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Das ist so eine Sache mit der Wissenschaftskommunikation. Man ist ja mal froh, wenn überhaupt wissenschaftliche Themen es bis in die großen Publikumsmedien schaffen. Zu oft wird es dann sehr reißerisch, beim CERN werden dann “Gottesteilchen” gesucht oder Katzen (und andere Tiere) “leuchten”.

Nur selten, viel zu selten wird der Wissenschaftsprozess als solches beleuchtet. WIE wird denn eigentlich Forschung gemacht? (Wissenschaftler selbst geraten fast nie in den Mittelpunkt einer Berichterstattung, aber das ist eine andere Geschichte). Daher ist es eigentlich löblich, wenn bei SpOn mal ein Blick auf den Alltagsbetrieb geworfen wird – eigentlich.

Denn was hier thematisiert wird, ist zum einen extrem alt und zum anderen sachlich falsch.

Das neue Buch der verrückten Experimente ist ein altes Buch vom Autor, Reto Schneider. Warum es jetzt noch mal aufgewärmt wird, wird der Verlag vermutlich sagen können.

Falsch finde ich schon die Überschrift des Spiegelartikels: Missglückte Experimente.

Weiter heißt es dann im Teaser:

Vier Beispiele für grandios gescheiterte Experimente.

Wenn man es genau nimmt, gibt es keine gescheiterten Experimente. Ein Ergebnis gibt es IMMER. Oft nicht übereinstimmend mit der ersten Hypothese, aber das ist egal. Versucht man hingegen sogar, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, dann besteht die Gefahr, dass man (unbewusst) den Verlauf des Versuches beeinflusst.

Dass Forscher nicht darüber sprechen, ist schade, denn Missgeschicke und Komplikationen gehören genauso gut zum Erkenntnisprozess der Wissenschaft wie Statistiken und belastbare Ergebnisse.

Das ist dann wieder vollkommen korrekt, aber dann geht es direkt weiter:

Warum aber werden die missratenen Versuche in Studien verschwiegen?

Wieder das klassische Bild eines missratenen Experimentes. Es ist das klassische Schul-Denken: Nimm A und B, kipp es zusammen und dann muss C herauskommen.
Wenn nicht, hast Du etwas falsch gemacht, 6, setzen.
Es entsteht ein Leistungsdruck, alles “richtig” zu machen, damit ja das gewünschte Ergebnis rauskommt. Kein Wunder, dass viele nach der Schule wenig Lust auf “Wissenschaft” haben. Das wirkliche, kreative Experimentieren und “etwas heraus finden”, geht unter und wird durch solche ewige Zementierungen von missratenen Versuchen nur immer weiter verfestigt.
Eigentlich fand ich dieses Buch und auch sein erstes sehr gut, weil es sehr gut zeigt, dass Wissenschaftler auch mal über Umwege zu Erkenntnissen kommen.
Der Text auf SpOn hinterlässt leider einen anderen Eindruck.

Foto: Wikipedia

Kommentare (11)

  1. #1 Arno
    Mai 8, 2012

    Das Konzept “missgluecktes Experiment” macht doch durchaus Sinn, zB wenn ein Atronom keine Sterne, sondern nur Wolken ins Teleskop bekommt. Oder wenn ein Chemiker ein Protein kristallieren will, um die Struktur erkunden zu koennen, es aber einfach nicht kristalliert.

  2. #2 Chris
    Mai 8, 2012

    Nur bedingt. Wenn ich ein DNA-Gel vergesse, läuft die DNA einmal durch und ist dann im Puffer. Das eigentliche Ziel habe ich nicht erreicht, ich habe also gelernt, dass ich besser doch den Labor-Timer eingestellt hätte.
    Wenn das Protein nicht kristallisieren will, gucke ich, an was es gelegen hat. Es erfolgt also eine Modifikation des Versuches und ich wiederhole ihn.

    Oder anders, mein Lieblingsbeispiel: Fleming hat seine Bakterien-Kulturen vergessen, der Versuch war also in der klassischen Denkweise “missraten”. Dadurch hat er aber Penicillin entdeckt.

  3. #3 Statistiker
    Mai 8, 2012

    Als ich SpON gelesen hab, lief es mir schon kalt den Rücken runter. Und richtig: Alles, was nicht auf Anhieb funktioniert, beweist, wie blöd die Wissenschaft ist.

    Schon mal ein Kind gefragt, wie oft es auf die Fresse gefallen ist, bevor es Laufen gelernt hat?

    Ich hab Jahre gebraucht, bis ich endlich beim Handball den Dreher von Rechtsaußen als Rechtshänder richtig geil hinbekommen habe. Nach tausenden von Trainingswürfen.

    Wie lange hat Herr Wankel an seinem genialen Motor getüftelt?

    Hat die Mondlandung ohne Tests funktioniert?

    Kein Experiment scheitert. Jedes erfolglose Experiment zeigt einem nämlich, was man ändern, was man verbessern muss, damit es irgendwann, vielleicht nach tausenden von Versuchen, endlich mal klappt….

    PS: Und nachdem man den Dreher von außen drauf hatte, konnte man ohne Experiment auch den direkt verwandelten Neunmeter hinkriegen. Das nennt sich dann “Nebenprodukt der Weltraumforschung”, ätsch!

  4. #4 klauszwingenberger
    Mai 9, 2012

    Oder wenn ein Chemiker ein Protein kristallieren will, um die Struktur erkunden zu koennen, es aber einfach nicht kristalliert.

    Und wenn er den “Fehlschlag” untersucht, kann er eine Menge über Randbedingungen lernen.

  5. #5 Christian Mai
    Mai 9, 2012

    Als Künstler schwirrt in meinem Kopf seit einiger Zeit ein Projekt umher. Die Idee ist ein Künstlerbuch, das Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bei der Arbeit und ihren Arbeitsplatz darstellt. Dabei interessiert mich mehr die “alltägliche” Arbeit, als irgendwelche “Highlights”. Kann mir jemand Tipps geben, wie ich an die Leute herankomme? Schreibe ich einfach die hiesige Uni an? Ich habe ein bißchen Bedenken, weil ich nicht die kostbare Zeit dieser Leute zu arg in Anspruch nehmen will.

  6. #6 Chris
    Mai 9, 2012

    Guck mal bei den Kollegen von SMS, Stichwort “a scientist a day”. Vielleicht reichen Dir die ja schon zum Anfangen?

  7. #7 Marcus
    Mai 9, 2012

    Schau mal bei den max-Planck- Instituten in Dresden. Da gibt’s jedes Jahr einen Artist in residence.

    Und was das Tagesgeschäft angeht: ich habe da mal einen Journalist in residence belegt und in einem Blog berichtet: https://www.scienceblogs.de/labortagebuch/

  8. #8 para
    Mai 10, 2012

    Warum aber werden die missratenen Versuche in Studien verschwiegen?

    Allein diese Frage ist so dumm, und eigentlich auch keine echte, sondern eine “Pseudofrage”. Ebenso gut könnte man Fragen “Warum aber werden halb fertige Brücken nicht zur Überquerung benutzt ?” oder “Warum verschweigt ein Bäcker, wie viele Brötchen ihm angebrannt sind ?”, “Warum verscheigt ein Olympiasieger, wie viele Wettbewerbe er in seiner Laufbahn nicht gewann?” etc.
    Im Grunde ist es sogar eine böswillige Unterstellung das “Nicht-nennen” einer “Nicht-information” als “verscheigen” zu verkaufen.

  9. #9 Chris
    Mai 10, 2012

    @para
    Jein, der Einwand ist teilweise berechtigt, es gab schon mal Initiativen, solche Negativ-Magazine zu etablieren. Wenn ich weiss, was alles Nicht funktioniert und keinen Zusammenhang hat, könnte ich mir diese Versuche schon im Vorfeld sparen…
    Aber das macht sich halt schlecht in der Ref.Liste…

  10. #10 Christian Mai
    Mai 10, 2012

    danke!

  11. #11 para
    Mai 10, 2012

    @chris

    Wenn ich weiss, was alles Nicht funktioniert und keinen Zusammenhang hat, könnte ich mir diese Versuche schon im Vorfeld sparen…

    Da gehe ich ja auch voll mit. Allerdings, wenn in einem Experiment herauskommt das die gewählte Methode nicht brauchbar ist um eine Hypothese zu testen, wäre das Experiment ja nicht missglückt. (genau so steht es ja auch im Artikel, wenn ich den richtig verstanden habe). Zumal der SpOn-Artikel sogar nur erfolgreiche Experimente aufgreift und von Unfällen dabei erzählt— naja
    So stellt sich für mich die Frage, ist ein Experiment als “missglückt” zu betrachten, wenn das Ergebnis ist, dass die Methode nichts taugt oder, weil jemand ganz einfach Mist gebaut hat? def. “Mist gebaut” – abweichen von der geforderten Methode oder Zufallsereignis -das kann das Fallen lassen des DNA-Gels sein, der Akku der Lichtausrüstung eines Höhlenforschers, der den Geist aufgab oder eben das der Luchs, den man telemetreiren wollte an einer Krankheit verstirbt
    Meiner persönlichen Meinug nach fiele nur der letzte Fall in die Kategorie “missglückt”, da man nichts über das tatsächliche Ergbnis ohne “Mist gebaut” aussagen kann und alles wiederholen muss. Das meine ich mit “Nicht-Informationen” (weil keine Aussage über das Ergebnis gemacht werden kann).