In manchen Sprach- oder kulturwissenschaftlichen Fächern findet man heute auch in den höheren Positionen erfreulich viele Frauen – in den Naturwissenschaften sieht die Situation meist deutlich schlechter aus. Auch die Chemie ist hier keine Ausnahme, obwohl das Fach (zumindest für Schülerinnen und Studentinnen sehr attraktiv) ist.

Ines Weller informiert über den aktuellen Stand und aktuelle Zahlen in Sachen Geschlechtergerechtigkeit in der Chemie.*

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Bis in die 1980er Jahre lagen für das Feld der Chemie kaum nach Geschlecht differenzierte Daten über Studium und Berufsleben vor. Heute ist die Datenlage über die Beteiligung von Frauen in der Chemie dagegen vergleichsweise gut. Neben einer allgemeinen Sensibilisierung für das Thema Frauen in Naturwissenschaft und Technik, ist dies mit zurückzuführen auf das Konzept Gender Mainstreaming. Es zielt auf die de facto Umsetzung der Chancengleichheit der Geschlechter und hat europaweit seit Ende der 1990er Jahre eine hohe Verbindlichkeit entfaltet.

Deutschland ist im europaweiten Vergleich häufig das Schlusslicht bei der Beteiligung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik.

Seitdem finden Analysen über die Beteiligung von Frauen in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft immer mehr Beachtung. Ihre hohe politische und auch programmatische Relevanz ergibt sich für Deutschland mit daraus, dass im europaweiten Vergleich Deutschland häufig das Schlusslicht bei der Beteiligung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik bildet (Färber et al. 2003).

Speziell bezogen auf die Situation in der Chemie zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen Studium und Beruf bzw. wissenschaftlicher Professionalisierung. Auf der einen Seite ist der Anteil von Frauen im Studium im Vergleich zur Physik oder zu den Ingenieurwissenschaften sehr hoch. So lag der Frauenanteil bei den StudienanfängerInnen in der Chemie bei 42% und ist damit im Vergleich zu den Vorjahren leicht zurückgegangen (GDCh 2007). (1)

Je höher die Qualifikationsstufe, desto weniger Frauen

Andererseits gelingt es nicht, diese hohe Frauenbeteiligung zu halten, vielmehr nimmt sie im Rahmen der weiteren Qualifizierungsphase deutlich ab. So lag der Anteil von Frauen bei den abgeschlossenen Promotionen 2007 bei 33%, bei den Habilitationen 2006 bei 19% (GDCh 2007, Schmitz 2007). Auffallend ist, dass Chemiestudentinnen mit durchschnittlich besseren Abiturnoten als Chemiestudenten das Studium beginnen, sich bei den Diplom- und Promotionsnoten dies Verhältnis aber umkehrt: Während 63,1% der Chemiker mit Auszeichnung bzw. der Note 1 ihr Diplom abschließen, sind dies nur 51,4% bei den Chemikerinnen (Könekamp 2004).

Auch der Eintritt in den Beruf stellt für Chemikerinnen eine Hürde dar, so waren beispielsweise 36% der in 2003 promovierten ChemikerInnen, die noch keine Anstellung hatten, weiblich (GDCh 2004). Im Berufsleben sind die Chancen auf Erfolg und Anerkennung zwischen den Geschlechtern ebenfalls ungleich verteilt, wie eine aktuelle Befragung der Mitglieder der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) aus dem Jahr 2003 zeigt (Könekamp 2004).

Führungspositionen in der Chemie werden deutlich häufiger von Männern besetzt. Und diese erzielen auch höhere Gehälter.

Männer arbeiten deutlich häufiger in Führungspositionen: 16,1% der männlichen und nur 5,1% der weiblichen GDCh-Mitglieder hatten eine Position in der Bereichsleitung, Geschäftsführung oder im Vorstand. Besonders deutlich sind die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern: nur 6% der Chemikerinnen, aber immerhin 23% der Chemiker hatten ein Jahreseinkommen über 90.000 € (Könekamp 2004).

Gerade in den einflussreichen Bereichen und Spitzenpositionen der chemischen Forschung und Entwicklung, sowohl in den Hochschulen, als auch in der Industrie verharrt somit die Zahl der Chemikerinnen trotz leichter Verbesserungen in den letzten fünfzehn Jahren auf niedrigem Niveau. Dies bestätigen zwei Studien des Verbands angestellter Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie (VAA) über den Anteil von Frauen in verschiedenen Hierarchieebenen. Nach den VAA-Befragungen lag er 1993 in den beiden oberen Führungsebenen in der Chemieindustrie bei 2 % (Betriebs- bzw. Bereichsleitung) und in der Ebene darunter durchschnittlich bei 3,2 % (Abteilungs- bzw. Gruppenleitung), in Großunternehmen wie Bayer und BASF sogar noch deutlich darunter (VAA 1996, Fell 1999).

Unter den Chemie-Studenten liegt der Frauenanteil bei 40%. Unter den Professoren nur bei 7%.

Bei der jüngsten Befragung 2001 zeigte sich eine Verbesserung insofern, dass bei den Befragten 18% der Frauen als Abteilungs- bzw. Gruppenleiterinnen arbeiteten, sie aber in den Spitzenpositionen als Führungskräfte mit 4,5% nach wie vor kaum vertreten waren (VAA 2001). Ein deutliches Missverhältnis lässt sich zwischen dem Frauenanteil bei den Studierenden und bei den Professorinnen feststellen: Während immerhin etwas mehr als 40% Frauen Chemie studieren, ist der Anteil der Professorinnen mit 7% nach wie vor sehr gering (Schmitz 2007), auch wenn er in den letzten Jahren angestiegen ist, denn 1999 lag er noch bei nur 4% (Statistisches Bundesamt 1999).

Während aber die Frage nach der (adäquaten) Beteiligung von Frauen bis Anfang der 1990er Jahre für die Chemie kaum ein Thema war, (2) hat sie heute deutlich mehr Gewicht. Dies ist u.a. daran zu erkennen, dass einer der wichtigsten Berufsverbände der Chemie, die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) im Jahr 2000 eine Arbeitsgruppe „Chancengleichheit in der Chemie” gegründet hat.

Dass heute die geringe Partizipation von Frauen in der Chemie zunehmend als Problem anerkannt wird, ist meines Erachtens wesentlich darauf zurückzuführen, dass die Chemie sich angesichts deutlich gesunkener Studierendenzahlen Sorgen um ihren Nachwuchs macht und dabei das Potenzial von Frauen entdeckt. Zum anderen trägt dazu auch die bereits erwähnte EU-Strategie zum Gender Mainstreaming bei, die zur Folge hat, dass europaweit systematisch Statistiken über die Beteiligung von Frauen und Männern in Naturwissenschaft und Technik erarbeitet werden und es hier zu einem Ranking kommt, in dem Deutschland bislang eher schlecht abschneidet und damit der Veränderungsbedarf auf nationaler Ebene nicht mehr geleugnet werden kann. Welche Rolle dabei das Ziel Chancengleichheit der Geschlechter jenseits der Forderung nach einer besseren Beteiligung von Frauen hat, wird sich erst noch zeigen müssen.

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