Wer eine Neuauflage von “On the Origin of Species” wünscht, die aktuelle Forschungsergebnisse mit einbezieht, der ist bei folgendem Buch genau richtig:

almost like a whale.jpgAlmost like a whale: The ‘Origin of Species’ Updated von Steve Jones
Auf deutsch: Wie der Wal zur Flosse kam: Ein neuer Blick auf den Ursprung der Arten

Steve Jones ist Genetiker, und wenn man seinem Schreibstil trauen kann, Humorist. Er schreibt flüssig und unterhaltsam, bleibt aber dennoch beim Thema und führt in seinem Buch eine riesige Anzahl an Beispielen auf, bei der selbst Darwin blass werden würde. Schön ist es wie er versucht sich an die Form des Vorbildes zu halten. Das Buch beginnt wie bei Darwin mit Variation bei domestizierten Tieren. Doch während zu Darwins Zeiten das ultimative Haustier die Taube war, entscheidet sich Steve Jones (vernünftigerweise, denke ich) dafür, den Schwerpunkt auf ein anderes zu legen. Es geht um die Domestizierung des Hundes. Dabei erklärt er die faszinierenden Versuche von Dmitri Belyaev an Füchsen, in denen wilde Füchse gezähmt wurden und zu seiner Überraschung hängende Ohren und farblose Schwanzspitzen bekamen.

In der wunderbaren “Interlude,” dem einzigen Abstecher von Darwins Original, geht er auf einen Satz ein, der von Kritikern immer wieder gerne erwähnt wird.

In North America the black bear was seen by Hearne swimming for hours with widely open mouth, thus catching, like a whale, insects in the water.

Dieses “like a whale” änderte Darwin später zu “almost like a whale,” doch Jones argumentiert, dass dies gar nicht nötig war. Ich sehe das genauso, denn genau diese bildliche Sprache machte “On the Origin of Species” so interessant für sein Publikum, und die Funktion des Buches war zuallererst ein unheimlich langes nicht zu schlagendes Argument, eine damals kühne Behauptung. Selbstverständlich dauerte es so lange um all die Beweise anzusammeln, denn Darwin hatte nicht vor, an die Öffentlichkeit zu gehen, bevor er nicht jeden möglichen Kritikpunkt an seiner These selbst kontrolliert hatte. Dieser kurze Kommentar von Darwin verlieh dem Buch von Steve Jones schließlich auch seinen Titel (zumindest in Deutschland und Großbritannien, in den USA heißt das Buch “Darwin’s Ghost”). “Almost like a whale” ist natürlich ein bisschen wie ein 500-Seiten langes Kompliment und endet deshalb in der wahrscheinlich einzig möglichen Form, mit einem Zitat von Darwin. Jones zitiert das letzte Kapitel wortwörtlich, komplett und hält sich dabei dezent im Hintergrund.

darwin song project.jpgKann es tatsächlich sein, dass man sich als Wissenschaftler nur Bücher schenkt?! Zum Abschluss habe ich noch eine kurze musikalische Empfehlung, die bei mir seit etwa letztem Weihnachten im CD-Player schlummert. Zum Darwin-Jahr 2009 wurde ein Album mit dem hochkreativen Namen “The Darwin Song Project” aufgenommen. Streng genommen ist es ein bisschen eine musikalische Version von David Quammens Biographie, aber verpackt in den Mantel von Folk Music. Und Folk Music mag doch wohl jeder, oder?!

Ein Teil der Lieder ist schlicht biographisch. “Das Album started mit “Trust in the Rolling Ocean,” einer Erzählung Darwins Reise auf der Beagle. “Heavy in my hand” beschreibt Darwins Zwiespalt, als er einen Brief von Captain Robert FitzRoy bekam, der ihn zu einer Weltreise einlud. “The Earl of Darwin’s Farewell” ist aus Sicht seiner Frau Emma erzählt, die ihren Gatten bittet mehr Zeit der Familie zu widmen. Und “We’re All Leaving” ist ein wirklich trauriges aber gelungenes Lied, in dem Darwin versucht, mit dem Tod seiner Tochter umzugehen. All diese Lieder basieren auf Tagebüchern und vor allem den Erzählungen eines Nachkommen von Darwin, der zusammen mit den Musikern eine Woche lang an den 17 Liedern arbeitete.

Passend zur religiös-besinnlichen Weihnachtszeit geht es hier bei vielen Liedern aber auch um den Konflikt zwischen Darwins Überzeugung und dem im viktorianischen England weit verbreiteten christlichen Glauben. “The Merchant’s Question” und “From Miss Emma Brawley” sind verständnislose Beschwerden von Leuten, die nicht ganz sicher sind was Darwin da eigentlich behauptet bzw. sich nicht mit Affen verglichen sehen wollen. “We’ll Hunt Him Down,” das “folksigste” Stück auf der CD, hört sich tatsächlich an wie eine Jagd, und zwar nach dem Mann, “who stole my Lord away from me.”

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Kommentare (2)

  1. #1 Fliegenschubser
    Dezember 20, 2011

    Vielen Dank für diese Anregungen!!
    Damit hast Du einem Auf-den-letzten-Drücker-Geschenke-Besorger wie mir einen großen Dienst erwiesen. 🙂

  2. #2 BreitSide
    Dezember 20, 2011

    xxx