In Deutschland hören wir, aufgeschreckt durch Pisa Umfrage und ähnliche Evaluationen, dass unser Bildungssystem, gerade auch im Hinblick auf die Vermittlung von Kompetenzen in naturwissenschaftlich-technischen Fächern sehr zu wünschen übrig lässt.


Die Warnungen sind inzwischen Legende: Die Industrie beklagt eine Technik-Lücke, Fachkräftemangel, Forschungsnotstand und als Folge ein Innovationshemmnis. Eine ganze Generation junger, gut ausgebildeter Ingenieure und Naturwissenschaftler fehlt. 23.000 Ingenieursstellen können nicht besetzt werden, das entspricht einer ausbleibenden Wertschöpfung von mehreren Milliarden Euro. Darüber hinaus sind nur ca. 10 % aller Ingenieure weiblich. Kurzum, Deutschland geht der naturwissenschaftlich-technische Nachwuchs aus.
Selbst wenn man einseitige politische Absichten solcher Meldungen vermutet, ist doch ohne jeden Zweifel, dass gerade diese Fach- und Berufsrichtungen von zu wenig jungen Menschen gewählt werden. Der demographische Wandel tut ein Übriges. Allenthalben hören wir und lesen wir in der Presse das Lamento von Vertretern nahezu aller gesellschaftlichen Kreise, dass hier Abhilfe geschaffen werden muß.
Außer Zweifel steht auch, dass wir unseren Wohlstand großteils auch den Menschen zu verdanken haben, die in Technik und Naturwissenschaft innovativ tätig sind, und damit die Grundlage für den Export marktfähiger Produkte aus Deutschland schaffen.

Naturwissenschftlich-technische Kultur, wie sie auch im Deutschen Museum gelebt wird, ist Grundlage unseres Wohlstands; ihre Pflege entscheidet mit darüber, wie wir in Zukunft leben werden. Wissenschaftliche Erkenntnis in allen Disziplinen trägt die Gesellschaft; gerade die Interaktion zwischen Natur- und Geisteswissenschaften lässt aber vielfach zu wünschen übrig. Wenn wir, wie oft gesagt, im Vergleich mit der internationalen Entwicklung auf den innovativen Märkten um so viel besser sein müssen, wie wir teurer sind, dann meine ich, greift dies zu kurz. Wir müssen auch um so viel klüger sein, wie wir besser sein sollen. Aber wie soll das funktionieren, anlässlich einer nachlassenden Wertschätzung, ja vielfach einer Furcht und eines zu großen Bedenktenträgertums, gerade gegenüber den modernen naturwissenschaftlich technischen Entwicklungen. Wenn wir in einer Gesellschaft leben, die zunächst immer die Risiken jeder neuen Technologie im Vordergrund sieht, und die Chancen gerne marginalisiert. Als ob wir heute so gut in einem exportorientierten Deutschland leben würden, wie dies der Fall ist, ohne die Entdeckungen, Erfindungen und deren marktliche Umsetzung in Produkte. Daß damit auch große Probleme wie die gerade aktuellen, z.B. im Bereich Energie, Umwelt und Erhaltung der Lebensgrundlagen einhergehen können, ist klar. Sie zu lösen setzt aber eine rationale, logische und wissenschaftliche Herangehensweise voraus; blindes Angstverhalten ist da nicht hilfreich. Natürlich müssten auch mehr Menschen in den Dialog mit einbezogen werden, die Experten müssen mehr kommunizieren, und zwar auf gleicher Ebene und mit viel mehr Zugang für die Menschen. Neue Formen der Nachhaltigkeit der Kommunikation müssen hier entwickelt werden, vorhandene Formate müssen gestärkt und ausgebaut werden.

Was sind nun die Ursachen dieser Entwicklung, und wie kann man gegensteuern? Wer nun meint, es handele sich um Naturereignisse, die ohne Vorwarnung über uns hereingebrochen sind, geht fehl. Tatsache ist, wir, alle Teile unserer Gesellschaft, tun zu wenig für die Zukunftssicherung auf diesem Gebiet.
Bei unseren Besucherbefragungen im Deutschen Museum stellen wir regelmäßig fest, dass insgesamt in der Bevölkerung das Wissen um naturwissenschaftlich-technische Grundlagen und Zusammenhänge abnimmt, schon Hauptschulabsolventen fehlt zu häufig das Grundlagenwissen für technische Lehrberufe. Auf der anderen Seite beobachten wir auch die Kleinkinder in unserem Kinderreich, wie sie lustvoll spielerisch neugierig von technischen Mitmachexperimenten begeistert sind. Mehr als ein Drittel unserer Besucher, ca. 500.000 Jugendliche im Jahr sind unter 20 Jahren, und viele dieser Besuche wirken nachweislich berufsstiftend. Wo beginnt die Leidenschaft für die Technik, und noch viel wichtiger die Frage, wie lässt sich der offensichtlich „genetisch fixierte Forscherdrang“ auf Dauer erhalten? Wie werden die Grundlagen für mathematisch-naturwissenschaftliche Fähigkeiten gelegt, wie für analytische Vorgehensweise und logisches Denken? Wie wird die Faszination für Konstruieren, Entwickeln und innovative Tätigkeit geweckt? Und noch viel wichtiger die Frage, warum verlieren wir Mädchen mit zunehmendem Alter? Fehlt es an Vorbildern? Während im Kinderreich noch gleich viele Mädchen und Jungen spielend die Natur erkunden, bei dem Programm „Schüler führen Schüler“ im Deutschen Museum sogar mehr Mädchen als vorbildliche Vermittler von Naturwissenschaften und Technik engagiert sind, sinkt der weibliche Anteil nach der Pubertät rapide, und bei den Studienanfängern haben wir dann das beklagte 10:90 Verhältnis.

– Wolfang M. Heckl