Da treffen die literarischen Schwergewichte des Meeres aufeinander: Beim Experiment NEMO, das eigentlich Neutrinos suchen soll, hat man stattdessen Pottwale gefunden – das war dann wohl der falsche Käpt’n. Wie es sein kann, dass man sich derart in der Größe des gefundenen Objektes vertun kann, erzählt eine Geschichte aktuell in Nature.

NEMO ist ein Unterwasserprojekt zur Suche nach Neutrinos. Neutrinos wechselwirken nur über die Schwache Kraft, und daher sehr selten. In dieser Sekunden sausen Milliarden davon einfach durch dich hindurch. Gleichzeitig aber könnten sie uns viel über die Schwache Kraft und über die Zeit ganz kurz nach dem Beginn des Universums erzählen – viel dichter dran als der Mikrowellenhintergrund. Daher ist es so spannend sie zu untersuchen. Und da sie so selten wechselwirken, braucht man große Detektoren. Bis jetzt hat man oft Riesentanks gefüllt, aber neue Projekt wie ICECUBE oder eben NEMO legen dort Detektoren aus, wo es bereits große Volumina von Wasser oder Eis gibt. Wenn so ein Teilchen dort reagiert, erzeugt es ein Elektron das durch den Cerenkov-Effekt einen Lichtblitz erzeugt. Daher bringt man optische Sensoren z.B. in einen Kubikkilometer Eis am Südpol (ICECUBE) ein, oder legt sie im Meer in großer Tiefe aus wie bei NEMO.
Zusätzlich müsste es aber auch noch ein akustisches Signal geben. Daher hat der Forscher Giorgio Riccobene in einer ersten Studie Hydrophone am Ozeanboden in 2 km Tiefe an NEMO angeschlossen, um zu testen ob das machbar ist. Hydrophone sind neuartige Mikrophone die in so großer Tiefe arbeiten können. Da sie so neu sind, hat man auch noch keine Idee darüber, ob es funktionieren kann, da das davon abhängt wie laut es dort ist. Alle gingen davon aus, dass es schon leise sei in so großer Tiefe, also schnappte sich Riccobene für eine bessere Antwort den Meeresbiologen Pavan, der Unterwasseraufnahmen etabliert hat. Der machte auch gerne mit.
Man führte eine Langzeitstudie mit vier Hydrophonen vor Sizilien durch. Man hörte den erwarteten Hintergrund-Krach von Schiffen und Wellen. Aber man fand noch etwas unerwartetes: Pottwalgeräusche. Diese erzeugen ein lautes Klicken, vermutlich zur Ortung von Tiefe und Beute. Aber – man erwartete gar nicht viele Pottwale in dieser Gegend. Allerdings stammte diese Erwartung aus Beobachtungen an der Oberfläche der See, und jetzt war plötzlich aus dem Neutrinoexperiment eine biologische Beobachtung geworden.
Das Pilotprojekt ist vorbei – man hat keine Neutrinos gefunden aber die Mikrofone funktionieren, und im Moment ist noch unklar ob man den Hintergrundlärm filtern kann um Neutrinos auch akustisch zu detektieren.
Aber man hat ein Nachfolgeprojekt gefunden, das ab März für drei Jahre Wale beobachten wird – finanziert von Netzwerk das eigentlich hauptsächlich Tiefsee-Beobachtungen für Klimatologie und Geophysik etablieren möchte. Und dann hat man auch Geld für eine ordentliche Auswertung, um das Verhalten der Wale genau zu studieren.

Kommentare (4)

  1. #1 Jörg W.
    12/03/2009

    super Geschichte, die mich als Biologen natürlich hocherfreut 🙂

  2. #2 Christian W.
    12/03/2009

    Unbedingt bookmarken als Lehrbeispiel, warum zielgerichtete Grundlagenforschung ein Oxymoron ist und jede Forschung immer das Potential unerwarteter Entdeckungen birgt.

  3. #3 Ludmila
    12/03/2009

    Ich find die Geschichte auch super-spannend. Wer hätte das gedacht? Ja ne, wenn man es vorher gewusst hätte, bräuchte man nicht zu forschen.

  4. #4 Quh
    12/03/2009

    Was die Hydrophone hören ist doch abhängig davon in welchem Frequenzbereich die lauschen. Liegen denn die Neutrinos und Pottwale im gleichen Bereich?

    Vor Sizilien gibts ausserdem ne Subduktionszone – wenn man am anderen Ende der Frequenzskala lauscht hört man die bestimmt auch 🙂