Den klassischen Hall-Effekt, benannt nach Edwin Hall, nicht nach dem was passiert wenn man in einen leeren Saal hineinruft, lernt man heute bereits in der Schule kennen. Er ist – ehrlich gesagt – nicht sonderlich spannend. Die Ausprägungen in der Quantenwelt jedoch zeigen den Weg in eine ganz andere Welt – und ihre Erforschung brachte den Entdeckern 1985 und 1988 Nobelpreise ein. Wir wollen mal schauen, was da so passiert.


Klassischer Hall-Effekt

Das Prinzip des klassischen Hall-Effektes ist nicht schwierig: Man nimmt einen elektrischen Leiter, am besten nicht nur einen Draht sondern meinetwegen eine Platte wie im Bild und lässt Strom durchfließen. Senkrecht zur Fließrichtung des Stroms baut man ein Magnetfeld auf.

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Bildquelle: Wikimedia Commons unter freier GNU-Lizenz

Streckt die Finger eurer rechten (!) Hand aus, und zwar den Daumen, Zeige- und Mittelfinger senkrecht zueinander. Versucht, dass der Mittelfinger nicht nach oben zeigt und Leuten entgegengerichtet ist, das kann zu Missverständnissen führen. Lasst den Mittelfinger lieber in Richtung des Stroms zeigen. Den Zeigefinger lasst ihr in Richtung des Magnetfeldes, von Nord nach Süd, zeigen. Dann gibt euch der ausgestreckte Daumen die Richtung an, in der die Elektronen abgelenkt werden.

Ein Magnetfeld übt diese Kraft auf bewegte, geladene Teilchen aus. Dadurch sind dann effektiv mehr Elektronen auf einer Seite der Platte als auf der anderen, es wird also einen Ladungsunterschied zwischen oben und unten (im Bild jetzt) geben, das heißt eine Spannung. Die nennt man dann passend Hall-Spannung.

Ganzzahliger Quanten-Hall-Effekt

So weit so langweilig. Jetzt machen wir etwas Spannenderes, und schauen uns das ganze in der Quantenwelt an. Und wir nehmen dazu einen Halbleiter. Und damit wir auch etwas sehen, brauchen wir kräftige Magnetfelder (bis zu 40 T) und tiefste Temperaturen (3-4 K).

Aber das wichtigste, was dazu nötig ist, ist eine flache Welt: Ein Leiter in dem die Ladungsträger nicht in die dritte Dimension fliehen können. Gut geeignet dazu: Der MOSFET, wie er auch die Grundlage für den CCD ist, dessen Erfinder gerade den Nobelpreis gewonnen haben. Die Oberfläche des Halbleiters, die durch eine Oxidschicht vom Metallgate getrennt wird, ist solch ein zweidimensionales System. An diesem wurde als erstes der Quantum-Hall-Effekt studiert. Sein Entdecker Klaus von Klitzing erhielt 1985 den Nobelpreis dafür.

Jetzt legt man ein Magnetfeld senkrecht zu dieser Ebene an. Das führt dazu, dass die Elektronen in der Schicht auf Kreisbahnen gelenkt werden. Und wie so oft in der Quantenwelt, gibt es nur bestimmte erlaubt Kreisbahnen. In einem klassischen Bild könnte man also sagen: Ok, nur bestimmte Kreisradien sind für die Elektronen erlaubt.

Folgendes Bild zeigt jetzt die Energieverteilung der Elektronen ohne und mit Magnetfeld:i-ad85a807441d4189a9aa856278cfe150-landauls-thumb-290x264.gif

(Bildquelle: Warwick)

Links sieht man den sogenannten Fermi-Block. Bis zu einer bestimmten Grenze sind alle Energiezustände besetzt. Das liegt daran, dass Elektronen Fermionen sind – also niemals zwei Elektronen genau den gleichen Quantenzustand haben. Daher müssen sich viele Elektronen auf höheren Energieplätzen einrichten, da die tieferen alle belegt sind.

Rechts daneben sieht man, was passiert wenn ein Magnetfeld angelegt wird: Durch die Quantifizierung der Kreisbahnen sind plötzlich nicht mehr alle Energiezustände erlaubt, und es richten sich diese Niveaus ein. Mehr noch, bei ausreichend großen Magnetfeldern entstehen sogar Level mit Lücken dazwischen, also Energiebereichen die kein Elektron einnehmen kann. Diese diskreten Levels nennt man Landau-Level, und sie sind die Ursache für den Quanten-Hall-Effekt. Im Verlauf des Widerstand (Hall-Widerstand ist Hall-Spannung geteilt durch anliegenden Strom) gegen die Stärke des Magnetfeldes sieht man diese Stufen (rote Linie):

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(Bildquelle: Warwick)

Und diese Stufen sind nicht bei irgendwelchen Werten: Sie entsprechen einem Wert aus zwei Naturkonstanten, h/e², geteilt durch eine ganze Zahl, also geteilt durch 1,2,3…

Daher nennt man diesen Effekt den ganzzahligen Quanten-Hall-Effekt. Die Erklärung liegt darin, dass mit zunehmendem Magnetfeld oft die Oberkante der Energiezustände, die besetzt sind, in eine solche Energielücke rutscht. Dann ist man auf einer Stufe. Erst wenn mit zunehmendem Magnetfeld die Landau-Level noch weiter auseinanderrutschen, kommt es wieder zu einem Anstieg im Widerstand:

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(Bildquelle: Warwick)

Der Quanten-Hall-Effekt ist so genau, dass darüber der elektrische Widerstand definiert wird!

Fraktionaler Quanten-Hall-Effekt

1982 entdeckten Daniel Tsui und Horst Störmer einen gebrochenen Quanten-Hall-Effekt: Bei noch tieferen Temperaturen und in sehr reinen Materialien lagen Stufen nicht mehr bei ganzzahligen Teilen, sondern es kamen Stufen bei rationalen Teilern p/q vor, z.B. 1/3, 2/5.

Die Erklärung durch eine Theorie von Quasiteilchen mit gebrochenen Ladungen stammte von Robert Laughlin. Die drei Forscher erhielten 1988 den Nobelpreis.

In Laughlins Erklärung formt das Elektronengas bei tiefen Temperaturen und hohen Magnetfelder einen neuen Materiezustand: Eine Quantenflüssigkeit.
Das kommt z.B. auch beim Supraleiter vor, dort formen zwei Fermionen einen Zustand, der einem Boson ähnlich ist. Das bedeutet, dass plötzlich alle dieser Teilchen im Grundzustand hocken können, man sagt sie kondensieren in den Grundzustand.
Im Fall des Quanten-Hall-Effekts verbinden sich Elektronen mit Quanten des magnetischen Feldes, um wiederum Quasi-Bosonen zu bilden die in einen Grundzustand kondensieren können. Anregungen dieses speziellen Grundzustandes sind Quasiteilchen mit gebrochenzahliger Ladung und erklären die speziellen Stufen im gebrochenen Quanten-Hall-Effekt.

Kommentare (2)

  1. #1 rolak
    10/18/2009

    /Oberfläche des MOSFETs/ Source-Drain-Kanal? Wenn die Formulierung mal für die Gegend erlaubt ist statt für die geschaltete Funktion — der sieht aber aus 2 Gründen die Sonne nicht 😉

    Für 3 Leute damals im LK Physik war auch der klassische Hall-Effekt ziemlich spannend: Wir durften den in der altertümlichen Physiksammlung nicht vorhandenen Instrumentenverstärker aus mitt70er-Bastelvorrat zusammenlöten, Teststrecke war ein Quadrätchen ordinäre Pertinaxplatine. Funktionierte, aber wehe jmd im Saal hätte zu intensiv gehustet…

  2. #2 Stan
    10/18/2009

    Also das mit der Dreifingerregel kenne ich anders:
    Daumen – Bewegungsrichtung der Ladungsträger
    Zeigefinger – Richtung des Magnetfeldes und
    Mittelfinger – Richtung der Lorenzkraft

    für pos. Ladungsträger rechte Hand, für negative die linke Hand verwenden ^^