Am letzten Wochenende war ich in Bremen. Was ich bei der Planung nicht bedacht hatte: Der halbe Bundestag hatte die gleiche Idee, Bremen feierte die deutsche Einheit. Und deswegen waren auch gefühlte 200.000 Besucher und nochmal so viele Polizisten und Scharfschützen vor Ort. Egal, ich bin dem Trubel weitesgehend aus dem Weg gegangen.
Das erste Refugium dazu war das Überseemuseum, direkt am Hauptbahnhof gelegen.
Das Haus alleine symbolisiert schon: Das ist ein Museum-Museum. Ganz klassisch, Exponate zum Angucken, ohne das jetzt damit abwerten zu wollen!
Im Foyer hängt ein Wal-Skelett und dahinter ist die erste Halle zu sehen. “In 80 Minuten um die Welt” haben sie diese Dauerausstellung genannt, die ein paar der größeren Exponate in einem gewissen Zusammenhang einreiht. Und genau hier bin ich das erste Mal ins Stolpern geraten, dieser rote Faden, der die ganze Exponate auch nur irgendwie verbindet, der wurde (mir) nicht immer so wirklich deutlich.
Wenn man sich die Geschichte des Museums anguckt, wird deutlich, warum.
Angefangen hat es mit einer “Naturaliensammlung”, u.a. mit verschiedensten ausgestopften Tieren, danach erweitert um einen Völkerkundlichen Teil und letztlich noch die Handelsstadt Bremen als thematischer Schwerpunkt. Heute sind diese historischen Standbeine mehr oder weniger gut verknüpft, aber immer noch deutlich erkennbar.
Und so gibt es neben den ausgestopften Giraffen, Nashörnern und Tigern noch allerlei Exponate zu dem Alltag fremder Völker in Afrika, Ozeanien und Asien, garniert mit etwas Hafen- und Hansestadt.
Ein großer Vorteil des ganzen Trubels im restlichen Bremen: Es war quasi leer im Museum, vermutlich waren mehr Mitarbeiter als Besucher in den Räumen. Nachdem ich mir in aller Ruhe die einzelnen Themenwelten angeguckt hatte, nahm ich mir das Schaumagazin vor.
Unzählige Vitrinen mit eingelegten Tieren, Schubladen voller getrockneter Farne, Pilzen und aller möglicher anderer Pflanzen. Auf den ersten Blick ist es eigentlich recht pervers, sich einen ausgestopften Kakapo anzugucken. Andererseits sind diese Ausstellungsstücke teilweise mehrere Jahrhunderte alt, es war damals halt so üblich. Und hier finde ich die aufgespießten Schmetterlinge “sinnvoll”, werden sie hier doch für ein großes Publikum zugänglich gemacht (Wirklich geschmacklos finde ich solche Trophäen auf dem Weihnachtsmarkt!). Neben dieser unglaublich großen Sammlung an konservierten Organismen gibt es noch den schon angesprochenen Rest der Sammlungen. Völkerkunde zum Anfassengucken. Angefangen bei afrikanische Trommeln über chinesische Löffel bis hin zu polynesische Muschelketten. Es versteht sich, das jeweils mindestens ein halber Raum damit gefüllt ist. Die Urgründer des Museum waren definitiv Koloniale Messis. Ich habe diese Reizüberflutung langsam auf mich wirken lassen und bin durch die Räume gewandert.
Ein wirklicher Vorteil dieser Sammelwut: In der Daueraustellung Evolution waren sehr gute Exponate, wie man sie sonst immer nur als Schaubild kennt. Etwa das Beispiel Mimikry: Neben den gefährlichen Wespen waren hier die ganzen Nachahmer aufgespießt. Und auch das Paradebeispiel der Birkenspanner mit dem Industriemelanismus ist hier sehr eindrucksvoll mit etwa 20 aufgespießten Exemplaren in verschiedenen Schattierungen dargestellt. Jeder kann sich hier die Nase platt drücken und sich Evolution in natura angucken, viel besser als Abbildungen und Bilder in noch so guten Büchern. Gelungen fand ich auch den Vergleich der verschiedenen Schnäbel, noch so ein Standard-Lehrbuch-Schaubild, aber eben in echt.
Unterm Strich kann ich das Überseemuseum nur empfehlen, eben ein klassisches, ruhiges und entspanntes Museum. In der Schaukasten-Messi-Sammlung verbirgt sich laut Homepage sogar ein Flohzirkus, habe ich wohl übersehen.
Als Kontrast war ich dann noch im Universum, aber dazu später in einem eigenen Beitrag mehr.
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