Nebenan knattern wieder die Hochspannungsentladungen. Schüler toben an mir vorbei, die es noch zur Demonstration des Blitzeinschlags schaffen wollen. Beifall nach dem großen Knall mit einer Million Volt. Als sich das Publikum wieder in die angrenzenden Ausstellungsräume verteilt, bleiben einige der Jugendlichen kurz stehen, verwundert, dass der Typ mit der Kamera immer noch sein Stativ vor der Dynamomaschine hin- und herschiebt oder schon wieder vor dem Quecksilberdampf-Gleichrichter kniet. Ein unsicherer Blick auf das nahe Schild an der Wand. Ist das hier irgendwie wichtig?

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„Guck mal Papi, ein Fotograf”, flüstert ein Mädchen an der Hand ihres Vaters, der auch nicht so genau weiß, was er von der Szene halten soll. Eine Aufsicht schlendert vorbei, nickt mir zu. Wir kennen uns schon, denn es ist nicht meine erste Expedition durch das Museum.

In den letzten zwei Jahren bin ich immer wieder durch die Sammlung gestreift auf der Suche nach dem anderen Blick auf die Technik. Nicht wie ein Besucher wollte ich sehen, der vom Spektakulären beeindruckt ist: von wuchtigen Schwungrädern, blinkenden Lämpchen und Ingenieursrekorden. Auch der Sichtweise der Ausstellungsmacher durfte ich mich nicht anschließen und darüber nachdenken, was ein Exponat bedeutsam macht, Ehrfurcht vor der Einmaligkeit spüren oder die Leistung des Erfinders würdigen.

Ich war auf der Suche nach dem Wesen der Maschine, dem Charakter der Geräte. So spürte ich Kratzer und Schleifspuren auf, die über das Gebrauchsleben der nun konservierten Geräte Auskunft gaben. Ich fand Markierungen, mit denen die Arbeiter Teile kennzeichneten, die sie exakt zu einander passend gemacht hatten, und die nun beim Zusammenbau nicht verwechselt werden durften. Mit den Mitteln der Portraitfotografie suchte ich nach Leben in kalten Metalloberflächen.

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Wie Landschaften wollte ich die gefrästen, genieteten oder verschraubten Konstruktionen bereisen. „Techscapes” taufte ich daher das Projekt, eine Wortschöpfung aus „technology” und „landscape”, dessen Ergebnisse noch bis zum 11. Januar 2009 in der gleichnamigen Sonderausstellung in der Abteilung Foto und Film im Deutschen Museum zu sehen sind.

Auch wenn die Bilder fotografischen Ursprungs sind, dürften sie in den Augen mancher Betrachter die Grenze zur Grafik überschreiten, denn die Entdeckerreise setzte sich nach der Aufnahme fort. Ausgehend vom digitalen Farbfoto entstand am Computer zunächst eine Schwarzweißversion der Bilder, die der Interpretation von Licht und Schatten große Spielräume lässt.

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Erst im letzten Schritt kam die Farbe wieder dazu, je nach Motiv als reduzierter Anklang an die Originalsicht oder als digitale Emulation klassischer Tonungen, wie sie in der chemischen Dunkelkammer oder dem Mehrfarbdruck üblich sind. Der großformatige Tintenstrahldruck auf Büttenpapier bereichert den Prozess um eine eigene Ästhetik. Fast holographisch wirken die dargestellten Strukturen. Wie Stoff scheint sich das Metall in Bögen zu legen, wie Flüsse mäandern Fugen über die Maschinenhaut.

Bewusst verraten die Techscapes nichts über den Maßstab der Abbildung. Der wuchtige Schraubenkopf kann die Makrosicht eines filigranen Schräubchens sein, die statuenhafte Silhouette zu einem massiven Gusseisenteil gehören. Für Tüftler und Rätselfreunde gibt die Beschilderung in der Ausstellung Hinweise auf die Maschine, deren Portrait hier zu sehen ist. Wer mag, kann so versuchen, die Entdeckungsreise durch die Ausstellungen nachzuvollziehen.

— Jürgen Scriba

Weitere Bilder auf www.jscriba.com