Viele lassen sich nicht Impfen, weil sie den Einstich der Spritze vermeiden wollen oder sogar an einer Spritzenangst leiden. Somit werden sich viele über das neue “Nanopatch” eines australischen Forscherteams freuen. Diese schmerzfreie Methode verwendet einen trockenen mikrostrukturierten “Stempel”, der den Impfstoff sogar effizienter wirken lassen kann.

Zwei Dinge vorweg:
– Es handelt sich nicht um ein weiterentwickeltes Medikamentenpflaster.
– Auch wenn es “Nanopatch” heißt, ist da dennoch kein nano drin. Die verwendeten Strukturen sind im Mikrometerbereich.

Seit einigen Jahren arbeitet die Gruppe um Prof. Mark Kendall an mikrostrukturierten Oberflächen, mit denen es möglich wird, Impfstoffe so in die Hautschichten zu injizieren, dass sie die Abwehrmechanismen des Körpers optimal aktivieren, ohne dass die Haut durchstochen werden muss.
Damit wird keine Spritze mehr benötigt, der Preis pro Impfung wird geringer und da der Wirkstoff trocken ist, wird die Haltbarkeit vervielfacht.

Kendall hat seinen Fortschritt vor einigen Tagen bei TED vorgestellt:

Ich finde die Vorstellung überaus überzeugend. Momentan laufen die klinischen Tests, sodass wohl in knapp fünf Jahren mit der Marktreife gerechnet werden kann. Auch müssen die Tests zeigen, welche Impfstoffe für die Methode geeignet sind.
Ich möchte noch einmal einen technischen Blick auf die Nanopatches werfen.

Günstige Herstellung

Die Grundlage der Nanopatches sind Silizium-Scheiben (Wafer), wie sie in Halbleiterindustrie in großer Stückzahl verwendet werden. Auch die Strukturierung der Wafer erfolgt mit dem industriell wohlbekannten Plasmaätzverfahren [6]. Somit bestehen die Nanopatches aus reinem Silizium und ließen sich sehr günstig und in großer Stückzahl herstellen. Auf dem Bild ist ein strukturierter Wafer zu sehen; das Blaue ist eine Klebefolie, die die zugesägten Teile an Ort und Stelle hält
(falls Interesse besteht, kann ich als Insider gerne einen Einblick in die Waferverarbeitung geben ;-)).

Schmerzfreies Impfen

Auf diese kleinen Siliziumstücke wird der Wirkstoff aufgebracht und wartet trocken auf seinen Einsatz. Die vielen Nadeln sehen wahrscheinlich für jemanden, der keine Spritzen sehen kann, auch nicht “freundlicher” aus, aber die Spitzen sind nur knapp einen zehntel Millimeter hoch. nanopatch

Das Nanopatch dringt nicht soweit ein, als dass man einen Stich spüren würde, aber tief genug, dass der Wirkstoff in die Dermis eingebracht werden kann. Wie im Video oben bereits beschrieben sitzen dort genügend T-Zellen, die auf den Impfstoff reagieren können. Dabei sind die einzelnen Spitzen so hart, dass ein Abbrechen im weichen Gewebe ausgeschlossen ist. Hier nochmal das Falschfarbenbild aus dem Video, auf dem man sieht, wie eine Spitze (grün) in die Hautschichten eindringt.

 

Nach dem Einsatz?

Da die Nanopatches aus Silizium bestehen, ist die Entsorgung kein Problem.
Denn wenn man Silizium zerbröselt bekommt man … Sand.

 

 Technisch gesehen sind Nanopatches kein Problem. ich bin gespannt, was daraus wird.
Vielleicht lassen sich hiermit mehr Leute impfen. 

 

—–

weiterführende Links und Bildnachweise:

  1. Link zur TED-Seite mit dem vollständigen Vortragstext
  2. The University of Queensland: Medical diagnostic testing based on needle-free devices applied to the skin
  3. The University of Queensland: Merck partnership accelerates needle-free vaccine delivery
  4. Literatur: Untersuchung zur Langzeitstabilität des Wirkstoffes (Open Access)
  5. Literatur: Designoptimierung der Oberflächenstrukturen
  6. Literatur: Herstellungsprozess der Strukturen [PDF]
  7. Video: msnbc Fernsehbeitrag

 

 

Kommentare (3)

  1. #1 hans
    8. Februar 2014

    zerbröseltes Silizium ist Sand? Nobelpreisverdächtig

  2. […] ziemlich genau einem Jahr habe ich das Nanopatch der australischen Gruppe um Prof. Mark Kendall vorgestellt. In diesem Artikel hatte ich den Aufbau und die Wirkungsweise beschrieben. Die Vorteile […]