Unstreitig gehört zu den international weithin bekannten mechanischen Musikinstrumenten im Deutschen Museum das Spielwerk mit Vogelstimmen, erbaut von Blaise Bontemps in Paris um 1875 und erworben bereits im Jahr 1911. Das Stück veranschaulicht ideal, wie sehr wissenschaftlicher Fortschritt seit jeher für Komfort, Wohlgefühl und Luxus genutzt wird.

Bei jeder Vorführung der Zwitschermaschine bekommen Kinder wie Erwachsene glänzende Augen, wenn die Vögel singen, dabei ihre Köpfchen bewegen, mit den Flügeln schlagen oder am täuschend nachgeahmten Wasserfall trinken und die Schmetterlinge flattern. Den Gesang der Vögel erzeugt eine kleine Kolbenpfeife, Energielieferant ist ein Federwerk.

Mechanik der Flötentöne
Es betätigt zunächst einen Blasebalg, einen so genannten Doppelschöpfer. Wenn der eine Schöpfbalg aufgezogen wird, so wird gleichzeitig der andere zusammengedrückt und presst seine Luft – der Orgelbauer sagt seit alters Wind – in einen Magazinbalg. Durch diesen steten Wechsel der beiden Schöpfer wird das Magazin immer gefüllt gehalten, während bei geringem Windverbrauch ein Überdruckventil geöffnet wird, um ein Platzen des Magazinbalges zu verhindern. Der Wind gelangt dann in eine kleine Windlade, auf welcher die Pfeife steht. Sie ist im Prinzip einer Blockflöte ähnlich, doch werden die unterschiedlichen Tonhöhen nicht durch Abgreifen von Tonlöchern, sondern durch einen Kolben erzeugt, der sich im Inneren der Pfeife auf und ab bewegt. Wenn sich der Kolben ganz am oberen Ende der Pfeife befindet, der eingeschlossene Luftraum also maximal lang ist, entsteht der tiefste Ton, je weiter der Kolben in die Pfeife hinein geschoben wird, je kleiner also der Luftraum wird, desto höher wird der Ton. Die Bewegung des Kolbens ist auf einer Kurvenscheibe gespeichert, von ihr nimmt ein Taster die Kurven ab und überträgt die entsprechende Stellung auf den Kolben.

Mechanik des Gezwitschers
Diese Mechanik erzeugt aber nur flötende Töne, für das typische Gezwitscher eines Vogels ist eine zweite Scheibe notwendig, die ihrer andersartigen Einschnitte wegen auch Zackenscheibe genannt wird. Hier sind ebenfalls unterschiedliche Höhen eingeschnitten, die wieder von einem Taster abgenommen werden. Dieser steuert die Luftzufuhr zur Pfeife mit Hilfe eines Ventils in der Windlade, indem er bei den Veränderungen der Tonhöhe kurzzeitig das Ventil schließt, damit den Ton unterbricht und durch den raschen Wiedereinsatz das typische Zwitschern erzeugt. Die Gravierungen dieser beiden Scheiben müssen sehr genau aufeinander abgestimmt sein, um ein Verschmieren der Töne zu verhindern und einen der jeweiligen Vogelart entsprechenden Gesang entstehen zu lassen.

Bewegungen der Vögel
Die Bewegungen der Vögel sind ebenfalls auf Kurvenscheiben gespeichert, werden aber auch mit Hilfe von Exzenterscheiben erzeugt. So kann der Vogel den Schnabel im Rhythmus des Gesanges öffnen, er bewegt Kopf und Schwanz und flattert mit dem Gefieder. Auch hier haben die Erzeuger solcher Wunderwerke die typischen Bewegungen des jeweiligen Vogels genau nachgeahmt. Das ununterbrochene Fließen des Wasserfalls Imitiert ein gleichmäßig sich drehender, spiralförmig gezogener Glasstab.

Zehn Vögel und vier Schmetterlinge gleichzeitig
Die meisten Vogelautomaten sind nur mit einem Vogel besetzt. Hier reicht ein Federwerk aus, um Gesang und Bewegungen zu erzeugen. Auch die selteneren Instrumente mit zwei oder drei Vögeln werden noch von einem Federwerk angetrieben. Der Automat des Deutschen Museums besitzt zehn Vögel, vier Schmetterlinge und den Wasserfall. Zu deren Antrieb sind vier Federwerke notwendig, die einzeln aufgezogen werden müssen. Das stärkste Werk bewegt vier Kolibris, die singend von Zweig zu Zweig flattern, ein fünfter Kolibri sitzt brütend auf seinem Nest. Es bewegt auch den Wasserfall, von dem ein Vogel trinkt, und schließlich noch einen Vogel auf der gegenüberliegenden Seite, der nach einem Wurm pickt. Das zweite Werk imitiert nur die Nachtigall mit Gesang und Bewegung, das dritte einen anderen Vogel, der sich ebenfalls bewegt und dabei singt. Das letzte Federwerk lässt die vier Schmetterlinge flattern, dazu schaut ein Vogel aus seiner Nesthöhle im Baum, er blickt heraus und zieht sich dann wieder zurück.

Historie
Die Geschichte der Singvogelautomaten reicht weit zurück. Der Überlieferung nach hat schon Konfuzius um 500 v. Chr. ein solches Werk beschrieben, und Bischof Luitbrand von Cremona berichtet, dass er im Jahre 968 am Hof des Sultans in Konstantinopel einen lebensgroßen Baum gesehen habe, auf dem künstliche Vögel saßen und lebensecht zwitscherten. Auch in der Dietrichsage um 1300 werden künstliche Vögel erwähnt, und Salomon de Caus beschreibt solche Automaten in einem 1615 in Frankfurt erschienenen Buch. Wann immer in all den vergangenen Jahrhunderten über mechanische Musikinstrumente berichtet wird, und das geschieht häufig, dann werden auch künstliche Vögel erwähnt.
Einen Aufschwung nahm der Bau solcher Instrumente im 18. Jahrhundert in der Schweiz. Hier hatte sich das Uhrmacherhandwerk zu hoher Blüte entwickelt, und so verwundert es nicht, dass die ältesten bekannten Hersteller von Vogelautomaten aus dem Uhrmachergewerbe kommen. Pierre Jaquet-Droz, 1721 in Neuchatel als Sohn eines Uhrmachers geboren, begründete einen neuen Zweig dieser Automaten. Er baute 1752 erstmals eine Miniatur, einen winzigen Kolibri, versteckt in einer reich verzierten Schnupftabakdose. Auf Knopfdruck sprang der Deckel auf, der Kolibri richtete sich auf und sang sein Liedchen, dann klappte der Deckel automatisch wieder zu.
Nach der Schweiz war Paris das andere Zentrum der Herstellung von Vogelautomaten. Hier gründete der als Erbauer des ausgestellten Automaten schon genannte Blaise Bontemps 1848 seine Werkstatt, doch fertigte er nicht nur die begehrten Dosen, sondern setzte seine Vögel in ebensolche Käfige wie für lebende Vögel. So konnte er nun auch Amsel, Nachtigall oder Fink in natürlicher Größe bauen.
Hubert Henkel

Kommentare (1)

  1. #1 Tanja
    Dezember 18, 2007

    Ein schöner Beitrag für die Vorweihnachtszeit!
    Ein kleiner Moment Ruhe und Zufriedenheit…