Neutrinos gehören zu den faszinierendsten Elementarteilchen. Woher wissen wir von ihnen? Zunächst einmal hat wahrscheinlich jeder schon mal von den drei wichtigen Typen radioaktiver Strahlung gehört: Alpha-, Beta- und Gammastrahlung.
Alphastrahlung besteht aus Heliumkernen (zwei Protonen, zwei Neutronen), die aus einem Kern herausspringen. Gammastrahlung ist elektromagnetische Strahlung, die aus Energieübergängen im Kern entsteht – die Betastrahlung aber besteht aus Elektronen die entstehen wenn ein Neutron im Kern zerfällt. Dabei entsteht ein Proton und ein Elektron, das wegfliegt. 1930 konnte Wolfgang Pauli aber rein theoretisch aus Überlegungen zur Energieerhaltung zeigen, dass ein weiteres Teilchen beteiligt sein muss – das Neutrino.

Es gibt drei Neutrinos, der Partner zum Elektron heißt Elektron-Neutrino. Zunächst nahm man an, dass es massenlos ist.

Jetzt begeben wir uns zur Sonne. Im Inneren der Sonne fusioniert Wasserstoff zu Helium. Die Bilanzgleichung sieht dafür so aus:

Also. Wir nehmen 4 Wasserstoffkerne (also 4 Protonen) und fusionieren sie. Raus kommt ein Helium. Das hat aber nur 2 Protonen und 2 Neutronen, wir müssen also vorher zwei Protonen in Neutronen umwandeln. Das geht durch die Positronenvariante des Betazerfalls (der nicht an freien Protonen möglich ist, nur im Kern). Hierbei zerfällt ein Proton in ein Neutron, ein Positron und ein Elektron-Neutrino . Außerdem kommen noch zwei Photonen heraus – die sind natürlich das, was wir an der Sonne schätzen.
Aber heute beschäftigen wir uns einmal mit Raymond Davis jr., der 2002 den Physik-Nobelpreis dafür erhielt, sich mit den Sonnenneutrinos befasst zu haben.

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Nach ersten Experimenten mit Neutrinos an einem Forschungsreaktor in Brookhaven begann er, ein großes Experiment zu entwerfen um die Sonneneutrinos abzuzählen. Ende der 60er half der Theoretiker John Bahcall mit Berechnungen der erwarteten Neutrinozahl, und in der Homestake Mine, 1600 Meter unter der Erde, wurde ein riesiger Tank mit 100000 Gallonen mit Perchlorethylen gefüllt (einem Reinigungsmittel). Der Plan war so: Ein Platz tief unter der Erde ist dafür da, um alles was nicht Neutrino ist aus der kosmischen Strahlung auszufiltern. Neutrinos reagieren fast nie, aber es gibt es verdammt viele davon, und so bestand immerhin ganz selten einmal die Chance, dass ein Neutrino in dem riesigen Tank mit einem Chlor-Atom kollidierte und ein Argon-Atom erzeugte. Das passierte nur ein paar Mal in einem Monat, und so wurde der Detektor alle paar Wochen mit Helium durchgeblasen und gezählt, wieviele Argon-Atome entstanden waren. Ja – man hat einzelne Atome aus einem Behälter mit 400000 Litern Reinigungsmittel gefischt!

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Es war übrigens nicht der erste Detektor den Davis getestet hat, ab Ende der 50er hatte er mit kleineren Detektoren aber keinen Erfolg gehabt – vor allem weil sie auf der falschen Aannahme beruhten, dass Neutrinos und Anti-Neutrinos identisch sind. Bruno Pontecorvo hatte 1946 die Methode mit Chlor vorgeschlagen, und Davis hatte eine Methode entwickelt, die Argon-Atome zählen zu können – und so hatte das Homestake Experiment Erfolg. Die Methode zur Extraktion filterte die Argon-Atome mit einem Gaschromatographen aus und dann wurden die radioaktiven Atome in einem Proportional-Zählrohr gemessen (ähnlich einem Geigerzähler).

Nach vielen Jahren Zählen stand fest – die gemessene Anzahl an Elektron-Neutrinos beträgt nur ein Drittel der theoretisch vorhergesagten Anzahl. Das Experiment war nur in der Lage, Elektron-Neutrinos zu detektieren. Dies löste das Sonnenneutrino-Problem aus – wie dieses durch andere Detektoren gelöst wurde, ist eine Geschichte für einen anderen Tag.
Das Besondere bleibt: Ray Davis, und wie er bemerkenswerte Physik machte mit einer Methode, die nur wenige Ereignisse im Monat zählte.