Prof. Dr. Marion Schick, Präsidentin der Hochschule München, verzichtet im Interview gerne auf ihren Titel. Ihr ist mehr am Inhalt gelegen. Teil III – Wie können Hochschulen und Forschungseinrichtungen zur Frauen fördern?
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ScienceBlogs: Frau Schick, aktuelle Zahlen zeigen einen erfreulichen Trend. Immerhin jede vierte Habilitation in Deutschland stammt von einer Frau. Allerdings ist die Wahl der Fächer sehr spezifisch. Nur 16 Prozent in den Ingenieurswissenschaften aber 46 Prozent in der Veterinärmedizin. 

Schick: Wir haben nicht den Run der Frauen auf die Ingenieurswissenschaften und das trotz gut 20 Jahren mit allen möglichen Programmen. Diese Programme zeigen also relativ wenig Ergebnisse. Und so denke ich mittlerweile, wir haben den falschen Ansatz. Wir zwingen Frauen in eine männliche technische Logik hinein. Technische Entwicklungen, bei denen sie nicht sehen, dass diese die Welt wirklich voranbringen, sind für sie nicht interessant.

Frauen haben aber meist keine Lust an irgendwelchen Gimmicks mitzuarbeiten. Frauen wollen mehrheitlich an Dingen mitzuwirken, die Sinn machen und die letztendlich heilend für Mensch, Umwelt und Gesellschaft sind. Deshalb finden Sie die Frauen in der Medizin und Tiermedizin.


ScienceBlogs: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, will ihre „Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards” mit einem Kaskadenmodell – also einer jährlichen Steigerung der Frauenquote etwa auf Lehrstühlen – befördern.
Schick: Quote hat etwas Statisches und erinnert an Stützräder, mit denen Kinder das Fahrrad fahren lernen. Ich halte es häufig für ein Zeichen der Hilflosigkeit und habe durchaus Bedenken, ob wir damit nicht wieder einen typisch deutschen Weg der Überbürokratisierung beschreiten.

Ich habe Bedenken, ob wir mit der Quote nicht wieder einen typisch deutschen Weg der Überbürokratisierung beschreiten.

ScienceBlogs: Wenn das alles nichts hilft, was dann?

Schick: Der erste Ansatz ist sehr simpel. Just do it. Jeder, dem das Thema ernst ist, soll in seinem Wirkungsfeld überlegen, was er dafür tun kann. Statt Quoten sage ich zum Beispiel ganz pragmatisch, wir müssen der Welt zeigen, dass Männer und Frauen Wissenschaft gestalten. Das meine ich durchaus bildhaft. So muss auf jedem Foto mit Würdenträgern mindestens eine Frau sein – und zwar nicht die Sekretärin. Wenn man keine findet, die dort stehen könnte, dann ist es höchste Zeit zu handeln. Und natürlich drückt sich die Relevanz auch in weiblichen Titeln aus. 

ScienceBlogs: Und der zweite Ansatz?
Schick: Wie schon erwähnt, sollten wir aufhören, Frauen an die männliche Logik der Technik anzupassen. Dagegen sollten wir die Technik thematisch auf die Frauen zu bewegen.

ScienceBlogs: Wie soll das gehen?
Schick: Ein Beispiel. Wir haben an der Hochschule in der Elektrotechnik einen Frauenanteil von vier Prozent bei den Studentinnen und Studenten. Als wir den Studiengang Regenerative Energien eingeführt haben, hatten wir schlagartig einen Frauenanteil von über 20 Prozent, und das obschon dort ebenfalls ein sehr hoher Anteil an Elektrotechnik gelehrt wird. Frauen suchen schon im Studium nach Inhalten, mit denen sie die Welt ein wenig verbessern können. Wir müssen die Studiengänge entsprechend verändern, dann werden Frauen verstärkt in diese Studiengänge gehen.

ScienceBlogs: Frau Schick, wir danken für das Gespräch

Das Interview führte Beatrice Lugger

Mehr:

Teil I – Wie wird man eine erfolgreiche Wissenschaftlerin?

Teil II – Wie vereint man Beruf und Familie?

Prof. Dr. Marion Schick, Präsidentin der Hochschule München, wechselt zum 1. Oktober 2008 in den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft. Sie ist außerdem Vorsitzende der Sachverständigenkommission für den Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.

Kommentare (12)

  1. #1 florian
    September 24, 2008

    “Frauen wollen mehrheitlich an Dingen mitzuwirken, die Sinn machen und die letztendlich heilend für Mensch, Umwelt und Gesellschaft sind. Deshalb finden Sie die Frauen in der Medizin und Tiermedizin.”

    Also ich würde mal behaupten dass man durchaus auch Gutes für Mensch, Umwelt und Gesellschaft tun kann wenn man keine Ärztin oder Veterinärin ist! Auch mit Ingenieurs- und Naturwissenschaften lässt sich die Welt verbessern (eigentlich gerade damit). Ich denke das hier eher ein PR-Problem der entsprechenden Disziplinen vorliegt bzw. wohl auch immer noch falsche Rollenbilder und Vorurteile in den Köpfen.

    Aber der Ingenieur der an seinen nutzlos bis bösen Maschinen herumschraubt einerseits und die liebe Tierärztin die putzigen Tierchen das Leben rettet andererseits ist mir doch ein bisschen zuviel an Klischee 😉

  2. #2 Christian
    September 24, 2008

    Technische Entwicklungen, bei denen sie nicht sehen, dass diese die Welt wirklich voranbringen, sind für sie nicht interessant. Frauen haben aber meist keine Lust an irgendwelchen Gimmicks mitzuarbeiten. Frauen wollen mehrheitlich an Dingen mitzuwirken, die Sinn machen und die letztendlich heilend für Mensch, Umwelt und Gesellschaft sind.

    Während Männer demnach viel Freude an “sinnlosen” Entwicklungen haben, sind Frauen generell nur dann zur Arbeit motiviert, wenn sie mit ihrem Tun “die Welt voranbringen” können? Und in technischen Forschungszweigen und Berufen lassen sich keine solchen sinnstiftenden Tätigkeiten finden? Das halte ich dann aber doch für ein recht pauschales (und – wie Florian richtig anmerkt – auch klischeebehaftetes) Urteil über Ingenieurswissenschaften sowie über die berufliche Motivation von Frauen und Männern…

    Statt Quoten sage ich zum Beispiel ganz pragmatisch, wir müssen der Welt zeigen, dass Männer und Frauen Wissenschaft gestalten. Das meine ich durchaus bildhaft. So muss auf jedem Foto mit Würdenträgern mindestens eine Frau sein – und zwar nicht die Sekretärin.

    Inwiefern wäre eine solche Regelung denn keine Quote? Ich fände es persönlich im übrigen bedauernd, wenn man die Verleihung öffentlichkeitswirksamer Würdigungen für wissenschaftliche Arbeit zukünftig nicht mehr von der Leistung an sich sondern – nach dem Motto “mindestens eine Frau muss ausgezeichnet werden” – vom Geschlecht abhängig macht. In meinen Augen wäre dies ein Rückschritt mit dem man vor allem diejenigen Frauen herabwürdigt, die sich ihren “Platz auf dem Foto” durch eigene Leistung erworben haben.

    Als wir den Studiengang Regenerative Energien eingeführt haben, hatten wir schlagartig einen Frauenanteil von über 20 Prozent, und das obschon dort ebenfalls ein sehr hoher Anteil an Elektrotechnik gelehrt wird.

    Demnach müsste man ja nichts an den Inhalten ändern (der hohe Anteil an Elektrotechnik ist schließlich geblieben), sondern bloss nach “interessanteren” Namen für Studiengänge suchen, um sie für Frauen ansprechender zu gestalten. Auch das halte ich für eine gewagte Theorie – wenn ein interessanter Name für die Entscheidung eine größere Rolle spielen sollte als tatsächliche Inhalte würde das letztendlich nicht für die Entscheidungskompetenz der Studienanfänger sprechen…

  3. #3 isnochys
    September 24, 2008

    Ist das Interview nicht geradezu übersäht mit Klischees?
    Müssen sich Inhalte der Studiengänge ändern, damit es auch für Frauen interessant wird?
    /ironie
    Stricken und Kochen jetzt auch als Vorlesung für die Physik?
    /ironie

  4. #4 Jürgen Schönstein
    September 24, 2008

    >So muss auf jedem Foto mit Würdenträgern mindestens eine Frau sein – und zwar
    >nicht die Sekretärin.
    Ich habe dieses “muss” nicht als Quoten-Forderung, sondern als einen moralischen Imperativ (im Sinn von “das muss doch machbar sein”) aufgefasst.

  5. #5 jordroek
    September 25, 2008

    Frauen haben aber meist keine Lust an irgendwelchen Gimmicks mitzuarbeiten. Frauen wollen mehrheitlich an Dingen mitzuwirken, die Sinn machen und die letztendlich heilend für Mensch, Umwelt und Gesellschaft sind.

    Ich halte das ehrlich gesagt für eine ziemliche Frechheit. Wie Christian und Florian schon angedeutet haben, wird hier ein Rollenklischee der übelsten Sorte reproduziert. Implizieren diese beiden Sätze doch, dass Männer sowieso nur an völlig nutzlosen Gimmicks arbeiten und sich überhaupt nicht für das Gemeinwohl interessieren, und das halte ich für sehr sehr gewagt.
    Außerdem ist es interessant, dass sie von der “männlichen technischen Logik” spricht. Also Logik ist für mich eigentlich erst mal unabhängig vom Geschlecht, genau so wie Technik. Verstärken solche Formulierungen nicht gerade die Vorstellung, dass Technik etwas dezidiert Männliches ist? Und was ist, wenn eine Frau dann doch gefallen daran findet? Ist sie deshalb “unnormal”, oder weniger “Frau” als andere?

  6. #6 Ludmila
    September 25, 2008

    @jordroek: Überleg Dir mal, was das im Umkehrschluss für die Männer bedeutet. Das zeichnet nicht wirklich ein schmeichelhaftes Bild, oder? Frauen machen also nur Dinge, die Sinn ergeben. Und heilend für Mensch, Umwelt und Gesellschaft?

    Und, Männer? Laufen die jetzt alle wie rücksichtslose spielende Rüpel durch die Gegend?

    Klingt für mich sehr stark nach dem Klischee der Frau als dem besseren Menschen und das habe ich schon immer für Schwachsinn und sehr unkonstruktiv gehalten.

  7. #7 jordroek
    September 25, 2008

    @Ludmila: Eben, genau das meine ich und stimme dir auch absolut zu: Sowas ist absoluter Schwachsinn und führt zu nichts.
    Du selbst würdest ja auch durch Frau Schicks Schema fallen. Planetenforschung wäre für sie bestimmt auch ein “sinnloses Gimmick” und damit eine sehr “männliche” Forschungsrichtung…

  8. #8 Beatrice Lugger
    September 25, 2008

    Ich möchte darauf verweisen, dass Prof. Marion Schick derzeit nicht auf die Kommentare eingehen kann und dies sicher bedauert.

  9. #9 isnochys
    September 25, 2008

    *lach*
    Ist wohl gerade mit ihrer weiblichen Logik beschäftigt oder heilt die Umwelt
    :))

  10. #10 Thilo
    September 25, 2008

    Ehrlich gesagt finde ich die Kommentare etwas unfair. Natürlich enthält der Text, wenn man ihn isoliert liest, viele Klischees. Aber man muß ihn doch wohl im Kontext der gesamten Diskussion lesen, etwa im Vergleich zu den (wie ich finde) sehr oberflächlichen Texten von Frau Färber. Wenn man das Interview gegen diesen Hintergrund liest, dann liegt die Betonung hier doch eindeutig darauf, daß man eben nicht mit Quoten oder irgendwelchen formalen Verfahrensänderungen in Berufungsverfahren vorgehen sollte, sondern sich auf inhaltlicher und nicht auf formaler Ebene Gedanken machen. Natürlich kann man über die Details unterschiedlicher Meinung sein (und vermutlich wurden die etwas zugespitzten Formulierungen ja auch eher mit Blick auf eine bestimmte Leserschaft gewählt), aber grundsätzlich macht eine solche Herangehensweise doch sicher mehr Sinn als die merkwürdigen (und von wenig Sachkenntnis zeugenden) formal-bürokratischen Vorschläge von Frau Färber oder als Herr Winnackers Vorschlag, Mittelzuweisungen für Fachbereiche an “Zielvereinbarungen” zu knüpfen.

  11. #11 jordroek
    September 25, 2008

    @Thilo: Ok, ja, fairerweise muss ich sagen dass ich die folgende Ansicht von Frau Schick durchaus teile:

    Schick: Quote hat etwas Statisches und erinnert an Stützräder, mit denen Kinder das Fahrrad fahren lernen. Ich halte es häufig für ein Zeichen der Hilflosigkeit und habe durchaus Bedenken, ob wir damit nicht wieder einen typisch deutschen Weg der Überbürokratisierung beschreiten.

    Damit gehe ich wirklich vollkommen d’accord. Dennoch finde ich solche Ansichten wie die einer “männlichen technischen Logik” oder die Behauptung, dass Frauen im Gegensatz zu Männern eher gesellschaftlich nützliche Sachen studieren eher kontraproduktiv. So werden doch Klischees noch unterstützt. Aber möglicherweise wollte Frau Schick damit auch einfach nur ein wenig provozieren.

  12. #12 Peter Artmann
    September 26, 2008

    Zu den größten Trugschlüssen gehört doch der Glaube, dass Männer und Frauen gleich funktionieren.
    Biologisch ist das schon lange geklärt.

    Aber sobald es um das Funktionieren im Beruf geht, gibt es eine riesige Gemeinde, die behauptet, es könne gar keine anderen Spielregeln geben.

    Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Frauen, die bei sich sämtliche “weiblichen” Eigenschaften ausgeschaltet haben und wie die Kopien von Männern funktionieren – nur härter …