Christine Färber hat gemeinsam mit Ulrike Spangenberg untersucht, wie Professuren besetzt werden. Die Ergebnisse ihrer Studie, präsentiert sie in einem mehrteiligen Essay.

Gestern illustrierte sie, wie Fragen nach Familie und Privatleben das Bewerbungsverfahren beeinflussen. Heute gibt sie abschließende Empfehlungen, wie das Rennen um die Professuren fairer und transparenter gestaltet werden kann.

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Gezielte Ansprache von Bewerberinnen und Quoten bei HeadhuntingKünftig sollen nach Empfehlung des Wissenschaftsrats (2005) außerordentliche Berufungen ohne Ausschreibung erfolgen. Insbesondere in diesem Fall, aber auch insgesamt bei allen Arten von Berufungen – den öffentlich Ausgeschriebenen, den Hausberufungen und dem Tenure Track – wird in den Augen der Befragten deutlich, dass die Hochschulen Frauen nicht genug fördern und ansprechen. 

Wissenschaftlerinnen werden, weil sie Frauen sind, von den Ausschreibenden meist gar nicht wahrgenommen.

Wissenschaftlerinnen werden, weil sie Frauen sind, von den Ausschreibenden meist gar nicht wahrgenommen. Das wird sowohl von vielen Bewerberinnen als auch von den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten beschrieben. Die Ansprache läuft über informelle Netzwerke, die entlang akademischer Schulen, gemeinsamer Studien- und Arbeitserfahrungen und des Faktors Geschlecht strukturiert sind.


Bewerberinnen werden seltener als Männer aus der ausschreibenden Hochschule heraus zur Bewerbung aufgefordert. Frauen und Männer erfahren Ansprache verschieden: Bewerberinnen werten eine Ansprache aus der Hochschule so, dass sie an der Hochschule wahrgenommen werden und jemanden kennen, Bewerber verbinden mit der Ansprache das Signal, aus der Hochschule verbindlich Unterstützung zu erhalten.

Das National Research Council der USA (NRC 2006) kritisiert, dass Hochschulen nicht breit genug nach Bewerberinnen suchen: Sie werfen ihre Netze nicht weit genug aus. Frauen würden sich bei gleicher Qualifikation seltener bewerben als Männer. Dies wird durch die Erhebung in Deutschland bestätigt: Frauen beschreiben ihr Bewerbungsverhalten erheblich selektiver. 

Der Frauenanteil unter den Bewerbungen wird bei den Auswählenden, so auch in Verfahrensregelungen, oft als Maßstab für die Repräsentanz von Frauen bei den Qualifizierten verwendet. Dies ist falsch: Er ist nur ein Indikator dafür, wie weit die Hochschulen mit ihrer Ausschreibung Frauen erreicht hat. Der Frauenanteil unter den Qualifizierten ist in der Regel erheblich höher.

Frauen sollten bei anstehenden Berufungsverfahren gezielt angesprochen werden.

Maßnahmen zur gezielten Ansprache von Frauen sind für alle Berufungsverfahren dringend erforderlich. Bislang haben nur wenige Hochschulen entsprechende Regelungen aufgenommen. Die befragten Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten sowie die Berufungskommissionsvorsitzenden beschreiben es als aufwändig, Frauen in der Wissenschaft sichtbar zu machen und sie gezielt bei der Strukturplanung, im Vorfeld von Berufungen und bei der Ausschreibung zu berücksichtigen und anzusprechen, aber sie halten dies für einen sehr wichtigen Beitrag zur Gleichstellung.

Solche allgemeinen Maßnahmen reichen aber nach Ansicht der befragten Frauen für neue Berufungswege wie Headhunting, Hausberufung und Tenure Track nicht aus: Hier sehen die befragten Frauen, und zwar von der Dekanin über die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten bis zu den Bewerberinnen, sehr schwer wiegende Probleme: „Das wird eine Katastrophe für die Frauen” (Berufungskommissionsvorsitzende). Sie sehen den einzigen Ausweg in Ergebnisquoten.

Regelungen und Leitfäden verbessern

Die Dokumentenanalyse zeigt insgesamt eine unbefriedigende Situation bei den Verfahrensregelungen: Sie sind unübersichtlich, häufig veraltet und blenden Gleichstellungsregelungen aus. Es gibt jedoch auch gute Beispiele für gesetzliche und untergesetzliche Regelungen sowie für Leitfäden oder Merkblätter, die in der Studie nach Themen und Bundesländern differenziert aufbereitet wurden. Die Arbeit bildet so eine Grundlage für Hochschulen, die ihre eigenen Dokumente neu erarbeiten oder überarbeiten wollen.

Die bewusste Einbeziehung der Geschlechterfrage ist für gerechte Bewerbungsverfahren unbedingt notwendig!

Die Ergebnisse der Interviews unterstützen den Formalisierungsprozess. Sie zeigen, dass viele Reformen des Berufungswesens, vor allem die Einbeziehung der Geschlechterfrage in die Qualitätskriterien durch den Wissenschaftsrat, die Erhöhung der Transparenz, die kriterienbasierten Gutachten oder die Verbesserung des Bewerbungsmanagements, die Situation von Wissenschaftlerinnen in Berufungsverfahren verbessern.

Manche Reformen, z. B. die Berufung ohne Ausschreibung oder die zunehmende Befristung von Positionen, drohen die Perspektiven von Frauen entscheidend zu verschlechtern. Mit Frauen in der Wissenschaft gibt es keinen selbstverständlichen, diskriminierungsfreien Umgang. Die bisherige Formalisierung von Gleichstellung in Berufungsverfahren erscheint meist halbherzig und doppelbödig.

Gleichstellungsorientiertes Berufungsmanagement und Quotierung

Berufungsverfahren bleiben auch bei starker Formalisierung komplexe Kommunikations- und Entscheidungsprozesse, in denen viele Möglichkeiten liegen, Bewerberinnen positiv einzubeziehen oder negativ auszugrenzen. Die Richtung, in die der Kommunikationsprozess ausgerichtet ist, zeigt in der Praxis deutscher Hochschulen zu selten auf die Bewerberinnen und ist entlang von Männernetzwerken strukturiert. Viele Berufungskommissionen bemühen sich um Neutralität und sind sich nicht bewusst, wie Geschlechterrollen und Geschlechterbilder in ihre vermeintlich neutralen Beurteilungen eingehen.

Es reicht nicht aus, dass sich Berufungskommissionen um “Neutralität” bemühen. Denn oft ist ihnen nicht bewusst, wie Geschlechtsstereotype in die vermeintlich “neutralen” Urteile einfliessen.

Schlüsselpersonen, den Prozess beeinflussen können, sind die Kommissionsvorsitzenden, die neu einzurichtenden Berufungsbeauftragten, die Hochschulleitungen, die Dekaninnen und Dekane, die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten sowie landespolitische Akteurinnen und Akteure. Alle berufungsbezogenen Steuerungsinstrumente müssen aktiv auf die Berufung von Frauen ausgerichtet und der notwendige Kulturwandel durch Quoten für die Berufung von Frauen unterstützt werden.

Handlungsempfehlungen für Bund, Länder und Hochschulen

Bund, Länder und Hochschulen sollten durch Rechtsetzung, gezielte Gleichstellungsmaßnahmen und ein systematisches gleichstellungsorientiertes Qualitätsmanagement die Berufung von Frauen gezielt fördern.

Der Bund kann u. a.

  • mit einem deutlich wahrnehmbaren Signal die Berufung von Frauen und Dual Career fördern,
  • Wissenschaftlerinnen bei der Qualifizierung unterstützen, ihnen Beratung bieten und eine Ombudsstelle einrichten,
  • Datenbanken über Wissenschaftlerinnen und freie Stellen fördern,
  • Bundesmittel zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und zur Forschungsförderung gleichstellungsbezogen vergeben,
  • Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte unterstützen,
  • Vergleichende Daten aufbereiten sowie Forschung und Vernetzung zum Thema fördern.

Die Länder können sich solche Maßnahmen ebenfalls zu Eigen machen und darüber hinaus u. a.

  • Gleichstellung in Berufungsverfahren rechtlich substantiiert verankern,
  • Gleichstellung durchgängig und prioritär über Empfehlungen in Leitfäden für Berufungsverfahren integrieren,
  • die Professionalisierung und bessere materielle Ausstattung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten sicherstellen,
  • gleichstellungsorientierte Personalentwicklung für Auswählende, insbesondere Berufungsbeauftragte und Kommissionsvorsitzende, fördern,
  • Berufungsergebnisse kontrollieren,
  • Personalentwicklungsmaßnahmen für Bewerberinnen finanzieren,
  • flexible Mittel für Dual Career vorhalten,
  • finanzielle Anreize zur Berufung von Frauen einführen,
  • quantitative und qualitative Vorgaben zur Berücksichtigung von Wissenschaftlerinnen im Verfahren insbesondere bei der Aufforderung zur Bewerbung, der Einladung zum Vortrag, der Begutachtung und bei der Zusammensetzung der Berufungskommission machen,
  • Ergebnisquoten für die Berufung von Frauen festlegen, insbesondere bei Berufungsverfahren ohne Ausschreibung, Hausberufungen und Tenure Track.

Die Hochschulen können diese Maßnahmen ebenfalls ergreifen und darüber hinaus u. a.

  • das Bewerbungsmanagement wertschätzend gestalten,
  • Berufungskommissionsvorsitzende professionell unterstützen und von Routineaufgaben in Berufungsverfahren entlasten,
  • bei der Auswahl von Berufungsbeauftragten, Berufungskommissionsvorsitzenden und Kommissionsmitgliedern auf deren Beitrag zur Gleichstellung achten,
  • Kommissionen mit mindestens 40% Frauen besetzen,
  • Gutachten von Frauen erstellen lassen,
  • Auswahlkriterien gleichstellungsorientiert gestalten,
  • Frauen gezielt ansprechen und personenbezogen Gelegenheiten nutzen, wenn gute Frauen auf dem Markt sind,
  • Frauen im Verfahren besonders berücksichtigen,
  • Übersichtliche Leitfäden entwickeln, die insbesondere auch gleichstellungsorientierte Regelungen integrieren und gute Praxis breit kommunizieren,
  • sich auf das Gleichstellungsergebnis als Strukturkategorie konzentrieren und
  • Frauen berufen.
Zum Weiterlesen:

Färber, Christine; Spangenberg, Ulrike (2007) Wie werden Professuren besetzt? Frankfurt/ New York: Campus.

National Research Council (2006) National Research Council of the National Academies (2006) To Recruit and Advance Women Students and Faculty in U.S. Science and Engineering. Washington.

Wissenschaftsrat (2005) Empfehlungen zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren, Köln.

Prof. Dr. Christine Färber lehrt an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg

Kommentare (1)

  1. #1 Thilo
    September 24, 2008

    Es gab vor einigen Wochen einen längeren NYT-Artikel zum Thema: http://www.nytimes.com/2008/07/15/science/15tier.html?_r=1&oref=slogin
    Es ging natürlich um die USA, aber vieles wird sicher auch auf Deutschland zutreffen.