i-224979287bc0741c790579d3387031c5-Risiko_Nanotechnik.jpgWie riskant ist Nanotechnik tatsächlich? Wurde das Risikopotential der winzig kleinen Teilchen in Lebensmitteln, Kleidung und dutzenden weiteren Produkten unterschätzt? Es ist durchaus möglich, daß der heutige Tag eine Trendwende in der Karriere der Nanotechnologie markiert. Denn heute sorgt eine aktuelle Überblicksstudie des Umweltbundesamts für Schlagzeilen. Dessen Experten weisen auf ungeklärte Risiken der Nanotechnologie hin und empfehlen schließlich sogar Nanoprodukte zu vermeiden.

Wer sich mit dem Risikopotential von Nanomaterialien beschäftigt, der kann über die Einschätzung der UBA-Experten kaum überrascht sein. Schließlich werden in Fachkreisen seit vielen Jahren mögliche gesundheitliche und ökologische Gefahrenpotentiale im Zusammenhang mit dem industriellen Einsatz von nanoskaligen Teilchen diskutiert. Überraschend ist vielmehr, daß die Nanotechnologie bis heute ein ausgesprochen positives Image genießt. Doch das könnte sich nun – nach solchen Berichten wie in der SZ – allmählich ändern.

Schließlich ist die aktuelle Studie in ihrer Schlußfolgerung durchaus klar formuliert; im Bericht (“Nanotechnik für Mensch und Umwelt“) heißt es:

“Das Umweltbundesamt empfiehlt weiterhin, die Verwendung von Produkten, die Nanomaterialien enthalten oder frei setzen können, im Sinne eines vorsorgenden Umweltschutzes so lange zu vermeiden, als ihre Wirkungen in der Umwelt und auf die menschliche Gesundheit noch weitgehend unbekannt sind.”


Das Nicht-Wissen der Experten

Diese Empfehlung ist allerdings – darüber sollte man sich im Klaren sein – keineswegs mit einer abschließenden Beurteilung des nanotechnologischen Gefahrenpotentials zu verwechseln. Das Expertenstatement ist kaum anderes als das Eingeständnis von Unwissenheit, es ist die Formulierung des Unbehagens über die eigene Ahnungslosigkeit.

Denn auch der aktuelle Stand der Forschung erlaubt keine zuverlässige Aussage, über die (möglicherweise) negativen Effekte der Nanotechnologie. Auf der einen Seite gibt es inzwischen viele hundert Produkte und Anwendungen, bei denen Nanopartikel zum Einsatz kommen. Vom Ketchup, das durch Nanopartikel bessere Fließeigenschaften bekommt, über antibakterielle Beschichtungen von Küchenutensilien bis zu den bekannten Socken, die durch Nano-Silber antibakteriell und damit gegen Schweißgeruch wirken sollen.

Auf der anderen Seite gibt es viele Studien, die zeigen, daß Nanopartikel prinzipiell schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können. Da gibt es Arbeiten der Toxikologin Bellina Veronesi, die mehrmals nachgewiesen hat, daß Titandioxidpartikel (zumindest im Reaganzglas) Mäuse- oder Rattenhirnzellen schädigen können.1 Oder etwa die Arbeiten Ken Donaldsons, der zeigen konnte, daß sogenannte Nano-Tubes (winzig kleine, aus einzelnen Kohlenstoffatomen zusammengesetzte Röhrchen) ähnlich wie Asbest wirken und Krebs auslösen können.2

Wir setzen Nanotechnik zigtausendfach ein, ohne wirklich abschätzen zu können, welche Auswirkung sie hat.

Zusammenfassend läßt sich nur feststellen: wir setzen Nanotechnik zigtausendfach ein, ohne wirklich abschätzen zu können, welche Auswirkung sie hat. Und dieses Dilemma wird nicht geringer, solange die Hersteller (was das UBA auch bemängelt) ihre internen Studiendaten und Risikoanalysen nicht herausrücken. Im Grunde ist das sowieso ein unhaltbarer Zustand.

Es wird allerhöchste Zeit, daß die Anstrengungen zur wissenschaftlichen Risikobewertung der Nanotechnologie intensiviert werden. Das kostet natürlich Geld. Aber die enormen Chancen, die einige nanotechnologische Anwendungsfelder versprechen, sollten eine solche Investition längst rechtfertigen.

Der Nanotechnologie droht das Schicksal der Gentechnik

Sollte es in den nächsten Jahren nicht gelingen, eine saubere und vertrauenswürdige Risikoabschätzung für die Nanotechnik vorzulegen (in deren Verlauf sicherlich manche Anwendungsbereiche als zu riskant verworfen, andere als unbedenklich eingestuft werden können), dann könnten Meldungen wie heute den Anfang vom Ende einer vielseitigen Technologie bedeuten. Die Gentechnologie – die in der Öffentlichkeit meist pauschal als Risikotechnik wahrgenommen wird – sollte Warnung genug sein…

* Die Nanotechnologie befasst sich mit Strukturen und molekularen Materialien, die kleiner als 100nm sind. 1 Nanometer ist 1 Millionstel Millimeter, oder: 0,000 001 mm.

1 vgl. Thomas C. Long, Bellina Veronesi et. al.: Nanosize Titanium Dioxide Stimulates Reactive Oxygen Species in Brain Microglia and Damages Neurons in Vitro, Environmental Health Perspectives Volume 115, Number 11, November 2007

2 vgl. Sanderson: Carbon nanotubes: the new asbestos?, nature, 2008, doi:10.1038/news.2008.845

Kommentare (9)

  1. #1 olchemist
    Oktober 21, 2009

    “Das Expertenstatement ist kaum anderes als das Eingeständnis von Unwissenheit, es ist die Formulierung des Unbehagens über die eigene Ahnungslosigkeit.”

    Ist ja auch logisch, denn “nano” sagt ja überhaupt nichts aus. Das ist ungefähr so als ob man pauschal sagen sollte ob Pflanzen oder Flüssigkeiten schädlich sind oder nicht. Im Zweifelsfall isst der Bauer eben nur das was er kennt. Es wäre doch ziemlich überraschend, wenn alles was mit dem Modewort “nano” beklebt wird unbedenklich wäre.

    Es ist schon lange Zeit endlich mal differenzierter hinzuschauen, aber für den Journalismus ist das ja zu Komplex. Die Trottel machen lieber aus gefährlichem Halbwissen Panik.

    Im Grunde ist die Wissenschaft aber auch selbst schuld, wenn sie Begriffe wie Gentechnik und Nanotechnologie als hohle Marken hyped. Das entbehrt dann jeder vernünftigen Grundlage und die resultierende heiße Luft wird dann zum Spielball der Medien.

    Genug jetzt, sonst rege ich mich am Ende noch auf!

  2. #2 Jörg Friedrich
    Oktober 21, 2009

    @olchemist: Bevor du dich aufregst (worüber eigentlich genau) solltest du die verlinkte Hintergrundstudie des UBA lesen. Dann würdest du feststellen, dass “Nano” eben doch etwas aussagt, was gesundheitsrelevant ist: Nämlich die Tatsache, dass die Teilchen dieser Größenordnung so klein sind, dass sie die normalen Abwehrsysteme des Körpers einfach durchdringen. Sie gelangen tiefer in den Körper als andere Fremdkörper, z.B. durch die Nase über den Riechnerv ins Gehirn.

    Deshalb ist es ja wohl richtig zu verlangen, dass vor der Freigabe sehr intensiv an solchen Auswirkungen geforscht wird. Wir wollen ja wohl nicht noch mal das gleiche erleben wie beim Verbrennungsmotor, oder? Und mehr verlangt dieser Artikel nicht.

  3. #3 Christoph
    Oktober 21, 2009

    Auch wenn ich gewisse Fachartikel zur Nanotechnologie verfolge, mal eine Frage an Experten. Kommen eigentlich Partikel in Nanogröße gar nicht in der Realität vor? Bei Nanotubes sollte die Antwort klar sein, aber bei dem erwähnten Socken-Silber vielleicht nicht.
    Sprich, gab es Nanopartikel schon immer, nur durch die Nanotechnologie in höherer Konzentration, oder sind grundsätzlich alle diese Partikel “unnatürlich” und ihr Einfluss daher unbekannt?

  4. #4 olchemist
    Oktober 21, 2009

    @Jörg: Da habe ich mich wohl missverständlich aufgeregt. Selbstverständlich muss man neue Zusatzstoffe untersuchen bevor man sie freigibt. Aber nicht weil sie NANO sind, sondern einfach weil.

    Mich stört der Oberbegriff NANO. Punkt. Wie Du richtig bemerkt hast geht es dabei um die Größenordnung der Teilchen. Jetzt kann man aber nicht einfach alles über einen Kamm scheren und das Wort NANO draufkleben, weil es sehr wohl auch darauf ankommt aus was die Teilchen bestehen. Es ist auch nicht möglich das magische NANO zu untersuchen um dann am Ende zu sagen: Is gut, oder schlecht.

    Es ist doch Quatsch jetzt eine Studie herauszubringen und zu sagen, dass NANO auch gesundheitsschädlich sein KANN. Es ist ja hoffentlich jedem klar, dass es sowohl Nanopartikel gibt, die gefährlich sind, als auch unbedenkliche. Ein Nanowassertropfen ist unbedenklich, trotz seiner Größe.

    Im Grunde war übrigens die Feinstaubdiskussion schon NANO.

  5. #5 Marc Scheloske
    Oktober 21, 2009

    @Olchemist:

    Ja, Jein. Es stimmt natürlich vollkommen, daß mit dem Etikett “Nano-” ganz verschiedene Dinge in einen Topf geworfen werden. Äpfel, Birnen und mehr. Weil das so ist, habe ich oben einige Beispiele angeführt und ja eben auch meine Einschätzung formuliert, daß (bei eingehender Prüfung) manches tatsächlich als riskant einzustufen ist, anderes sich als vollkommen unbedenklich erweisen wird.

    Das Problem ist einfach – Du schreibst es ja selbst – , daß eben auch die Wissenschaft selbst das Schlagwort “Nanotechnologie” in den letzten Jahren eifrig genutzt hat. Daß dann in den Medien ebenfalls kaum differenziert wird, ist dann weniger verwunderlich.

    Insofern bin ich ein wenig skeptisch, ob in der allgemeinen Wahrnehmung hier wirklich differenziert wird. Zu wünschen wäre es, da sind wir uns wohl auch alle einig.

  6. #6 Franz Bayer
    Oktober 22, 2009

    Zum Thema habe ich eine weitere interessante Studie gefunden:

    https://www.lanuv.nrw.de/veroeffentlichungen/fachberichte/fabe16/fabe16.pdf

    Ich selbst bin ein großer Anhänger der Nanotechnologie, weil ich denke, dass sie eine der erfolgversprechendsten Schlüsseltechnologien darstellt. Dennoch bin ich dagegen, dass etwa Nanopartikel ohne intensive Studien leichtfertig in Produkten für Konsumenten Anwendung finden, wie dies leider schon geschieht. Das beste Beispiel hierfür ist ja gerade die Verwendung von TiO2-Nanopartikeln etwa in Sonnencremes. Denn es sind tatsächlich erst die neuen Studien, die vermuten lassen, dass diese TiO2-Partikel karzinogen wirken (leider habe ich eine Studie hierzu gerade nicht zur Hand; der o.a. Link enthält aber auch Informationen hierzu). Ist doch dumm, wenn so etwas erst NACH der Verbreitung auffällt, oder? Derzeit fehlen hier eindeutig noch Mechanismen zur Validierung der Verwendbarkeit.

  7. #7 Freeman
    Dezember 7, 2009

    Die Nanodebatte hat einige Geburtsfehler und selbst bei Fachleuten lassen sich unpräzise Denkweisen und Irrtümer beobachten.
Dem steht eine beunruhigte Öffentlichkeit gegenüber, die sich zwar gerne wissenschaftlicher Versatzstücke für eigene Überlegungen bedient, ohne sich aber den
seit Jahrhunderten bewährten Regeln und Ansprüchen wissenschaftlicher Methodik umfänglich unterwerfen zu wollen. Das geht dann soweit, dass man sich
 mit dem Hinweis auf ein eh zur Verschwörerseite zählendes wissenschaftliches Establishment bereits hinreichend geadelt und legitimiert betrachtet. Und so geschieht das Unvermeidliche: Was in der öffentlichen Debatte seitens Naturwissenschaftlern als Anmahnung eines doch bitte hinreichenden Mindeststandards 
vorgetragen wird, gerinnt in der Wahrnehmung von Laien als Indiz für eine weitere Weltverschwörung mit dem einzigen Zweck, die
Aufklärung der doch schon längst als Realität antizipierten Nanorisiken zu verhindern.

    Die Kronzeugen, zumal wenn sie nicht vom Fach sind oder selbsternannte Experten, entpuppen sich als oft unzureichend gewappnet und ausgebildet: Die Kritik daran wird aber sofort als untrüglicher
 Beweis einer manipulierten Öffentlichkeit gesehen, dafür dass hier etwas faul ist und etwas verschwiegen werden soll. Eine sachliche Debatte ist so nicht möglich.
 Andererseits garantieren auch Arbeiten, die in Peer-reviewed Journals (der Fachpresse also) veröffentlicht wurden, nicht automatisch gute Wissenschaft und logische Denkweise.

    Nicht immer wird die Präzision der Begriffsbildung erreicht, die man sich für Wissenschaftler aber auch für die staunende und besorgte Öffentlichkeit wünscht. 
Ein Partikel allein auf Grund seiner Dimensionierung, unabhängig von dessen charakteristischer Stoffchemie, hohes Gefahrenrisiko zu unterstellen, mutet seltsam an, weil
die Dimensionierung allein dazu vielleicht hilfreich aber bei weitem nicht dazu ausreichend ist. Wer einer Zentimetertechnologie aufsitzt, die so gefährliche Gegenstände wie
Kampfmesser, Patrone, Revolver, Handgranate und Wurfstern hervorbringt, kann natürlich daraus folgern, das Zentimetertechnologie und Zentipartikel folglich unbekannte und lebensbedrohliche
Risiken birgt. Er würde wie in der Nanodebatte auf ein Moratorium bei der Verwendung von Zentimeterpartikeln beharren. Und müsste eigener Logik folgend
auch Wattebäuschchen, Wollhandschuhen oder Socken ähnliche Vorabrisiken unterstellen. An dem Beispiel wird deutlich, dass eine bloße Verortung über
die Dimensionierung eines Gegenstandes für Risikobetrachtungen völlig unzureichend und irreführend ist.

    Die Nanodebatte hat aber schon soviel Wortgeklingel und Eigendynamik
entwickelt, dass man hier den Pauschalverdacht vor allem anderen stellt. Realistischer wäre zu erwarten, dass viele Nanopartikel weitgehend gesundheitlich
 unauffällig bleiben, andere aber sich durchaus als gefährliche entpuppen. Die gedankliche Fokussierung auf eine Größendebatte ist indes vollkommen unzulänglich.Sie läßt zudem geflissentlich außer Acht, dass es seit jeher schon Nanopartikel gab, angefangen von Dispersionkolloiden in der Farbindustrie bishin zum seit mehr als 3000 Jahren angewandtem Blattgold. Sind damit alle Nanomaterialien bereits freigesprochen ? Mitnichten ! Aber sie sind auch nicht automatisch todbringend oder gefährlich.


    Umso überraschender, wenn Expertengremien von den europäischen Regierungen oder der EU Kommission fordern, es müssten neue in vitro Methoden zum Nachweis einer 
nanotoxikologischen Wirkung etabliert werden. Neue Methoden sind in der Tat notwendig. Was aber droht sind gefährliche Zirkelschlüsse: Bevor wir schon wissen, was die nanospezifischen Risiken sind,
werden schon Tests verlangt, die diese Risiken und die Ergebnisse die man erst noch entdecken will, im Grunde schon – es eilt -antizipieren müssen. Es wird auch ab und an schwierig werden, die skalierungsunabhängigen 
toxikologischen Erscheinungen sauber von jenen zu trennen, die sich ausschließlich in der Nanowelt zeigen.
 Das neu ausgerufene Arbeitsgebiet “Nanotoxikologie” ist in analoger Weise ein Begriff, der bereits voraussetzt und antizipiert, was er eigentlich erst noch beweisen soll. Zudem, auch das ist Wissenschaft, eine neue Gelegenheit Forschungsgelder einzuwerben und ökologische Nischen zu besetzen. Und, so mit dem raschen Wort auf den 
Lippen, ist der Zweifel an Richtigkeit und Umfang des Begriffes “Nanotoxikologie” bereits ein Sündenfall in der veröffentlichten Meinung.
    Der Risikoforschung wäre aber mehr gedient, wenn sie sich der eigenen Wortmagie weniger bereitwillig in die Arme wirft.
 Dabei wird es sehr wichtig sein, die verwendeten Tests unter Bedingungen durchzuführen, wo zweifelsfrei gesichert ist, daß die untersuchten Teilchen tatsächlich in der beabsichtigten Größe und Form vorliegen.
Sind dann die Tests am Ende nicht adäquat, wird man sie dennoch wie ein Prokrustesbett aufstellen, und die Wirklichkeit
 daran zu beugen. Und nanoriskant ist, was den Test nicht besteht. Ob er nun ein guter Test ist oder nicht. Das mag nicht neu sein in der Wissenschaftsgeschichte. Ein Sündenfall ist es aber allemal.

  8. #8 olchemsist
    Dezember 7, 2009

    Sehr guter Kommentar, Herr (Frau?) Freeman.

    Weiterführend zur Problematik emotional bzw. politisch aufgeladener Forschung (allerdings am Thema Klima): https://wavefunction.fieldofscience.com/2009/12/damning-global-warming-emails-when.html

  9. #9 peter
    Mai 24, 2012

    ich blase gerne auf meiner flöte wer hilft mir die flüssig keit aus der flöte zu kriegen eustee