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In dieser Woche wollen wir an dieser Stelle Nobelpreisträgerinnen vorstellen. Für ihren Einsatz für den Frieden wurden diverse Frauen ausgezeichnet – Rigoberta Menchu Túm, Wangari Maathai und Jody Williams etwa. Die Iranerin Shirin Ebadi jedoch unterscheidet sich von ihnen, weil sie den Preis nicht alleine erhielt: Ihre Auszeichnung ging stellvertretend auch an alle Iranerinnen und Iraner, die in ihrem Land für Demokratie kämpfen.

Und unter denen sticht die Juristin Shirin Ebadi als kluge wie mutige Einzelkämpferin hervor. Ebadi wurde am 21. Juni in Hamadan im Nordwesten des Irans geboren. Ihr Vater war dort Direktor der Meldebehörde, während ihre Mutter, wie ihr Mann Akademikerin und praktizierende Muslima, zwei weitere Töchter und einen Sohn großzog.

Schon als Shirin ein Jahr alt war, zog Familie Ebadi jedoch nach Teheran, wo sie bis heute lebt. Ihr Vater, ebenfalls Jurist, schrieb in den folgenden Jahren die ersten Bücher über persisches Verhandlungsrecht. Auch Shirin zog es zu den Rechtswissenschaften und so begann sie 1965 ihr Jurastudium an der Universität Teheran.

Im März 1969 wurde Shirin Ebadi zur Richterin vereidigt – als erste Frau im Iran. Sechs Jahre später wurde sie von einem kleineren Gericht an den Teheraner Gerichtshof befördert, den sie bis 1979 als Senatsvorsitz leitete.

Im Jahr der Iranischen Revolution, Shirin Ebadi war 32 Jahre alt, änderte sich ihr Leben radikal: Als im Februar der Schah endgültig gestürzt wurde und Mullahs die Macht im Iran übernahmen, änderten sich die Gesetze: Der Iran, bis dahin einer der „westlichsten” Staaten Vorderasiens, wurde ein Gottesstaat. Und in dem, so legten die neuen Machthaber die Scharia aus, waren Frauen nicht als Richterinnen zugelassen. Shirin Ebadi wurde Sekretärin am selben Gerichtshof, den sie kurz zuvor noch geleitet hatte.

Hier zeigt sich zum ersten Mal in Shirin Ebadis Biographie ihr Kampfgeist: Gemeinsam mit weiteren aus dem Amt gejagten Richterinnen protestierte Ebadi gegen die Degradierung und erreichte so, dass sie mit ihren Kolleginnen als „Expertinnen” an ihren jeweiligen Gerichtshöfen wieder eingestellt wurden.

Diese schwammige Berufsbezeichnung reichte ihr jedoch nicht aus – Shirin Ebadi war frustriert, fühlte sich unterfordert und reichte einen Antrag auf frühzeitige Pensionierung ein. Den gaben die neuen Juristen des Landes auch statt – allerdings erteilten sie Shirin Ebadi zugleich Berufsverbot, sodass sie bis 1992 arbeitslos war. In dieser Zeit gebar sie zwei Töchter und schrieb Bücher über annähernd jede Fachrichtung der Rechtswissenschaften, unter anderem Urheberrecht, Architektur, Medizin und Arbeitsrecht um nur einige zu nennen.

Zeitgleich bemühte sich die renommierte Juristin jedoch um einen Wiedereinstieg in den Beruf, was ihr 1992 auch gelang: Dann erhielt sie ihre Berufslizenz wieder und praktizierte fortan als Anwältin. Zu ihren Klienten gehören politisch Verfolgte, größtenteils intellektuelle Iraner, aber auch Opfer von Kindesmissbrauch und Zeitungen, die in medienrechtlichen Prozessen von Shirin Ebadi vertreten werden. 1996 wurde sie dafür mit der Medaille der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geehrt.

Parallel Ebadi Vorlesungen an der Universität Teheran zu Menschenrechten und setzt sich bei der UNICEF Teheran und der von ihr 1995 gegründeten Association for Support of Children’s Rights für die Rechte der Kinder im Iran ein. Auch dort bemüht sie sich um eine Änderung der Gesetzeslage – bisher sind Mädchen im Iran beispielsweise ab neun Jahren voll strafmündig, Jungen ab ihrem 15. Lebensjahr.

1997 beteilitge sie sich am Wahlkampf des reformorientierten Präsidentschaftskandidaten Mohammed Khatami – in den folgenden Jahren arbeitete ihr Mann, ein Elektroingenieur, als politischer Berater des Präsidenten. Dennoch gratulierte ihr der Präsident nicht offiziell als sie einige Jahre später den Nobelpreis erhielt mit der Begründung, der Friedensnobelpreis sei nicht so wichtig wie die Nobelpreise der naturwissenschaftlichen Kategorien.

Für ihre Verteidigung politisch Verfolgter wurde die Anwältin im Jahr 2000 wegen „Störung der öffentlichen Meinung” angeklagt und zu 26 Tagen Einzelhaft verurteilt – außerdem wurde ihr ein zeitlich begrenztes Berufsverbot auferlegt.

Im Jahr 2003 erhielt sie als erste muslimische Frau den Friedensnobelpreis für „Für ihre Bemühungen um Demokratie und Menschenrechte” – dem vorausgegangen war 2001 der norwegische Rafto-Menschenrechtspreis. Zur Preisverleihung erschien sie ohne Kopftuch und kommentierte dies damit, dass sie sich im Iran eben an die zur Zeit geltenden Gesetze halten müsse. Sie selbst verstehe sich als demokratische Frau muslimischen Glaubens. Die Gesetzgebung im Iran bezeichnet sie als „Missbrauch der Religion und Fehlinterpretation der Scharia”. Shirin Ebadi fordert eine pluralistische demokratische Gesellschaft und lehnt fundamentalistisches Gedankengut ab.

In den letzten Jahren betonte Shirin Ebadi wiederholt, dass eine Demokratie im Iran nur mit der Ausdauer und dem Kampfgeist der Iraner selbst zu erreichen sei – nicht mit Eingriffen aus dem Ausland. „Die Menschenrechte kann man den Menschen gewiss nicht durch Bomben bringen,” erklärte sie etwa im Oktober 2005 bei einer Rede an der Universität Tübingen und forderte ihre Landsleute zugleich auf: „Lasst uns geduldig sein, wir haben keine andere Wahl.” Die Migration intellektueller Iraner in den Westen auf der Hoffnung nach einer besseren Lebensqualität verurteilt sie drastisch und gab in einem Interview an, den Kontakt zu migrierten Freunden abzubrechen.

Kritik erntete Shirin Ebadi auch für ihre offene Verteidigung des iranischen Nuklearwaffenprogramms: „Neben der wirtschaftlichen Rechtfertigung ist es eine Frage des Nationalstolzes geworden, speziell für so eine alte Nation mit einer glorreichen Geschichte. Keine iranische Regierung, unabhängig von ihrer Ideologie oder Zeugnissen ihrer Demokratie, würde dieses Programm je abbrechen.”

Vor zwei Jahren gründete Shirin Ebadi gemeinsam mit weiteren Friedensnobelpreisträgerinnen die Nobel Women’s Initiative, ein Netzwerk, das sich weltweit für Frauenrechte engagiert. Zur Zeit vertritt sie als Anwältin sieben Führer der religiösen Minderheit der Baha’i, weswegen sowohl sie als auch ihre Familie Morddrohungen erhielten.