Und es geht noch weiter…

Es wird schon recht deutlich, dass ich nicht gerade der größte Fan der traditionellen, wissenschaftlichen Verlage bin. Ich möchte allerdings nicht das Fass auf machen, in dem die Themenbereiche open access, open peer review, Kritik am impact factor oder andere Reformen des wissenschaftlichen Publikationssystems herum schwimmen. Nicht unerwähnt lassen will ich aber eine Studie der Max-Planck Gesellschaft, wie eine flächendeckende, kostenneutrale Umstellung auf open access möglich wäre. Wie man also das System umstellt und nur beim Artikel einreichen bezahlt und diese Artikel dann für jeden frei zugänglich sind. Aber ich hab ja begonnen mit der Rede von Julia Reda, und dort ging es um die Reform des Copyright auf der EU Ebene.

Der Copyright Report von Julia Reda macht einige tolle Vorschläge wie das Copyright und das Urheberrecht in der kompletten EU angeglichen werden kann. Über Details davon lässt sich sicher noch streiten, und ich will da auch nicht auf alles eingehen. Wichtig für die Wissenschaft sind darin vor allem die Passagen über Ausnahmen für Text- und Data-Mining, Ausnahmen für Forschung und Bildung, das Vereinfachen von online-Projekten über Ländergrenzen in der EU, neue Ausnahmeregelungen für Archive und Bibliotheken, der Schutz von gemeinfreien Werken, der Schutz von Rechten gegen vertragliche Ausnahmeregelungen und die Einführung von Benutzer-Rechten. Jeder dieser Punkte hat teilweise große Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Wissenschaft. Kooperation von Forschungsgruppen über Ländergrenzen hinweg, genug Rechte an Unterrichtsmaterial zu haben um neue Wissenschaftler effektiv auszubilden und auf der Höhe der Forschung zu bleiben, damit man nicht an etwas Arbeitet, dass schon aufgeklärt wurde (zum Beispiel im Feld der seltenen Krankheiten), wären hier nur ein paar Beispiele.

Gewinne sind in Gefahr

Viele Punkte aus der vorgeschlagenen Reform des Copyright wären für das Wissenschaftssystem sehr hilfreich, und damit auch nicht zuletzt für jeden Menschen. Aber das würde für wissenschaftliche Verlage an vielen Stellen zu Gewinneinbußen führen, und sie könnten nicht mit den bisherigen Raten von Jahr zu Jahr wachsen. Daher betreiben sie, mit anderen Verlagen zusammen, eine massive Lobbyarbeit um diese vorgeschlagenen Reformen in ihrem Sinne zu ändern. Eine recht prominente Publikation in dieser Richtung heißt 2015: The end of copyright? Taking for free is stealing vom französischen Verlegerverbands Syndicat national de l’édition (SNE) zu dem auch wissenschaftliche Verlage gehören. Diese Veröffentlichung liegt übrigens, in einer Auflage von 50.000 Stück, gratis in französischen Buchhandlungen aus. Das ist, angesichts des Titels, schon ein bisschen lustig, allerdings ist der Inhalt weit entfernt von humoristisch Erheiterndem.

Es geht los mit der Aussage, dass diese Copyright Reform dafür sorgen würde die kreative Vielfalt und die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Schreckensbilder von multinationalen Konzernen und militanten Freiheitsdenkern werden an die Wand gemalt. Es wird behauptet, dass die EU-Kommission das Copyright als überholt und antidemokratisch ansieht. In diesem Zusammenhang ist die Nennung von Elsevier, selbst ein multinationaler Konzern, besonders bemerkenswert, denn er wird als leuchtendes Beispiel für die Förderung des Allgemeinwohls ins Feld geführt. Ich denke, dass ich oben genug Quellen verlinkt habe um festzustellen, dass dies mehr als fragwürdig ist.

Drei Beispiele für Kritik aus “Taking for free is stealing”:

  • Die Einführung einer Bildungsschranke, also dass für die Ausbildung Kopien von Büchern oder Unterrichtsmaterialien angefertigt werden dürfen. Verglichen wird dies dann mit einer Forderung nach gratis Strom für Schulen und Universitäten – woran ich eigentlich wenig auszusetzen hätte. Es wird hier so getan, als ob dadurch keine Bücher mehr für die Bildung verkauft werden würden, was nun wirklich nicht stimmt.
  • Der Vorschlag E-Books verleihen zu können. Es könne nicht angehen, dass alle Nutzer einer Bibliothek einfach Zugriff auf die eingekauften E-Books dieser Einrichtung haben, man könne dann auch gleich Raubkopien legalisieren, wird dort geschrieben. Ignoriert wird vollkommen, dass ja niemand davon gesprochen hat, dass diese Leistungen umsonst sein müssen. Aber es ist natürlich ein verlockendes Geschäftsmodell: Wenn das E-Book einmal fertig ist, kostet das Kopieren den Verlag keinen Pfennig.
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Kommentare (2)

  1. #1 André Lampe
    20. September 2015

    Dieser Artikel wurde am 20. September veröffentlicht.

  2. #2 Sepp
    21. September 2015

    Jaja, das Wissen der Menschheit, verkauft zu fairen Preisen…
    Es läuft einiges falsch.

    Elsevier zu boykottieren war gut, um die Diskussion anzustoßen. Immer mehr Journals bieten Open Access an, was schon mal der Schritt in die richtige Richtung ist. Aber es geht ums Geld. Die etablierten Verlage lachen sich doch schlapp: Steuerzahler zahlen die Forschung sowie die Gebühr zum Veröffentlichen und Lesen der Artikel. Es wird viel, viel Geld aus dem System gezogen. Keine Firma würde kampflos ein so profitables Modell einstellen.

    Es gibt leider aber auch jede Menge zwielichtige “Online only” Open Access Journals, die wie Pilze aus dem Boden sprießen und einfach nur die Hand aufhalten. Ich bekomme oft Anfragen, als „Guest-Editor“ zu einem Thema meiner Wahl (sic) Leute zum Submitten einzuladen, die dann 1000 – 2000 € berappen dürfen. Manche Journals machen sich noch nicht einmal mehr die Arbeit, den Artikel zu formatieren und für eine übersichtliche Darstellung der Ergebnisse zu sorgen.

    Welche wirtschaftliche Bedeutung das Urheberrecht haben kann, hat Eckhard Höffner dargestellt: Im 19. Jahrhundert entstand in Deutschland, welches noch zu den Agrarstaaten gehörte, eine Gründernation durch die Verfügbarmachung des Wissens [1].

    Zu guter Letzt noch eine Idee: warum gründen die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Bibliotheken Deutschlands bzw. Europas nicht eigene Verlage / Journals? Online only mit Peer Review (den die etablierten Verlage noch nicht einmal bezahlen!). Das Wissenschaftssystem liefert schon potentielle Editoren, i.e. Wissenschaftler — wäre eine Perspektive für all jene, die der Wissenschaft treu bleiben wollen. Diese haben gelernt Texte zu schreiben, zu formatieren, Abbildungen zu editieren etc… Die Bibliotheken würden sich die teuren Abos sparen. Dafür muss aber ein großer Ruck durch die Wissenschaftslandschaft gehen.

    [1] https://www.spiegel.de/spiegel/a-709761.html