Am Freitag, den 29. Juni 2018 wird ein Mikroskop zur Internationalen Raumstation fliegen. Die “Commercial Resupply Service Mission 15” (SpaceX CRS-15) wird, unter anderem, das FLUMIAS Demonstrator Experiment zu Alexander Gerst in den Orbit befördern. Das Experiment gehört zur ISS horizons Mission des DLR – die Fragestellung zum Experiment lautet: Funktioniert es, auf der ISS, von lebenden Zellen Fluoreszenz-Bilder mit einem automatisierten Mikroskop zu machen?

FLUMIAS Demonstrator, mit freundlicher Genehmigung des DLR.

FLUMIAS Demonstrator, mit freundlicher Genehmigung des DLR.

Ich war schwer begeistert, als ich zum ersten Mal davon gelesen habe. Ein Mikroskop auf der ISS! Da es leider online nicht so viele Informationen gibt, habe ich mich an das DLR gewandt um aus erster Hand mehr über FLUMIAS zu erfahren. Das hat großartig funktioniert, siehe Danksagung am Ende des Textes. Entwickelt und gebaut wurde das Gerät von der Firma TILL I.D. (Anpassung für den Einsatz auf der ISS & Projektleitung durch Airbus D&S) und die wissenschaftliche Seite wird von der Arbeitsgruppe um Prof. Ullrich an der Uni Magdeburg betreut.

Warum?

Bevor ich in die Details einsteige, was dort untersucht werden soll und wie das Mikroskop technisch funktioniert, ein kurzer Überblick dazu, warum ein Mikroskop zur ISS fliegt.

Wir wissen schon sehr sehr viel über die verschiedensten Zelltypen – größtenteils allerdings von Proben, die auf Glas aufgewachsen sind, und immer unter Einfluss der Schwerkraft. Auf der Erde können wir in Falltürmen für kurze Zeit “Schwerelosigkeit” auf eine Probe wirken lassen, bei Parabelflügen teilweise einige Dutzend Sekunden. In diesen kurzen Zeitspannen hat man bereits Reaktionen und teilweise komplette Anpassungen nach 42s nachgewiesen. Folglich will man nun Untersuchungen in längeren Phasen der Schwerelosigkeit durchführen. Mit dem Mikroskop auf der ISS soll die Morphologie von Zellen in der Schwerelosigkeit untersucht werden, also wie sich das Zytoskelett, die einzelnen Bestandteil der Zelle (Organellen) und die Membranen verhalten. Auch soll untersucht werden, ob sich Eiweiße in der Zelle in anderen Bereichen sammeln, anders verteilen und ob und wie sie miteinander interagieren, im Vergleich zu Zellen auf der Erde. Schließlich soll auch untersucht werden, ob es auf zellulärer Ebene Prozesse gibt, die durch Schwerkraft überhaupt erst ausgelöst werden. All das wird dazu beitragen, Zellen und deren innere Prozesse besser zu verstehen – schließlich wird das Mikroskop Live-Bilder liefern, also räumlich-zeitliche Daten unter Schwerelosigkeit.

Anforderungen an das Mikroskop

FLUMIAS Demonstrator in seiner Transportverpackung, mit freundlicher Genehmigung von TIL I.D. GmbH

FLUMIAS Demonstrator in seiner Transportverpackung, mit freundlicher Genehmigung von TILL I.D. GmbH

Leider gibt es kein Mikroskop das man kaufen und dann auf die ISS schicken kann. Man merkt hier auf der Erde oft gar nicht, wie sehr uns die Schwerkraft dabei hilft Ordnung zu halten und Dinge zu benutzen. Beispielsweise dürfen auf der ISS keine Objektträger und Deckgläschen aus Glas benutzt werden – denn wenn diese kaputt gehen, warum auch immer, fliegen scharfkantige Scherben durch die ISS und fallen nicht einfach nur auf den Boden wie bei uns auf der Erde. Dasselbe gilt für Schmiermittel, zum Beispiel um die Höhenverstellung oder die Schärfe eines Mikroskops zu steuern, Flüssigkeiten wie Immersionsöl für bestimmte Objektive, und die einzelnen Teile des Mikroskops müssen auch besonders verkapselt werden. Sollte ein Fluoreszenzfilter brechen, oder eine Linse, haben wir wieder das gleiche, gefährliche Szenario der herum schwebenden Scherben wie bei den Objektträgern. Allein schon wegen dieser Gründe musste das Mikroskop dafür neu “erfunden” werden, um es auch auf der ISS gefahrlos benutzen zu können.

Aber es gibt nicht nur Sicherheitsregeln, die erfüllt werden müssen, sondern auch Anforderungen daran, was das Mikroskop können muss. Um einzelne Eiweiße in der Zelle beobachten zu können, müssen die Zellen erst einmal am Leben gehalten werden. Eiweiße, die man beobachten will, müssen mit Fluoreszenz-Farbstoffen markiert werden; die Zellen sollten in 3D abgebildet werden können und die Bedienung sollte zum großen Teil automatisch erfolgen – die Besatzung der ISS hat ja noch mehr zu tun.

Und natürlich wäre es praktisch, einen direkten Vergleich zur Erde auch auf der ISS zu haben, also vielleicht “Schwerkraft zum Anschalten”. Dazu ist eine Zentrifuge geplant, welche die Probe dann verschiedenen Beschleunigungen aussetzen kann, über eine längere Zeit. Diese Zentrifuge ist beim FLUMIAS Demonstrator noch nicht dabei – erst will man sicher gehen, dass das Mikroskop auch einwandfrei funktioniert (siehe “Demonstrator” ;-)).

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Kommentare (5)

  1. #1 Michael
    29. Juni 2018

    “Funktioniert es, auf der ISS, von lebenden Zellen Fluoreszenz-Bilder mit einem automatisierten Mikroskop zu machen?”

    Wieder einmal übernimmt ein herausragendes Forscherteam der bemannte Raumfahrt die Lösung eines Problems, das die Welt seit Jahrtausenden bewegt.

    Vorschau: Nächste Woche wird vom gleichen Forscherteam untersucht, ob eine Teflonpfanne auf der ISS zum Zubereiten bretonischer Eierkuchen geeignet ist.

    • #2 André Lampe
      29. Juni 2018

      Herzlichen Dank für diesen konstruktiven Kommentar.

  2. #3 wereatheist
    29. Juni 2018

    Der gute Michael hat offensichtlich einen Brast auf die Raumfahrt, insbesondere auf die bemannte.
    Ich selbst bin auch kein Fan der bemannten Raumfahrt (zuwenig bang for the buck), aber in diesem Fall passt es schon: da die Daten zuviel für eine Übertragung per EM-Spektrum werden (kein Wunder bei detaillierten 3D-Aufnahmen von vielen Zellen), ist es schon gut, eine Station zu haben, die regelmäßig angeflogen wird.
    Ich winke gerne der ISS zu, wenn sie sich mal wieder über Berlin sehen lässt 🙂
    Und ob sie sich sehen lässt, erfährt man z.B. hier.

  3. #4 michael
    29. Juni 2018

    Ist die ISS-Mission nicht 2024 beendet? Wieviele Experimente mit einem Mikroskop kann man denn dann noch machen?

    • #5 André Lampe
      29. Juni 2018

      Hallo Michael,
      so weit ich weiß ist erstmal bis 2024 der Betrieb von allen Seiten weiter geplant und Mittel zugesichert – was nicht heißt, dass es zwingend 2024 ein Ende hat. Aber zu deiner Frage: Wenn die letzte Ausbaustufe von FLUMIAS 2020 hoch geht, dann sind dort Kapazitäten für 6 verschiedene Experimente-Blöcke vorhanden. Diese könnten dann mit jeder resupply mission theoretisch ausgetauscht werden. Also bestimmt einige dutzend Experiment-Blöcke bis 2024. Wobei man auch dazu sagen muss, dass in einem Experiment-Block a) nicht zwangsläufig nur eine Probe sein muss, mehrere sind sogar fest eingeplant und b) lange Messungen von lebenden Zellen so viele Bild-Daten liefern, dass man da nicht von einem einzelnen Experiment sprechen sollte – das würde der Sache nicht gerecht werden. Zumal große Teile der Datennahme automatisch gestaltet werden sollen. Aber ich werde mir deine Frage merken. Bestimmt gibt es bald einen weiteren Artikel zu den ersten Ergebnissen und ein bisschen mehr zur Biologie – da werde ich dann versuchen auch darauf näher einzugehen.

      Liebe Grüße, André