Der Dichterfürst hat seit einem Vierteljahrhundert in der Eingangshalle der Bibliothek des Deutschen Museums die Besucher sowie Mitarbeiter stumm und unaufdringlich begrüßt. Nun musste er vor einiger Zeit seinen Platz räumen. Es war nicht das erste Mal, hatte sich doch sein Platz nach dem Wiederaufbau des Deutschen Museums im Sammlungsbau vor dem Ehrensaal befunden. Nun wartet er im Depot auf weitere Angebote.

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Auch beim Transport behält der Dichterfürst seine Haltung bei

Jetzt wird der Platz im Bibliotheksfoyer von dem monumentalen Turmuhrwerk belegt, das der bedeutende Turmuhrbauer Johann Mannhardt 1842 für die Münchener Frauenkirche konstruiert und dort auch installiert hatte. Mehrfach technisch verändert war es dort bis 1969 in Betrieb gewesen und rostete seither, von den Zeigern und Glockenhämmern abgekoppelt, nutzlos vor sich hin.

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Nach allen Regeln der Kunst restauriert übernimmt das historische Turmuhrwerk den Platz, von dem es Goethe verdrängt hat.

Nachdem 2006 über eine Finanzierung durch den Freundes- und Förderkreis Deutsches Museum und die Münchener Firma Andreas-Huber-Bucherer der Abtransport und die aufwendige Restaurierung möglich geworden war, stiftete das Metropolitankapitel das Turmuhrwerk dem Deutschen Museum. Noch im Herbst des gleichen Jahres wurde es von den erfahrenen Turmuhrbauern der Regensburger Firma Rauscher zerlegt und vom Turm abgeseilt. Die Restaurierung sollte allen Ansprüchen der modernen Restaurierwissenschaft genügen und so wurden umfangreiche Voruntersuchungen vorgenommen und eine umfassende Dokumentation sämtlicher Einzelteile angelegt. Diese Arbeiten wurden im Wesentlichen von Cornelia Huttenlocher in den Werkstätten von Franz Huber und Thomas Rebényi ausgeführt. Gleichzeitig fand das Projekt bei zahlreichen Stellen außerhalb des Museums zum Teil sehr aufwendige Unterstützung, besonders durch die Herren Professoren Erwin Emmerling vom Lehrstuhl für Restaurierung an der TU, sowie Frank Owen, dessen Maschinenbaustudenten die Dokumentation mit der Erstellung eines virtuellen Modells ergänzten und nicht zuletzt Dr. Richard Knerr, der als pensionierter Physiker unermüdlich in den Münchener Archiven recherchierte.

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Das Turmuhrwerk war schon im Oktober 2006 von seinem angestammten Platz geholt worden. Dort hatte es seit 1969 ungenutzt Schmutz und Rost angesammelt.

Die historische Bedeutung dieser Turmuhr ist nicht gering. Ihr Konstrukteur Johann Mannhardt war 1798 auf einem Einödhof bei Gmund am Tegernsee geboren worden und hatte 1826 – unterstützt vom Polytechnischen Verein – in München eine Werkstatt gegründet und sie bald zur Fabrik ausgebaut. Er war einer der bedeutenden Vorkämpfer der Industrialisierung in Bayern und stellte neben den Turmuhren auch Maschinen aller Art her. Eine Hobelmaschine und eine Steindruckpresse aus seiner Werkstatt sind seit langem in unseren Ausstellungen zu sehen. Mehrere Erfindungen auf dem Gebiet des Turmuhrenbaus sind auch heute noch mit seinem Namen verknüpft. Die Uhr für die Münchener Frauenkirche aus dem Jahr 1842 brachte ihm nicht nur den geschäftlichen Durchbruch, sondern als Turmuhrkonstrukteur bleibenden Ruhm. Als Geschäftsmann sollte er jedoch letztlich scheitern. Obwohl er 1862 seine tausendste Turmuhr ausliefern und seine Produkte auch im Ausland zahlreiche Auszeichnungen erhielten, ging die Firma 1866 bankrott. Mannhardt starb 1878. Die mehrfach wechselnden Besitzer der von ihm gegründeten Firma wollten auf seinen Namen nicht verzichten und behielten ihn noch bis 1940 bei.