Zwei Deutsche und zwei US-Amerikanische Wissenschaftler haben den “Brain Prize” zugesprochen bekommen.  Winfried Denk und Arthur Konnerth sowie Karel Svoboda und David Tank wurden von der Grete Lundbeck European Brain Research Foundation mit dieser Ehrung bedacht. Und der Grund für diese Auszeichnung ist eine Mikroskopietechnik: Die Zwei-Photonen-Mikroskopie. Wobei der “Brain Prize” nicht nur für die Technik vergeben wurde, sondern vor allem für das, was damit erforscht werden konnte. Mit der Zwei-Photonen-Mikroskopie ist es möglich vernetze Nervenzellen bei der Kommunikation untereinander zu beobachten. So etwas stellt für Biologen eine große Herausforderung dar. Man muss in lebendes Gewebe hinein schauen. Das ist nicht einfach, denn unter Umständen liegen sehr sehr viele Zellen zwischen dem Mikroskop und dem Bereich, der beobachtet werden soll. Im Gegensatz zur Durchlichtmikrokskopie oder Phasenkontrastmikroskopie ist das Problem nicht, dass man die Zellen nicht sieht weil sie zu durchsichtig sind, sondern weil sie unter vielen Lagen anderer Zellen verborgen sind, so vielen Zelllagen, dass sichtbares Licht nicht dorthin vordringen kann.

Die Erleuchtung

Bei der Zwei-Photonen-Mikroskopie handelt es sich um eine Technik der Fluoreszenzmikroskopie. Das Wort Fluoreszenz leitet sich von einem Mineral ab, dem Fluorit oder Flussspat. Dieses Mineral leuchtet blau-violett, so lange man es mit UV-Licht bestrahlt. Genau das nennt man Fluoreszenz. Damit ist nicht das “Nachleuchten” gemeint, wie man es vielleicht von Notausgangsschildern oder Feuerwehrhelmen kennt – das wäre Phosphoreszenz. Auf die genauen Unterschiede werde ich in einem späteren Blogpost (hier) eingehen, bei dem ich mich mit den verschiedenen, leuchtenden Farbstoffen der Mikroskopie beschäftigen werde. Um die zwei-Photonen-Mikroskopie zu verstehen reicht es vollkommen aus zu wissen, dass es Farbstoffe gibt, die in einer bestimmten Farbe “zurück leuchten” wenn man sie mit einer anderen, bestimmten Farbe anregt. Versucht man vernetze Neuronen, in noch lebenden Schnitten eines Gehirns, zu beobachten, stehen dem sichtbaren Licht viele Zellen im Weg. Sichtbares Licht kann nicht besonders tief in Gewebe eindringen, und “viel hilft viel” ist dabei keine Lösung. Wenn einfach die Intensität des eingestrahlten Lichts erhöht wird, kommt zwar mehr Licht in der Tiefe des Gewebes an, aber wirklich etwas sehen kann man deswegen trotzdem nicht. Streuung und Beugung an den Zellen, auf dem Weg zum Ziel, verderben einem das Bild.

Mehr, aber anders

Fluoreszierende Farbstoffe sind wählerisch, die Anordnung des Farbstoffmoleküls gibt genau die Wellenlängen des Lichts vor, dass der Farbstoff aufnehmen und abstrahlen kann. Licht einer bestimmten Wellenlänge hat eine genau definierte Energie, und diese Energie kommt immer in kleinen Paketen an, den Photonen. Absorbiert ein Farbstoff ein Photon, so wird ein Elektron des Farbstoffmoleküls auf einen höheren Energiezustand gehoben. Durch Stöße und andere Prozesse verliert das angeregte Elektron etwas Energie, in Form von Wärme. Anschließend fällt es vom Angeregten Zustand wieder in den Grundzustand zurück, wobei es ein Photon einer etwas längeren Wellenlänge aussendet (längere Wellenlänge = weniger Energie). Dieser Prozess findet innerhalb von Nanosekunden statt, also in hundert-millionstel Teilen einer Sekunde. Man kann den Farbstoff aber austricksen. Eigentlich braucht er nur Energie um ein Elektron vom Grundzustand in den ersten, angeregten Zustand an zu heben. Wenn man es schafft zwei Photonen an den Farbstoff zu bringen, die jeweils die halbe Energie besitzen, die zur Anregung nötigt ist, müsste das auch funktionieren. Dabei darf allerdings zwischen dem Eintreffen der beiden Photonen nicht mehr Zeit als diese oben erwähnten wenigen Nanosekunden vergehen. Für die technische Umsetzung heißt das: viele Photonen, wirklich sehr viele Photonen müssen in die Probe! Bei einem Farbstoff, der zum Beispiel gern grünes Licht aufnehmen würde, funktionieren dann, zur Anregung, auch zwei Photonen infraroten Lichts.

Das ist voll Laser

Das schöne an infrarotem Licht ist, dass es viel tiefer in Gewebe eindringen kann als sichtbares Licht, und es gibt zum Glück auch infrarote Laser. Ein Laser bedeutet immer, dass viel Licht (also viele Photonen) auf eine kleine Stelle fokussieren werden kann. Genau das was man braucht um einen Farbstoff mit zwei Photonen an zu regen. Das Zwei-Photonen-Mikroskop fokussiert einen Laser auf eine gewünschte Stelle, in bis zu einem Millimeter Tiefe* innerhalb des Gewebes. Es bewegt diesen Fokuspunkt über einen gewünschten Bereich des Zellverbandes – in allen drei Raumrichtungen. So wird Punkt für Punkt ein Bild aufgebaut. Dieser Prozess kann relativ schnell durchgeführt werden, so das pro Sekunde mehrere Bilder zusammen gesetzt werden können, bestehend aus einzelnen Punkten. Dadurch kann man auch Dynamiken beobachten (siehe auch “Update”, weiter unten).

Der Brain Prize

Die vier Wissenschaftler Winfried Denk, Arthur Konnerth, Karel Svoboda und David Tank wurden mit dem Brain Prize ausgezeichnet

“for the invention, improvement and use of two-photon-microscopy to provide detailed dynamic images of activity in individual nerve cells […].” – Povl Krogsgaard-Larsen, Chairman of the Board of Directors

“für die Erfindung, Verbesserung und die Benutzung der Zwei-Photonen-Mikroskopie um detaillierte, dynamische Bilder zu liefern, welche die Aktivität von einzelnen Nervenzellen zeigen […].” (Übersetzt durch den Autor). Das war die etwas gekürzte Begründung für die Verleihung des Brain Prize 2015. Das vollständige Video zur Begründung gibt es hier. Einige andere Berichte über den Brain Prize kann man hier und hier nachlesen. Die vier Wissenschaftler werden am 7. Mai in Kopenhagen durch den Kronprinz von Dänemark ihren Preis entgegen nehmen. Als kleinen Bonus gibt es eine Million Euro, die sich die vier Herren teilen müssen. Ich habe mich bei diesem Blogpost auf die Mikroskopietechnik konzentriert, nicht nur weil es eine tolle Technik ist, sondern auch, weil man oft vergisst, dass ein Werkzeug genau so faszinierend sein kann, wie das Problem das damit gelöst wird. Die Zwei-Photonen-Mikroskopie werde ich bestimmt nicht das letzte Mal hier im Blog behandeln, denn da gibt es noch mehr faszinierendes zu berichten wie die “Higher Harmonic Generation”. Da aber auch einer der Preisträger Physiker ist, nämlich Winfried Denk, möchte ich schließen mit einem Zitat eines sehr geschätzten Kollegen und Freundes, das ausgesprochen gut zu der Zwei-Photonen-Mikroskopie passt:

“Wenn ein Physiker nicht weiß was er tun soll, nimmt er erst einmal einen Laser und ballert damit auf die Probe” – Reinhard Remfort.

Fußnoten:
* ein Millimeter klingt nicht viel. Mit sichtbarem Licht würde man aber nur ca. 0,08 mm tief in die Probe vordringen. Das ist immerhin eine Größenordnung**.
** “No, I do not want to order one beer, I want to order ten!” – “Well, that is an order of magnitude!”

 

Update:

Warum kann man das Fluoreszenzlicht tief in der Probe sehen, wenn man doch eigentlich, mit dem Licht einer ähnlichen Wellenlänge, nicht so weit vordringen könnte?

Färbt man seine Probe mit fluoreszierenden Farbstoffen, wird man in so gut wie jeder Zelle Farbstoffe finden können, also auch in jeder Zelle die auf dem Weg zu dem Bereich liegen, der einen interessiert. Der Vorteil der Zwei-Photonen-Mikroskopie ist, dass nur im Fokuspunkt, dort wo man beobachten will, die Dichte der Photonen hoch genug ist, damit eine Anregung statt findet. Es entsteht also kein “störendes” Fluoreszenz-Licht an anderen Orten in der Probe. Das ist vergleichbar mit einem sehr nebligen Tagesanbruch. Wenn man mit einem Scheinwerfer versucht die Reflexion des Lichts auf einem weit entfernten Spiegel zu sehen, wird man, durch das am Nebel reflektierte Licht, so geblendet, dass vom Spiegel nichts zu sehen ist. Dabei ist wichtig, dass wir direkt vom Rand des Scheinwerfers schauen, und nicht unter einem Winkel.

Hinzu kommt, dass die Streuung von Licht mit kleinerer Wellenlänge zu nimmt. Langwelligeres Licht, wie der Anregungslaser eines Zwei-Photonen-Mikroskops, wird weniger stark gestreut und führt zu einem “gut” definierten Fokuspunkt. Mit Licht kürzerer Wellenlänge, wie bei einem normalen Fluoreszenzmikroskop, würde der Fokuspunkt verschmiert und zufällig verzerrt sein. Zwar ist das Fluoreszenzlicht, das zurück kommt, von dieser Streuung beeinflusst, aber es kommt aus einem wohl definierten Bereich. Dieses Signal reicht aus um ein Bild Punkt für Punkt zu rekonstruieren. Würde sowohl Hin- und Rückweg von der Streuung beeinflusst werden, würde sich der Abbildungsfehler durch Streuung so sehr aufsummieren, dass keine Details erkennbar sind. Nimmt man die Fluoreszenz von außerhalb des Fokuspunkt (siehe oben) mit hinzu, ist nichts mehr zu sehen.

Auch spielt eine Schädigung der noch lebenden Probe eine Rolle für die Verwendung eines Zwei-Photonen-Mikroskops. Nicht nur, dass Licht kurzer Wellenlänge Gewebe schädigen kann, angeregte Farbstoffe sind immer eine Schädigung. Wenn ein Farbstoff nicht “mehr kann” führt der Weg zum bleichen des Farbstoffs über einen Radikalzustand des Moleküls. Dies wird unter dem Begriff “Phototoxizität” zusammengefasst. Die Zwei-Photonen-Mikorksopie ist deutlich schonender, was diesen Aspekt an geht.

Kommentare (7)

  1. #1 Ludger
    22. März 2015

    Ist ja erst mal erstaunlich, dass die Probe maximal 0,08 mm dick sein darf, wenn das Licht mit derselben Wellenlänge in die Probe hinein und dann wieder heraus muss. Wenn das sichtbare Licht aber in der Probe entsteht, wächst die maximale Dicke nicht auf 0,16 mm sondern gleich auf bis zu 1 mm. Liegt das daran, dass man die Unschärfe durch Streuung vermeidet, weil die Bilder Punkt für Punkt aufgebaut werden?

  2. #2 rolak
    22. März 2015

    An einer Stelle klemmts bei mir: Wenn (was wahrlich nicht angezweifelt wird) das infrarote oder halbFrequente Photon so deutlich tiefer ins Gewebe leuchten, also so deutlich mehr Gewebe durchdringen kann wie das zum normalen Anregen notwendige ganzFrequente Photon — wieso schafft es das emittierte fastGanzFrequente Photon dann retour durch ebenso viel Gewebe?

    Wir sind Brain!

    Und wer gibt den Pinky?

  3. #3 André Lampe
    22. März 2015

    Herzlichen Dank für die beiden Kommentare! Das ist in der Tat ein Aspekt, den ich nicht erklärt habe. Ich schreibe ein update.

  4. #4 André Lampe
    22. März 2015

    Update fertig. Sollte die Frage beantworten, wie das Licht eigentlich zurück kommt. Danke für die Hinweise!

  5. #5 rolak
    22. März 2015

    Ah danke, André – Ludger war ja schon einen Denkschritt weiter, doch mir war der Ausgangspunkt, die (btw von Dir auch vorher schon deutlichst erwähnte) fokussierte Anregung unterwegs entfallen. Wenn bekannt ist, wo es her kommt, kann selbstverständlich egal welches Licht verwertet werden.

  6. #6 Ludger
    22. März 2015

    @ Rolak, #5

    “… schon einen Denkschritt weiter …”

    Ähnliche Dinge wurden im Zusammenhang mit dem letzten Nobelpreis für Chemie beim STED-Mikroskop diskutiert.

  7. #7 rolak
    22. März 2015

    wurden .. diskutiert

    Nicht mit mir, Ludger 😉