Ein Bekannter von mir zeigte mir heute ein Schreiben seiner Krankenversicherung, in dem für die elektronische Gesundheitskarte geworben wird. Dabei wird insbesondere auf die Möglichkeiten der besseren Kontrolle über die eigenen Daten verwiesen.

Ein wenig irritiert hat mich insbesondere dieser Abschnitt:

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Zum ersten Mal in der Geschichte der Medizin haben Sie die Möglichkeit mitzubestimmen, was mit Ihren persönlichen medizinischen Daten geschieht, denn der Zugriff auf Ihre Daten ist nur in Ihrem Beisein möglich und mit Ihrer persönlichen Identifikations-Nummer (PIN) entscheiden Sie selbst, ob und welche Daten gespeichert werden und wer diese Daten einsehen darf.

Abgesehen vom Werbesprech (“Zum ersten Mal in der Geschichte der Medizin…”) und der Tatsache, dass sich so manches Problem bezüglich der Weitergabe medizinischer Daten ohne die Gesundheitskarte vermutlich gar nicht ergeben würde, habe ich mich vor allem gefragt, wie man diese Rechte in der Praxis überhaupt geltend machen kann.

Denn was passiert, wenn ich in einer Arztpraxis tatsächlich von diesem Recht Gebrauch mache und Einsicht oder Speicherung meiner Daten verweigere? Mal ganz abgesehen davon, warum ich das überhaupt wollen sollte, stellt sich doch die Frage, ob ich dann noch behandelt werde? Falls nicht, welchen Vorteil hätte ich noch von diesem Recht und worin bestünde noch der Unterschied zu einer einfachen Weigerung, die bisher gebräuchliche Versicherungskarte rauszurücken, wenn mich die Sprechstundenhilfe danach fragt?

Ich kann mir nicht helfen, aber der Vorteil der “besseren Kontrolle über die eigenen Daten” macht auf mich einen leicht konstruierten und bemühten Eindruck. Wobei sich zusätzlich noch die Frage stellt, ob ich überhaupt will, dass ein Mediziner nur “in meinem Beisein” auf die gespeicherten Daten zugreifen darf. Dass ich in einer kritischen Notfallsituation meine Krankenakte mit Angaben zu Allergien, Vorerkrankungen etc. quasi “in der Brieftasche” mit mir trage, scheint ja noch einer der wenigen echten Vorteile zu sein…

Kommentare (8)

  1. #1 Kai
    9. Februar 2010

    Heute ist es so, dass ich beim Besuch eines neuen Arztes auswählen kann, welche Informationen ich preisgeben möchte und welche ich lieber für mich behalte. Wenn ich beispielsweise wegen Fußpilz zum Dermatologen gehe, muss der nichts über meine psychotherapeutischen Behandlungen wissen, wie auch umgekehrt. Auch der Zahnarzt muss nichts über meinen möglichen Diabetes erfahren. Mit einem Vollzugriff auf alle Gesundheitsdaten durch den Arzt fiele diese Wahlmöglichkeit weg. Insofern ist die technische Umsetzung dieser „Ich muss nicht alles jedem erzählen”-Möglichkeit eine sehr gute Sache. Weigert sich ein Arzt dann zu behandeln, sollte man ihn der Krankenkasse melden.

  2. #2 rolak
    9. Februar 2010

    Herzliches Beileid, Kai und baldige Genesung. scnr

    Auch wenn ich insbesondere die technische Umsetzung der Gesundheitskarte =»in keiner Weise für sinnvoll erachte, just in dem hier thematisierten Punkt sehe ich ebenfalls einen positiven Aspekt. Der allerdings zum Gesamturteil nur unwesentlichst beiträgt.

  3. #3 Kai
    9. Februar 2010

    @rolak

    Im Prinzip begrüße ich die elektronische Gesundheitskarte und die mit ihr verbundene Möglichkeit der Speicherung ausdrücklich. Wer einmal von einer Stadt in die andere gezogen ist, und beim neuen Hausarzt wieder die Leiden, Blutuntersuchungen, EKG, Röntgenbilder etc. der vergangenen 20-30 Jahre aufzählen wollte bzw. dies gar nicht konnte, weiß was ich meine.

    Und die Möglichkeit, einen Nachschlüssen für die Daten herstellen zu können, halte ich zumindest für nicht ganz falsch, wenn ich an all die vergesslichen Mitmenschen denke, die gerne mal ihre PIN vergessen. Damit wären im Zweifelsfall Jahre oder Jahrzehnte an Daten weg. Aber: Das organisatorisch sauber zu lösen, ist in der Tat problematisch.

  4. #4 rolak
    9. Februar 2010

    Die Idee der Karte ist unbestreitbar gut, das alleine reicht aber nicht. Es geht nicht darum, daß nach expliziter Problemfall-Notfreigabe ein wie auch immer gesicherter Zweitschlüssel zum Einsatz kommt (aufwendig, aber problemlos machbar) – sondern daß die Inhalte nicht sicher gegenüber ungewollten Fremdzugriffen sind. Erinnert mich an die Geldkassette meiner Eltern früher: Stahlgehäuse, gutes Schloß, Zweitschlüssel bei Verwandten. Aber kompakt und -als besonderer Service für die geschätzte Diebesschar- mit einem schicken Klappgriff versehen für das elegante Hinwegtragen.

  5. #5 MoritzT
    11. Februar 2010

    Wär schon toll, wenn ich nicht immer dreimal nachfragen müsste, welche Medikamente mein Patient jetzt nimmt und welches der 9 Medikamente, die auf seiner Liste stehen, er oder sie mittlerweile ersetzt sind. Wär auch schön, wenn ich den bisherigen Krankheitsverlauf nicht aus acht unvollständigen Arztbriefen zusammensuchen müsste. Wär auch schön, wenn die Allergien und Unverträglichkeiten irgendwo zuverlässig abzurufen wären.
    Die bisherige Politik des Umgangs mit medizinischen Daten stammt aus einer Zeit, in der ein Patient seine erste schwere Krankheit eher selten überlebt hat und vor allem keine 30 Jahre mehr vor sich hatte. Das hat sich glücklicherweise geändert, die Politik aber nicht, und das erschwert die Sache einfach. So eine Karte wäre schon ein Fortschritt – aber leider führt der zu so unangenehmen Dingen wie:
    – Patienten können ihren Ärzten nicht mehr einfach so alles mögliche erzählen (kommt öfter vor, als man zu denken wagt)
    – Ärzte müssen auf einmal damit rechnen, dass jemand ihre eigenen verqueren Gedankengänge aufdeckt und dass sie des Humbugs überführt werden.
    – Ärzte werden weniger einzigartig und angreifbar.

    Drei Gründe, weswegen diese (eigentlich sinnvolle) Innovation in D erst einmal scheitern wird. Zwischendurch werden die USA (die in Sachen ärztliche Haftung einfach schon ein bisserl krisenerprobter sind) ihre eigene Lösung etablieren, und unsere Hersteller bleiben auf ihrem Produkt sitzen – weil wir einfach zu dumm sind, Innovationen klug einzuführen.

  6. #6 michael
    11. Februar 2010

    Wenn man die eigenen Daten sich selber anschauen kann, und Ärzte und Krankenhäuser verpflichtet sind, Untersuchungen und Behandlung auf der Karte zu dokumentieren und diese Daten nicht mehr modifiziert werden können oder signiert werden müssen , um nachträgliche Änderungen zu erkennen, würde ich sofort eine solche Karte benutzen.

  7. #7 Ronny
    12. Februar 2010

    Es wäre auch einfacher für mögliche Arbeitgeber kranke Menschen schon vor einem Einstellungsgespräch abzulehnen.

  8. #8 AAkira
    19. Februar 2010

    Genau das (mit den Arbeitgebern) ist ja nicht möglich. Durch die zwei Schlüssel- (eGK und Heilberufsausweis) Autorisierung kann der Arbeitgeber nicht in meine medizinischen Daten hineinschauen. Zudem werden die letzten 50 Zugriffe auf die eGK protokolliert, so dass ich jeglichen Zugriff feststellen kann.