Manche Dinge liest man und denkt, wie das hat noch niemand erforscht. Aber die Strukturen komplexer Netzwerke gehören dazu, und insbesondere die Verknüpfungen zwischen internationalen Großkonzernen bilden ein solches, nicht sehr erforschtes Gebiet. Sollte man meinen, das wäre ganz gut zu wissen für Politik und Wirtschaft. Aber in einer neuen Studie haben S. Vitali, J.B. Glattfelder und S. Battiston von der ETH sich einmal die Vernetzung der Kontrolle zwischen 43060 internationalen Konzernen angesehen.

Zur Auswertung der Strukturen stellen die Forscher die Beziehungen der Konzerne in einem Graph dar. Hier sind die Konzerne die Knoten und die Kanten zeigen ausgehend von diesen Knoten zu den Konzernen, an denen dieser Konzern Anteile hält. So kann man durchgehend ausrechnen, welcher Konzern direkt und auch indirekt über Zwischenfirmen die Kontrolle über andere Firmen halten kann. Kontrolle heißt Stimmrecht, also ist der Wert der Firma erst einmal außen vor. Was das Ausrechnen der Netzstruktur so schwierig macht, sind Kreise im Graph. Der einfachste ist, wenn zwei Firmen sich einfach gegenseitig besitzen, dies kann aber durch aus größere Knäuel aus mehreren Konzernen bilden. Die Hauptleistung der Forscher und Forscherin war, Algorithmen zu entwickeln um die Kontrollstrukturen des Netzes unter Einbeziehung der Kreise auszurechnen ohne dass die Kreise die Ergebnisse verfälschen. Und sie sind zum Ergebnis gekommen, dass die Struktur der Kontrolle zwischen den Konzernen der des Internet ähnelt, man spricht von einer Bowtie-Struktur:

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Reproduziert aus Vitali et al., 2001

Es gibt dort Strukturen wie in der Mitte der Abbildung, wo ein Kern von Konzernen gemeinsam die Mehrheit der Kontrolle über die jeweils anderen Mitglieder das Kreise hält. Eine Art Superkonzern, der sich auch noch dadurch auszeichnet, wesentlich mehr auslaufende Arme zu haben als einkommende, also mehr Kontrolle zu halten als kontrolliert zu werden. Solche eng verknüpften Knäuel sind natürlich bedenklich, weil sie den Wettbewerb schwächen und andererseits anfälliger gegen die Auswirkungen von Krisen sein könnten.
Dass der Reichtum in der Welt sehr ungleich verteilt ist, ist ja bekannt; gerade hier in den USA. Aber auf der Seite der Kontrolle über internationale Konzerne ist die Ungleichheit noch gewaltiger: 737 Konzerne besitzen die Kontrolle über 80 % der gesamten studierten Konzerne (sind natürlich nicht alle, aber immerhin 43060!). Damit ist die Kontrolle um einen Faktor zehn stärker konzentriert als die Geldverteilung vermuten lassen würde!!

Noch weitergehend, 40 % des Besitzes internationaler Großkonzerne wird von einem Superkonzernknäuel mit lediglich 137 Mitgliedern kontrolliert! Und drei Viertel dieser 137 sind Großbanken. Sofern diese Kontrollstrukturen repräsentativ für das Netzwerk finanzieller Bindung steht, sieht man deutlich wie gefährlich die Bankenkrise wirklich ist: Da hängt schlichtweg ALLES dran. Und man weiß generell, dass dichte Netzwerke in guten Zeiten mehr Schutz bieten, aber in Krisen deutlich anfällig für Systemkollaps sind.

Und hier sind die 25 größten Spieler. Alleine der Erste, Barclays, kontrolliert 4% der Weltkonzerne, die 25 zusammen fast 30 %. Und beim Reichtumsgefälle der Welt ist das nicht weit von 30 % der Welt weg.

Barclays PCL, Capital Group Companies Inc, FMR Corp, AXA, State Street Corporation, JP Morgan-Chase&Co, Legal &General Group PLC, Vanguard Group Inc., UBS AG, Merril Lynch & Co., Welleington Management Co., Deutsche Bank, Franklin Resources, Credit Suisse Group, Walton Enterprises LLC, Bank of New York Mellon Corp., Natixis, Goldman Sachs Group, T. Rowe Price Group, Legg Mason, Morgan Stanley, Mitsubishi UFJ Financial Group, Northern Trust Corporation, Societe Generale, Bank of America Corporation



Kommentare (15)

  1. #1 BreitSide
    10/25/2011

    xxx

  2. #2 SCHWAR_A
    10/26/2011

    Die Tabelle auf S.33 bestätigt:
    Je mehr Kontrolle die Firmen eines Landes über das Netzwerk haben, desto schlechter steht das beherbergende Land da… und umgekehrt…

  3. #3 miesepeter3
    10/26/2011

    Ich erinnere mich an eine Untersuchung aus den 80ern des vorigen Jahrhunderts über den Einfluß von Banken auf Unternehmensgewinne in Deutschland. Wenn ein Banker im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzt, fällt der Jahres gewinn um bis zu 15% niedriger aus, als bei den Mitbewerbern ohne einen Banker im Aufsichtsrat.
    Erklärt wurde diese Diskrepanz damit, dass Banken von Natur aus eine andere wirtschaftliche Interessenlage haben als Unternehmen. Der Unternehmer unternimmt etwas, das bedeutet, auch mal ein Risiko eingehen, daher auch der Name Unternehmerrisiko, und wenn`s geklappt hat, ist der Gewinn auch mal ein bißchen höher.
    Im Gegensatz dazu ist die Bank in erster Linie daran interessiert, ihre ausgegebenen Darlehen mit Sicherheit zurückzubekommen. Der Im Aufsichtsrat sitzende Banker verfolgt also mehr die Interessen seines Arbeitgebers Bank, als die des zu beaufsichtigenden Unternehmens. Das ist geradezu kontraproduktiv. Normalerweise müßte das Unternehmen den Banker rausschmeißen wegen geschäftsschädigendem Verhalten, aber da sind ja noch die Darlehen, die man der Bank schuldet und die besteht auf……
    So ähnlich funktioniert es auch, wenn anstatt Banken andere Unternehmen mitbestimmen. Auch die wollen in erster Linie ordentliche, regelmäßige und vor allen Dingen sichere Gewinne. Risiko? Nein danke.

  4. #4 Ein bescheidener BWLer
    10/26/2011

    Ich erlaube mir den Verweis auf einen Klassiker des letzten Jahrhunderts: “Aufstieg und Niedergang der Nationen” von Mancur Olson, der seinerzeit aus volkswirtschaftlicher Sicht mit Mitteln der Mikro- und Mesoökonomie einen Nachweis für die Schädlichkeit von “Kollusionen” (wie er sie nannte), also gleichgerichteten Verhaltens von Interessensstrukturen, für Volkswirtschaften anhand deren Niedergangs führte.

    Leider haben weder Politik noch Wirtchaft irgendwo aus dem Buch Lehren gezogen. Die jetzt vorliegende Netzwerkanalyse zeigt, dem eben gelesenen nach zu urteilen, m.E. schlechthin auf Unternehmensebene, wie die Kapitalziele von Banken die Ziele von Unternehmen weltweit durchziehen und deren Kern ausmachen.

    Was entsteht im Universum doch gleich an Stellen, wo sich besonders viel Masse auf einen einzelnen Punkt konzentriert? Ich bin nur BWLer, aber mir dünkt, als handele es sich dabei um ein Schwarzes Loch!?!?!?!?!!?!!!!!

  5. #5 BHamilton
    10/26/2011

    Wenn ökon-Strukturen zu konzentriert sind, reicht es, Wettbewerb über Landesgrenzen hinweg zu gestatten, in der Folge brechen sie auf wie die übermäßig verflochtene Deutschland AG in den 80er Jahren.

    Aber in den meisten Fällen wird genau das politisch nicht akzeptiert; ein Beispiel, das Riesenkonglomerat AIRBUS, ein ganz und gar politisches Unternehmen.
    Frankreich drängte mit seiner zentralistischen (Industrie-) Politik auf die Schaffung eines großen europäischen Luftfahrt-Unternehmens; peu à peu wurden Unternehmen mit mehr oder minder sanftem Druck dort hinein geschoben – ein “Erfolg” politischer Strukturbildung.
    “Europa braucht eine Flugzeugindustrie, die es mit den USA aufnehmen kann”, konnte man immer wieder hören, und die Planwirtschaft schritt voran.
    Dabei war es völlig unnötig, nur glaubte die französische Politik, dass es unbedingt einen europäischen Anbieter geben müsse. Niemand hat die Vorteile und Nachteile sorgfältig evaluiert, den hohen Subventionen des Aufbaus einer solchen politiklastigen Industrie steht keine Einsparung gegenüber. Lockheed und McDonnell sind in der Folge eingebrochen, nur damit auf dieser Seite des Atlantiks eine politische Industrie aufgebaut werden konnte – beggar-my-neighbour-policy vom Schlimmsten.
    Ganz ähnlich der Zusamenbruch der weit fortgeschrittenen britischen Flugzeugindustrie nach dem gewonnenen Krieg – durch politische Fehlausrichtungen (Comet, Concocorde) unterlag sie gegen die US-Konkurrenz.

    Überall dort, wo große Unternehmenden Märkte dominieren, schützt sie die Politik gegen Wettbewerb. Das, was die occupy-Bewegung an Banken-Bashing betreibt, ist die alte Suche nach dem Sündenbock, so ähnlich wie die Suche des Betrunkenen nach dem Schlüssel, den der unter der Laterne sucht, weil es dort heller ist, hier – weil tiefsitzende alte Feindbilder reaktiviert werden können.
    Aber das befreit nicht von der Pflicht zur sorgfältigen Analyse.

  6. #6 Jörg
    10/26/2011

    Dass die Firmen derart verbunden sind, heißt noch nicht dass sie wie ein großes Unternehmen sind oder wie ein Kartell. Schließlich sind es immer noch Konkurrenten. Wie genau sich ein solches Unternehmensknäuel auswirkt ist stattdessen etwas, dass erst einmal untersucht werden müsste.

  7. #7 Torsten
    10/26/2011

    Was ist daran jetzt so besonders? Die Vernetzung hat man schon bei ‘ganz normalen’ Menschen, Schauspielern, dem PGP-Web-of-Trust usw. untersucht und es sah immer so aus, dass es wenige besonders gut vernetzte Individuen gibt. Nun gilt das sogar für Firmen. Wie überraschend.

  8. #8 Jörg
    10/26/2011

    @Torsten: Hast du mehr als die Überschrift gelesen? Und ist dein Kriterium für Sachen über die ich schreiben darf, dass sie “besonders” sind nach deinem Empfinden? Bzw Überschriften abgeben die besonders sind?

  9. #9 Tom
    10/26/2011

    Jörg schreibt: “Dass die Firmen derart verbunden sind, heißt noch nicht dass sie wie ein großes Unternehmen sind oder wie ein Kartell.
    …”

    Das Topthema des Tages, wo dieser Beitrag als Aufhänger genommen und verlinkt wird, heißt:
    “Das Kartell der Konzerne”

  10. #10 Jörg
    10/26/2011

    Das Topthema des Tages, wo dieser Beitrag als Aufhänger genommen und verlinkt wird, heißt:
    “Das Kartell der Konzerne”

    Ich weiß, das stimmt leider nicht ganz, daher hab ichs ja (u.a.) gesagt.

  11. #11 Mein echtes ich
    10/28/2011

    Jörg vielen dank für den Beitrag ,

    endlich hat jemand darüber berichtet und so schön zusammen gefasst.

    Schon etzend wan mann zu tief hineinschaut:(

  12. #12 Hans
    11/01/2011

    Wenn es leich solche Datei auszufinden ist, dann sind auf jeden Fall auch viel größere Geheimnisse versteckt. Ein von der Rothschild Familie hat gesagt (denke ich), dass zu einer Regierung Geld zu verleihen ist vielfalt besser und sicherer als zum privaten Sektor.
    Mein Punkt war – wem gehören die größten Spieler.

  13. #13 Hans
    11/01/2011

    Wenn es leich solche Datei auszufinden ist, dann sind auf jeden Fall auch viel größere Geheimnisse versteckt. Ein von der Rothschild Familie hat gesagt (denke ich), dass zu einer Regierung Geld zu verleihen ist vielfalt besser und sicherer als zum privaten Sektor.
    Mein Punkt war – wem gehören die größten Spieler.

  14. #14 Paulmann
    11/04/2011

    Sehr geehrter Herr Rings,

    ja, das ist ziemlich beeindruckend oder erschreckend. Bernd Kolb, der den Club of Marrakesh gegründet hat, hat am Wochenende beim Entrepreneur Summit 2011 in Berlin einen Vortrag gehalten, der auch dieses Thema berührt hat. Die Frage ist nur, was fangen wir mit dieser Information an? Ist es realistisch die Geschichte zurück zu drehen oder gibt es auch positive Impulse.

    Herzliche Grüsse

    DerPaulmann

  15. #15 Jörg
    11/05/2011

    @Paulmann: Mit dieser Information fangen wir an, dass da vermutlich noch ziemlicher Forschungsbedarf besteht, bevor man weitreichende Folgerungen zieht. Was man aber bereits feststellen kann: Wirtschaftspolitik muss sich zukünftig international abstimmen, und es ist unbedingt erforderlich, dass Politik auf Fakten und Forschung aufsetzt.