In der Biologie oder Medizin gibt es manchmal Fragestellungen bei denen man seine Probe für das Mikroskop erst vorbereiten muss. Wenn zum Beispiel herausgefunden werden soll, in welchem Bereich einer Zelle sich ein bestimmtes Eiweiß aufhält, dann sollte man sowohl das Eiweiß irgendwie markieren als auch den Bereich. Zellen sehen eben immer anders aus, man kann leider nicht sagen, dass der Golgi-Apparat* immer links vom Zellkern sitzt. Das Ding, mit dem seltsam klingenden Namen, der Golgi-Apparat, ist ein Orgänchen (in schlau: Organelle) einer Zelle und sorgt unter anderem für die Sekrettbildung und einige andere Funktionen des Stoffwechsels. Solche Orgänchen oder Organellen kann man vielleicht noch mit einem Phasenkontrastmikroskop erkennen, oder ganz sicher mit den Elektronenmikroskopen am RKI, aber einzelne Eiweiße zu erkennen kann man mit diesen Methoden** vergessen.

grüne Quallen und organische Chemie

Um in einer Zelle etwas zu markieren gibt es mehrere Möglichkeiten. Die meisten davon haben mit Fluoreszenz zu tun, also mit dem “Zurückleuchten” von bestimmten Farbstoffen, wenn man sie mit Licht bestrahlt. Zellen können gentechnisch verändert werden, so das sie ein bestimmtes Eiweiß etwas anders herstellen, nämlich mit einem kleinen Anhängsel, dass Fluoreszenz zeigt. Diese Dinger heißen fluoreszente Proteine, sind also auch Eiweiße und kommen in diversen Lebensarten vor. Für das grüne fluoreszierende Protein (GFP) aus einer bestimmten Quallenart gab es 2008 den Chemienobelpreis für Martin Chalfie, Osamu Shimomura und Rager Y. Tsien. Vielleicht wundert man sich jetzt, dass man der Zelle einfach sagen kann, dass da an ein bestimmtes Eiweiß noch was leuchtendes dran gebastelt werden soll. Das muss doch irgendwie stören! Durchaus eine begründete Sorge. Manchmal sitzt dieses leuchtende Anhängsel an einer blöden Stelle, und das Eiweiß kann nicht mehr das tun, wozu es gedacht war. Manchmal mag das fluoreszierende Protein ungerne alleine sein, und sucht sich immer einen Kollegen, was dann zu einem Klumpen führt, und man auch nicht mehr von “Die Zelle funktioniert noch wie vorher.” sprechen kann. Aber das kommt gar nicht so oft vor, wie man denkt. Diese fluoreszenten Proteine sind klein, in den meisten Fällen höchstens ein Zehntel der Größe des Eiweißes an dem sie hängen.

Eine andere Möglichkeit etwas zu markieren wären Fluoreszenz-Farbstoffe oder genauer: fluoreszierende, organische Farbstoffe. Das Wörtchen “organisch” heißt dabei nicht, dass es “natürliche” Farbstoffe sind, sondern, dass sie ihren Ursprung in der organischen Chemie*** haben. Im Fall dieser Farbstoffe kann man der Zelle leider nicht beibringen, diese selbst her zu stellen. Man muss sie von außen irgendwie in die Zelle hinein bekommen. Es gib noch mehr Möglichkeiten in einer Zelle etwas bunt zu machen, aber so Dinge wie Nanodots werde ich später gesondert behandeln.

Zellen...

Fluoreszenzbild von Zellen, markiert durch organische Farbstoffe, mit niedriger Vergrößerung. Der Zellkern in blau, Zellskelett (Mikrotubuli) in rot und Transportcontainer (Vesikel) in grün. (Bild: CC-BY 4.0 André Lampe)

Die organischen Farbstoffe, die auch ich bei meiner Arbeit benutze, markieren durch Antikörper bestimmte Strukturen in der Zelle. Was für ein besonderes Eiweiß ein Antikörper ist, und wie dieses Y-förmige Ding ganz spezifisch Eiweiße in einer Zelle erkennen kann, ist eine Geschichte für sich. Für heute reicht es zu wissen, dass Antikörper nichts weiter als Eiweiße sind, die sehr genau ein anderes Protein erkennen können und dann daran binden. Um fluoreszierende organische Farbstoff in die Zelle hinein zu bringen, habe ich also meine Farbstoffe an Antikörper gebunden. Leider kommen diese markierten Antikörper nicht durch die Zellwand hindurch. Wenn man Zellen mit Antikörper markiert, dann müssen die Zellen vorher fixieren werden und kleine Löcher in die Zellwand gerissen werden. Fixieren sorgt dafür, dass die Zelle auf einen schlag getötet wird und alles in dem Moment des Todes einfriert und miteinander verklebt wird. So kann man sich eine Momentaufnahme der Zelle genau anschauen. Die Löcher in die Zellwand werden mit Tensiden gemacht – eigentlich nichts weiter als Seife oder Spüli. Die Zellwand besteht aus einer doppelten Lage von Lipiden, also Fett oder Fettsäuren, und mit ein ganz klein wenig Seife kann man dafür sorgen, dass Löcher entstehen, so das die Antikörper ins innere der fixierten Zelle vordringen können.

Warum ist Fluoreszenz so toll?

Im Artikel über den Brain Prize für das Zwei-Photonen-Mikroskop hab ich Fluoreszenz schon kurz angesprochen. Jetzt wird es Zeit genauer zu werden. Bei den Fluoreszierenden Proteinen und den organischen Farbstoffen ist das Prinzip des Zurückleuchtens gleich. In der Molekülstruktur gibt es irgendwo ein Elektron, dass nicht mehr viel Energie braucht um in einen angeregten Zustand angehoben zu werden. Und mit “nicht mehr viel Energie” meine ich genau so viel, dass ein Licht-Photon dafür ausreicht. Aus dem täglichen Leben kennen wir so etwas in der Regel nicht, so gut wie alles was wir sehen können absorbiert lediglich das Licht, beziehungsweise Reflektiert es. Aber auf die leuchtenden Notausgangschilder und Feuerwehrhelme gehe ich auch gleich ein, falls dem ein oder anderen jetzt schon ein “aber” auf den Lippen liegt.

Fluoreszenz ist so großartig weil man sie mit einer anderen Lichtfarbe anregt als die Lichtfarbe, die vom Farbstoff oder fluoreszierenden Protein zurück kommt. Das versetzt uns überhaupt erst in die Lage irgendetwas zu sehen. Wenn dem nicht so wäre, hätte man große Schwierigkeiten das Anregungslicht, dass von allem Möglichen in der Probe reflektiert wird, vom Fluoreszenzlicht zu unterscheiden. Regt man zum Beispiel einen Farbstoff mit grünem Licht (Wellenlänge 568 nm) an, dann wird ein Elektron in einem Farbstoff angeregt, also auf ein höheres Energieniveau gehoben. Ein höheres Energieniveau in einem Molekül ist auch immer ein wenig weiter von den eigentlichen Atomen entfernt, die das Molekül aus machen. Das Elektron bekommt durch das Photon aber nur Energie, und muss dann zunächst auf den Abstand wandern, der zu seinem ersten angeregten Energieniveau passt. Dabei gibt das Elektron etwas seiner erhaltenen Energie wieder ab, in Form von Wärme. So ein angeregter Zustand ist für ein Elektron nicht normal, so das es nach sehr kurzer Zeit, im Nanosekundenbereich (Milliardstel einer Sekunde), seine Energie aussendet, in Form eines Photons, und in den Grundzustand zurück kehrt. Es ist jetzt aber noch etwas weiter von den Atomen des Moleküls entfernt, also gibt es nicht seine ganze Energie ab, sonder behält sich etwas übrig. Es muss nach dem Aussenden des Photons nämlich wieder auf den geringeren Abstand zu den Atomen des Moleküls zurück, der dem Grundzustand entspricht. Es gibt also bei der Anregung und dem Aussenden eines Photons zwei kleine Energieverluste. Das sorgt dafür, dass das ausgesendete Licht weniger Energie besitzt, also eine längere Wellenlänge besitzt. Ich habe hier Quantenmechanische Effekte in einfach vorstellbare Begriffe übersetzt. Eigentlich spielen hier Aufenthaltswahrscheinlichkeiten, quantisierte Zustände und Elektronen-Spins eine Rolle – aber man muss sich die Geschichte ja nicht unnötig kompliziert machen, wenn man nur Fluoreszenz verstehen will.

Wir wollen Energie verlieren!

Beim Beispiel des Farbstoffs, den wir mit grünem Licht (568 nm) anregen können, wird das Fluoreszenzlicht also ein bisschen langwelliger. Der Unterschied ist nicht groß, vielleicht 20 nm. Diesen Effekt bezeichnet man als Stokes Shift, nach seinem Entdecker George G. Stokes. Dieser kleine Wellenlängenunterschied reicht aus, um, mit optischen Filtern, das Anregungslicht von dem Fluoreszenzlicht unterscheiden zu können. Sonst würden uns Reflexionen des Anregungslichts aus der Probe das Bild verderben. Optische Filter funktionieren wie ein “spektrales Fenster”, ein bestimmter Bereich von Wellenlängen wird durchgelassen, der Rest wird geblockt. Man beleuchtet also seine Probe mit dem Anregungslicht, filtert das Fluoreszenzlicht heraus und bildet das dann entweder auf das Okular oder auf die Kamera des Mikroskops ab. Meistens macht man also einzelne Bilder von jeder Farbe in der Probe, schließlich braucht man unterschiedliche Wellenlängen zur Anregung und unterschiedliche Filter um das Fluoreszenzlicht heraus zu filtern.

spektrum...

Spektrum eines Farbstoffs der in grün (568 nm) angeregt werden kann. Grüner Bereich: Wellenlängen die anregen können, oranger Bereich: Wellenlängen die ausgesendet werden können. Der grüne Strich zeigt eine Anregung durch einen Laser mit einer ganz bestimmten Wellenlänge. In rot ist der Filter dargestellt, der das Anregungslicht blockt, aber das meiste Fluoreszenzlicht durch lässt. Erstellt mit Semrock Searchlight.

Im Bild oben sieht man ein Beispiel für eine Anregung mit Laserlicht einer ganz bestimmten Wellenlänge. Man kann auch eine Lampe benutzen, die weißes Licht aussendet und einen optischen Filter für die Anregung benutzen. Das wird bei den meisten Fluoreszenzmikroskopen auch gemacht. Dann muss man nur einen neuen Filter kaufen, wenn man einen anderen Anregungswellenlängenbereich haben will, und nicht eine komplett neue Lichtquelle. Das Bild oben habe ich mit einem Programm erstellt das in jedem Browser läuft: Searchlight der Firma Semrock, die optische Filter herstellen. Es gibt so eine Anwendung aber auch von life Technologies, den Spectral Viewer. Das sind die beiden Programme, die ich regelmäßig benutze. Von Zeiss**** gibt es auch etwas in der Art, aber das Dinge finde ich nicht sonderlich Benutzerfreundlich und es läuft auch nicht in jedem Browser. Damit kann man mal herum spielen, wenn man möchte, aber jedem, der ein Fluoreszenzmikroskop benutzt, möchte ich ans Herz legen mal seine Farbstoffe und Filter in so einer Software zu betrachten. Vielleicht fällt einem dabei ja auf, dass man durch ein paar hundert Euro Investition die Ergebnisse eines Mikroskops deutlich verbessern könnte – in dem man einen besseren optischen Filter kauft. Bei einem Filterwechsel 10% oder 20% mehr Fluoreszenzlicht zu erhalten, ist keine Seltenheit. Aber sprecht vorher auch mal mit jemandem, die oder der sich auskennt.

Und was ist Phosphoreszenz?

Ich hab versprochen, dass ich noch auf die nachleuchtenden Notausgangschilder und die Feuerwehrhelme eingehe. Dieses Nachleuchten ist keine Fluoreszenz, man nennt es Phosphoreszenz. Das Prinzip ist mit der Fluoreszenz vergleichbar, aber um es zu verstehen brauchen wir tatsächlich ein bisschen Quantenmechanik – die Erklärung mittels trägen Elektronen, die angeregt werden und dann ein Stück vom Kern weg müssen, reicht da leider nicht mehr aus. Elektronen besitzen einen Spin, dass heißt nicht, dass sie sich drehen, sondern es ist eine quantenmechanische Eigenschaft, die einfach einen Namen brauchte, so wie es bei anderen Elementarteilchen auch so lustige Dinge wie Farbladungen gibt, die auch nichts mit Farbe zu tun haben. Der Spin von Elektronen hat, ganz grob erklärt, etwas mit Magnetismus zu tun. Aber der Elektronenspin ist auch wichtig um die Phosphoreszenz, das Nachleuchten, zu verstehen. Das Zurückleuchten der Fluoreszenz funktioniert weil ein Elektronen angeregt wird und dann wieder in den Grundzustand zurück kehrt wobei es ein Photon aussendet. Dieser Prozess läuft sehr schnell ab, im Bereich von Nanosekunden (Milliardstel Sekunden). Bei der Phosphoreszenz passiert nach der Anregung eines Elektron noch etwas anderes: der Elektronenspin ändert seine Richtung. Auf Grund der Quantenmechanik darf das Elektron dann nicht einfach wieder in den Grundzustand zurück, da herrschen strikte Regeln wie das Elektron auszusehen hat. Die Regeln der Quantenmechanik. Wenn sich also der Spin ändert, muss das Elektron in diesem anderen Zustand herum sitzen bis es sich wieder für den “richtigen” Spin entschieden hat. Anders ausgedrückt: Das Elektron bleibt sehr lange in dem angeregten Zustand, in dem es seinen Spin gewechselt hat. Das können einige Sekunden sein, aber auch Stunden. Wenn dann das Elektron in den Grundzustand zurück kehrt, sendet es Licht aus, und dieses Licht bezeichnet man als Phosphoreszenz, weil es lange nach dem Anregungslicht ausgesendet wird. Phosphoreszierende Notausgangsschilder oder Feuerwehrhelme sind also quasi ein Quanteneffekt, den wir mit dem bloßen Auge beobachten können.

Fußnoten:

* auf keinen Fall mit Golgata verwechseln!
** in der Elektronenmikroskopie kann man Eiweiße mit sehr kleinen Goldpartikeln markieren, aber darum soll es hier jetzt nicht gehen, wir reden hier von Farbe!
*** organische Chemie einfach erklärt: Alles wo viel Kohlenstoff (mit Wasserstoff dran) drin vorkommt.
**** Die Software bei Zeiss scheint, zum Zeitpunkt der Verlinkung, auch nicht zu funktionieren.

Kommentare (7)

  1. […] das wäre Phosphoreszenz. Auf die genauen Unterschiede werde ich in einem späteren Blogpost (hier) eingehen, bei dem ich mich mit den verschiedenen, leuchtenden Farbstoffen der Mikroskopie […]

  2. #2 werner
    4. April 2015

    “*** organische Chemie einfach erklärt: Alles wo viel Kohlenstoff drin vorkommt.”
    Fehlt noch “…und Wasserstoff”. So ein Diamant ist mitnichten organisch 😉

    • #3 André Lampe
      8. April 2015

      Ja, da hast du vollkommen recht.

  3. #4 Ludger
    5. April 2015

    Hat man die richtige Färbemethode, bekommt man auch ein ordentliches Ergebnis. Das war schon bei Robert Koch so. Damals waren es Anilinfarben (Fuchsin, Gentianaviolett und andere), die Arbeitsschritte 1.) färben, 2.) entfärben und 3.) gegenfärben. Der entscheidende Schritt bei der Entdeckung war die Entfärbung mit Salzsäure/Alkohol. Herausgekommen ist ein Vorläufer der Ziehl-Neelsen-Färbung und der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 1905.
    Ich habe zu diesem Post etwas bei Wikipedia nachgeschaut und im Zusammenhang mit den Säurefesten Bakterien auch noch eine interessante Fluoreszenz-Färbemethode gefunden:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Auramin-Rhodamin-F%C3%A4rbung

    • #5 André Lampe
      8. April 2015

      Hallo Ludger,

      Ich muss gestehen, dass ich fast immer mit Antikörpern meine Farbstoff in eine Zelle gebracht habe. Das es eine eigene Färbemethode gibt, die die Bindungseigenschaften der Farbstoff selbst benutzt, wusste ich nicht (von DAPI mal abgesehen). Danke für den Hinweis. Ich muss wohl mal was zu den verschiedenen Eigenschaften von Fluoreszenz-Farbstoffen schreiben. Da wird auch sicher der Hinweis auf diese Rhodamine drin vorkommen.

  4. #6 Ludger
    5. April 2015

    Hallo André!
    Der Spamfilter ist m.E. zu streng eingestellt und blockiert erst mal alles. Das hemmt natürlich den Gedankenaustausch massiv.
    LG Ludger

    • #7 André Lampe
      8. April 2015

      Hallo Ludger!

      Danke für den Hinweis. Irgendwas funktioniert nicht mit den Voreinstellung – hab auch keine eMails mehr bekommen, dass da Kommentare warten. Ich gelobe Besserung!