogen, Oehmichen fiel auf, ist allerdings von woanders her bekannt)

  2. #2 Intensivpfleger
    26/01/2018

    ich möchte dir gerne auf diesem Wege meine Anerkennung aussprechen zu deinen lesenswerten Ausführungen zu genetischen und forensichen Analsyseverfahren. Deine Beiträge sind durch die hervorragende Verlinkung innerhalb des Artikels und die angefügten Fußnoten lehrreich und informativ und geradezu ein Vorzeigestück hervorragender Wissenschaftskommunikation.

    Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg in deinem Forschungsfeld und weiterhin viel Spaß an der Weitergabe der Forschungsergebnisse aus deiner Profession wünscht

    der Intensivpfleger

  3. #3 Cornelius Courts
    26/01/2018

    @Intensivpfleger: danke für die nette Rückmeldung, das freut mich gerade bei den Wissenschaftsbeiträgen ganz besonders 🙂
    Und Dir danke, daß Du hier schon so lange als Leser/Kommentator dabei bist 🙂

  4. #4 Andi
    06/02/2018

    Super Artikel – wie immer!
    Ich hätte eine Frage zur RNA/DNA Analyse. Ich hatte mal gehört, dass bei der DNA/Genomanalyse in Deutschland nur Mikrosatelliten analysiert werden (dürfen), weil das komplette Genom ja Rückschlüsse auf den möglichen Täter (Krankheiten, Haar-/Augenfarbe) zulassen könnte.
    – Stimmt das? und
    – Gibt es solche Einschränkungen auch bei der RNA Analyse?
    Vielen Dank.
    Andi (a fellow scientist)

  5. #5 Cornelius Courts
    06/02/2018

    @Andi: “Super Artikel – wie immer!”
    Danke 🙂

    “Ich hatte mal gehört, dass bei der DNA/Genomanalyse in Deutschland nur Mikrosatelliten analysiert werden (dürfen), weil das komplette Genom ja Rückschlüsse auf den möglichen Täter (Krankheiten, Haar-/Augenfarbe) zulassen könnte. – Stimmt das?

    Jein. In der Tat ist lt. StPO derzeit (!) nur eine Untersuchung zulässig, die Rückschlüsse auf die Identität und das Geschlecht einer Person zuläßt. Damit wäre die Untersuchung von Micro- aber auch Minisatelliten, SNPs, InDels etc. zulässig/kompatibel. Es gibt aber gerade im Moment eine aktive Debatte, ob FDP in Deutschland eingeführt werden soll, siehe hier:
    https://scienceblogs.de/bloodnacid/2014/05/28/forensic-dna-phenotyping-die-dna-verraet-wie-der-taeter-aussieht/
    https://scienceblogs.de/bloodnacid/2017/02/17/making-sense-of-forensic-genetics-eine-broschuere/
    https://scienceblogs.de/bloodnacid/2017/04/06/deutschland-modernisiert-hoffentlich-endlich-die-stpo/
    https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/rapid-reaction/details/news/justizminister-von-bund-und-laendern-diskutieren-ueber-erweiterte-dna-analyse/

    “– Gibt es solche Einschränkungen auch bei der RNA Analyse?”

    Nein, denn die RNA ist nicht indiviualspezifisch und dient in dem Rahmen, in dem sie derzeit forensisch verwendet wird, nur der Identifikation von Körperflüssigkeiten und Organgeweben.
    Dennoch ist eine Aktualisierung der StPO und Anpassung an neue Methoden und Forschungsergbnisse m.E. dringend erforderlich und überfällig.