Klassische Supraleiter haben wir verstanden. Durch die BCS-Theorie haben wir eine mächtige Theorie, die nicht nur beschreibt was passiert, sondern vor allem erklärt, wie durch Paarung von zwei Elektronen ein System entsteht, in dem Strom ohne Widerstand fließen kann. Die Elektronen werden durch Austausch von Phononen zusammengehalten, also durch die Gitterschwingungen die ein bewegtes Elektron auslöst. Bei sehr niedrigen Temperaturen ist die Störung durch die Wärmeschwingungen so klein, dass sie die sogenannten Cooper-Paare nicht mehr aufbrechen kann. Es entsteht eine Energielücke, und solange eine Störung ein Elektron nicht stark genug anrempelt, um diese Lücke zu überwinden, bleibt das Cooper-Paar ungestört und somit fließt der Strom widerstandsfrei.

Im Laufe der Zeit hat man aber noch drei weitere Klasse von Supraleitern entdeckt, die anders sind. Wahrscheinlich recht ähnlich zu den klassischen Supraleitern sind die MgB2-Supraleiter, die aber eine höhere Sprungtemperatur haben. Während die klassischen nur bei unter 30 K funktionieren, gehen diese immerhin bis 39 K. Besonders lange leiten die Kuprat-Supraleiter aus Kupferverbindungen, man kennt sie seit 24 Jahren und manche sind bis maximal 134 K supraleitend! Das ist ein wahnsinniger Unterschied, denn dann reicht es, mit flüssigem Stickstoff zu kühlen. Lange, lange hatte man keinen Plan, wie diese funktionieren, aber langsam kommt man dahinter.
Kuprat-Supraleiter erhält man, indem man das “Vatergitter”, eine Kupferverbindung, mit anderen Atomen “dotiert”, also eine kleine Anzahl von Atomen mit anderer Elektronenzahl in das Gitter einbaut. Damit verschiebt man die Eigenschaften des Gitters von Antiferromagnetismus (benachbarte Spins sind antiparallel angeordnet) in den supraleitenden Bereich. Phononen können hier nicht die Basis der Elektronen-Paarbildung sein. Die gängigste Theorie geht davon aus, dass das Band, dass die Elektronenpaare zusammenhält, magnetische Wellen sind, die quasi der Nachhall der antiferromagnetischen Phase sind. Andere Theorien widersprechen dem stark (ich muss es wieder sagen – hier kann man in freier Wildbahn live erleben, wie eine physikalische Theorie entsteht). Diese Theorien gehen stattdessen von einer besonders starken Kopplung der Elektronen aus – sodass zunächst die Elektron nicht mehr beweglich sind, weil sie sofort von anderen Elektronen zurückgestoßen werden. So wird dann ein Metall zu einem (Mott-)Isolator. Bei stärkerer Dotierung aber entsteht eine supraleitende Phase dadurch, dass die zusätzlichen Elektronen durch die starke Abstoßung an den anderen Elektronen quasi durchgeschoben werden.

Warum jetzt Eisen

Seit Mitte 2008 kennt man eine weitere Klasse an Supraleitern: Eisen-basierte Supraleiter. Entdeckt wurden diese von Hideo Hosono in Tokio entdeckt und beschrieben. Sie weisen eine ebenfalls hohe Sprungtemperatur von 56 K auf und unterscheiden sich von den Kuprat-Supraleitern darin, dass ihr “Vatergitter” ein antiferromagnetisches Metall ist, und nicht ein Isolator. Daher ist hier auch die Annahme, dass die Interaktion, die den Antiferromagnetismus erzeugt, gleich zu der ist, die dann bei stärkerer Dotierung zur supraleitenden Phase führt.
Im Antiferromagnet kommt es zu einer ganz besonderen Anordnung, die dazu führt, dass benachbarte Atome entgegengesetzte Spins haben. Dadurch löschen sich effektiv die SPins aus und das Material weigert sich so entschieden wie möglich, magnetisch zu sein – ein anti-ferromagnetisches Verhalten eben. Verursacht wird das durch das kollektive Verhalten von Elektronenwellen, die bestimmte Muster erzeugen. Diese Muster hängen noch im Material, auch wenn sich durch Dotierung die Elektronenzahl verändert hat – und sie sind das Band das Elektronen zusammenhält wenn diese in die supraleitende Phase wandern; so wie die Phononen die Cooper-Paare im klassischen Supraleiter zusammenhalten.
In bemerkenswert kurzer Zeit hat man die Eisen-basierten Supraleiter fast verstanden. Man erwartet dieses Jahr experimentelle Durchbrüche in der Beobachtung der Elektronenwellen-Muster. Dann entscheidet sich, ob dieses Modell stimmt oder ob doch auch hier eine starke Interaktion der Elektronen die Ursache ist, wie andere Forscher annehmen. Und anders herum – wenn das Bild der Elektronenwellen-Muster hält, fällt man damit vielleicht auch bei den Kuprat-Supraleitern die Entscheidung. Aber auch von da ist es noch weit bis zu einer so vollständigen Theorie wie der der klassischen Supraleiter.

(mehr bei Science und Nature)

Kommentare (2)

  1. #1 pogobi
    03/15/2010

    Faszinierend. Ich tangiere in meinem Studium gerade die Supraleitung in TEM und es ist immer wieder interessant zu sehen, wie es weitergeht.

  2. #2 Pete
    03/18/2010

    Was mich in diesem Zusammenhang interessiert:
    Gibt es aus den heutigen Erkenntnissen eine Abschaetzung, wie hoch man die Sprungtemperatur treiben kann?
    Oder anders, gibt es eine Temperatur, oberhalb der absolut keine Supraleitung mehr moeglich ist?

    Pete