Heute schreibe ich ausnahmsweise mal etwas zum Thema Förderanträge – und hoffe schon vorab, dass es sich nicht wie ein Rant anhört. Insbesondere geht es mir um die Frage, ob das Schreiben solcher Anträge nicht stärker gewichtet werden sollte – und ob es eventuell Sinn machen könnte, abgelehnte Anträge zu veröffentlichen.

Auf den ScienceBlogs wurde ja schon öfter darüber diskutiert, dass bestimmte Tätigkeiten vom Wissenschaftsbetrieb insgesamt zu wenig honoriert werden, darunter beispielsweise das Schreiben allgemeinverständlicher Bücher über Wissenschaft, die Vorbereitung und Durchführung guter Lehrveranstaltungen, die Arbeit an verständlichen Foliensätzen sowie Wissenschaftsblogging und sonstige Öffentlichkeitsarbeit. Zu dieser Liste würde ich gerne ein weiteres Item hinzufügen: die Beschaffung von Fördermitteln.

Mittelbeschaffung ist essentiell – und mit viel Aufwand verbunden

Wie im täglichen Leben gilt nämlich auch in der Wissenschaft: Ohne Moos nix los. Um forschen zu können, müssen erst einmal staatliche Gelder beantragt oder Drittmittel – meist von Unternehmen – eingeworben werden. Dies reicht von der Beantragung von Laborgerät über die Prototypen-Förderung bis hin zu Material- und Personalkosten für mehrköpfige Arbeitsgruppen über mehrere Jahre. Der hiefür erforderliche Aufwand ist nicht zu unterschätzen: Es müssen Kooperationspartner eingeworben, Letters of Intent gesammelt, Schreibarbeiten koordiniert und Projekte präsentiert werden – alles Aktivitäten, die ich nachfolgend übersichtshalber unter dem Begriff „Fundraising” zusammenfassen möchte.

Wer selbst schon Anträge geschrieben hat weiß, dass der Arbeitsaufwand bisweilen sogar den Aufwand übersteigt, den man mit einem Paper mittlerer Länge hat. Bei den technisch orientierten Anträgen werden nicht selten eine Analyse des Stands der Technik, Patent- und Literaturrecherchen, technische Skizzen sowie voll ausgearbeitete Geschäftsmodelle und Vertragswerke verlangt. Schon einfache Anträge umfassen dutzende von Seiten, Literatur- und Patentlisten enthalten oft 50 oder mehr Items, die erst einmal recherchiert werden müssen. Und auch das Anfertigen „hübscher” Grafiken ist mit Aufwand verbunden.

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(Photocredit: © Rainer Sturm / PIXELIO)

Kurz ausgedrückt: Anträge schreiben macht eine Menge Arbeit und ist dabei nur eine von vielen Aufgaben, die bei der Mittelbeschaffung zu erfüllen sind, denn Fundraising ist Lobbyarbeit. So verbringe ich in manchen Monaten einen Großteil meiner Arbeitszeit damit, Politiker, Journalisten und vor allem Unternehmer von der Wichtigkeit eines bestimmten Forschungsthemas zu überzeugen, Messen und Workshops zu besuchen, Vorträge zu halten, Podiumsdiskussionen mitzumachen und Artikel zu schreiben. Arbeit, die mehr oder weniger umsonst war, wenn ein Projekt abgelehnt wird und hinterher in der Schublade verschwindet.

Gut, manchmal reicht man eine Idee auch ein zweites Mal bei einem anderen Programm ein. Aber spätestens nach der zweiten oder dritten Ablehnung gibt man es meistens auf und wirft die Idee in die Rundablage. Was mich zu zwei Fragen führt, die mich schon seit einer Weile beschäftigen: Wird die Mittelbeschaffung im Wissenschaftsbetrieb zu wenig anerkannt? Und wie sinnvoll wäre es, abgelehnte Ideen zu sammeln und anderen zur Verfügung zu stellen?

Anträge schreiben oder publizieren – (k)eine schwere Wahl

Zur ersten Frage ist festzustellen, dass das Antragsschreiben eine eher undankbare Arbeit ist. Da nichts veröffentlicht wird, trägt auch ein sehr gut recherchierter und geschriebener Antrag nicht zur typischen Hochschul-Karriere bei, wobei „reine” Fundraiser in einer noch schlechteren Position als diejenigen sind, die Gelder für eigene Projekt beantragen, und damit zumindest auf spätere Veröffentlichungen hoffen dürften.

So oder so gibt es erst mal keine Veröffentlichung und damit auch keine „Karrierepunkte”, weshalb sich in der Regel niemand darum schlägt, an einem Antrag beteiligt zu sein (man vergleiche dies mit dem Gerangel um Ehren-, Erst-, Letzt- und Drittautoren bei manchen Papern). Eine bessere Würdigung guter Mitteleinwerbung würde – wie auch eine bessere Würdigung guter Lehre, guter Öffentlichkeitsarbeit oder guter populärwissenschaftlicher Bücher – nicht nur bei der Finanzierung helfen, sondern auch Anreize schaffen, sich mit geeigneten Formen der Kommunikation wissenschaftlicher Inhalte zu beschäftigen, was mittelfristig auch der Außendarstellung von Wissenschaft zugute kommen sollte…

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(Photocredit: © Rainer Sturm / PIXELIO)

Abgelehnte Anträge löschen – oder Dritten zur Verfügung stellen?

Seit einiger Zeit beschäftigt mich zudem die Frage, ob es nicht Sinn machen würde, verworfene Förderideen in irgendeiner Form zu veröffentlichen und Kollegen zugänglich zu machen. Obwohl unsere „Erfolgsquote” bei Anträgen erfreulicherweise recht hoch ist, habe ich in den letzten Jahren auch einige wirklich gute Ideen in der Versenkung verschwinden sehen. Als Beispiel sei ein Netzwerk aus mobilen Geräten genannt, das bei uns vor einiger Zeit mal auf dem Tisch lag. Ziel war es, Kurgäste mit Herzproblemen bei der Planung von Wanderungen zu unterstützen und zu begleiten, angefangen bei der Auswahl medizinisch sinnvoller Routen auf der Basis von Geodaten und Vitalwerten über die Begleitung via GPS bis hin zum Weg zur nächsten Bushaltestelle bei Unwohlsein oder einem automatisierten Notruf bei einem akuten Schwächeanfall.

Dieses System liegt als vollständige Vorab-Planung inklusive Skizzen, Präsentationen, Stand der Technik und Klärung der Patentlage seit Jahren in meiner Schublade, nachdem der Antrag wegen Geldmangels hinfällig wurde. Wer aber sagt mir denn, dass nicht irgendeine Kurklinik im Bayerischen Wald zusammen mit der örtlichen FH die Idee nicht doch über Landesmittel realisieren könnte? Wäre denen nicht geholfen, wenn sie nicht nur Zugang zur Idee, sondern auch zu einer Projekskizze hätten? Wenn sie fünf Arbeitstage weniger für die Recherche und Sichtung relevanter Paper einplanen müssten? Wie schön wäre es auf der anderen Seite für meine Kollegen und mich, wenn die Arbeit nicht umsonst gewesen wäre und die Idee doch noch – nur eben woanders – umgesetzt wird? Wenn es am Ende gar noch eine kleine Nennung in einer Publikation gäbe, die besagt, dass die Idee ursprünglich von X, Y und Z stammt, und vom Projektteam aufgegriffen und weiterentwickelt wurde?

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Wäre es also sinnvoll, ein Wiki oder eine andere Form der zentralen Datensammlung für die im eigenen Haus gescheiterten Projektideen anzulegen? So ein System wäre ja nicht nur zur Ideenfindung sinnvoll, sondern könnte auch die Suche nach möglichen Projektpartnern erleichtern oder zeigen, welche Ansätze nicht funktionieren? Wie könnte sowas technisch aussehen und wer könnte oder sollte Zugriff erhalten? Wäre es denkbar – oder überhaupt gestattet – dort auch erfolgreiche Anträge unterzubringen – sozusagen als Best Practice? Und – um auf meine andere Frage zurückzukommen – was könnte man tun, um Fundraising und die damit verbundene Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit attraktiver zu gestalten?

Sinnvolle Fragen oder doch nur Unsinn? Was meint ihr?

Kommentare (7)

  1. #1 Florian Freistetter
    5. März 2010

    Ist es wirklich so, dass Antrag-schreiben nicht honoriert wird? Ich kenn das so, dass die Karriere ganz extrem davon abhängt, wie gut man in der Drittmitteleinwerbung ist…

    Und ein Wiki für abgelehnte Anträge wär durchaus überlegenswert. Kann aber auch kritisch sein… nicht jeder abgelehnte Antrag ist auch tatsächlich schlecht; leider spielen oft auch andere Sachen mit rein und nicht nur die wissenschaftliche Qualität. Sowas sollte dann nicht unbedingt mit wirklich schlechten Ideen in einen Topf geworfen werden.

    Was aber interessant wäre: wenn die DFG beispielsweise alle eingereichten Anträge (egal ob akzeptiert oder nicht) veröffentlicht PLUS die Gutachten dazu – anonym natürlich. Da könnte man wirklich viel lernen was ein guten (oder schlechten) Antrag ausmacht. Und die Gutachter würden sich vielleicht Mühe geben, etwas nachvollziehbar zu urteilen. Wenn man dann noch als Wissenschaftler direkt Kommentare dazu abgeben könnte und diskutieren wäre das ne feine Sache…

  2. #2 Christian Reinboth
    5. März 2010

    @Florian

    Ist es wirklich so, dass Antrag-schreiben nicht honoriert wird? Ich kenn das so, dass die Karriere ganz extrem davon abhängt, wie gut man in der Drittmitteleinwerbung ist…

    Vielleicht ein Unterschied zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung. Für die Grundlagenforschung kann und möchte ich das ob mangelnder Eigenerfahrungen gar nicht beurteilen, aber in anwendungsorientierten Zweigen ist – so zumindest meine Erfahrung – der Job eher undankbar und unbeliebt. Ich weiß ja auch nicht, wie das bei euch so organisiert ist – aber nicht immer ist ja der, der den Antrag schreibt auch der, der das Geld bekommt und damit die Mittel “offiziell” einwirbt. Davon abgesehen sind mir schon viele Anträge begegnet, die so unverständlich waren, dass ich mir allgemein wünschen würde, dass auf bessere Vermittlung von Ideen mehr Wert gelegt werden würde (das würde ja auch in anderen Bereichen helfen).

    Kann aber auch kritisch sein… nicht jeder abgelehnte Antrag ist auch tatsächlich schlecht; leider spielen oft auch andere Sachen mit rein und nicht nur die wissenschaftliche Qualität. Sowas sollte dann nicht unbedingt mit wirklich schlechten Ideen in einen Topf geworfen werden.

    Genau um die geht es mir ja! Ein Wiki mit den schlechtesten Anträgen aller Zeiten wäre vielleicht amüsant, aber sicher nicht zielführend. Teilweise gehen aber auch gute Anträge aus ganz verschiedenen Gründen – Hochschulpolitik, Mittelvergabe, große Politik etc. pp. – den Bach runter, die sich in einem anderen Bundesland mit einem anderen Programm möglicherweise doch umsetzen ließen. Auf diese Weise kommt vielleicht sogar der ursprüngliche Antragsteller noch zu seinem Projekt – wenn man eine Möglichkeit findet, ihn in den neuen Antrag miteinzubeziehen. Zumindest aber wäre vielleicht die eine oder andere Idee nicht verloren…

    Was aber interessant wäre: wenn die DFG beispielsweise alle eingereichten Anträge (egal ob akzeptiert oder nicht) veröffentlicht PLUS die Gutachten dazu – anonym natürlich. Da könnte man wirklich viel lernen was ein guten (oder schlechten) Antrag ausmacht. Und die Gutachter würden sich vielleicht Mühe geben, etwas nachvollziehbar zu urteilen. Wenn man dann noch als Wissenschaftler direkt Kommentare dazu abgeben könnte und diskutieren wäre das ne feine Sache…

    Sowas in der Art schwebt mir da vor, wobei mich die “eine Nummer kleineren” BMWi- oder ZIM-Anträge mehr interessieren würden. So oder so wäre eine Sammlung von Anträgen in vielerlei Hinsicht eine wertvolle Ressource. Hat jemand schon mal die gleiche oder eine ähnliche Idee umgesetzt? Welche Antragsideen funktionieren in welchem Programm – und welche nicht? Wo befasst sich jemand mit ähnlichen Projekten, den ich vielleicht noch in mein Programm einbinden könnte? etc. pp.

    Eine klasse Idee übrigens, die Gutachten auch noch mit einzubauen – das würde so eine Sammlung tatsächlich noch wesentlich interessanter machen…

  3. #3 Knut
    5. März 2010

    Ich habe keine Ahnung wie du darauf kommst, dass das Schreiben von Anträgen nicht honoriert wird. Es gibt für eine wissenschaftliche Karriere – neben den üblichen wissenschaftlichen Publikationen – *nichts* was fördernder ist, als erfolgreiche Funding-Anträge. Mehr noch, wer nicht bewiesen hat, dass er dazu in der Lage ist Geld anzuschleppen, kann sich das mit dem Prof. normalerweise an den Hut stecken.

    Dies gilt übrigens insbesondere für anwendungsorientierte Fächer wie dein eigenes, die (Wirtschafts)-informatik. Einige Unis/Fachbereiche zahlen ihren Professoren sogar Prämien für erfolgreiche Anträge, es wird also auch noch auf andere Art honoriert.

    Kurz: ich halte deine ganze Prämisse für völlig falsch. Anträge schreiben macht, anders als Paper schreiben, keinen großen Spaß. Deswegen ist es nicht unbedingt beliebt. Aber karrierefördernder geht es kaum.

    (Einzige Ausnahme: wenn Doktoranden Anträge schreiben. Die dürfen diese offiziell ja gar nicht stellen und landen somit nur sehr begrenzt in ihrem Lebenslauf.)

  4. #4 Christian Reinboth
    5. März 2010

    @Knut:

    Es gibt für eine wissenschaftliche Karriere – neben den üblichen wissenschaftlichen Publikationen – *nichts* was fördernder ist, als erfolgreiche Funding-Anträge. Mehr noch, wer nicht bewiesen hat, dass er dazu in der Lage ist Geld anzuschleppen, kann sich das mit dem Prof. normalerweise an den Hut stecken.

    Ich glaube wir beziehen uns einfach auf unterschiedliche Ebenen. Ich dachte eher weniger an DFG- oder ähnliche Anträge, die von den Professoren. selbst eingereicht werden, sondern eher an kleinere Programme wie ZIM oder FHProfUnd bzw. an Anträge von Doktoranden (die hast Du ja aber auch schon genannt).

  5. #5 Sven Türpe
    5. März 2010

    Einzige Ausnahme: wenn Doktoranden Anträge schreiben. Die dürfen diese offiziell ja gar nicht stellen und landen somit nur sehr begrenzt in ihrem Lebenslauf.

    Wieso eigentlich nicht? Gerade dem Nachwuchs müsste man doch Risikokapital in die Hand drücken, um frische Ideen zu fördern.

  6. #6 jitpleecheep
    6. März 2010

    In der industrienahen Forschung (zumindest den kleinen Ausschnitt den ich kenne) ist es vielleicht nicht unbedingt für die rein wissenschaftliche Karriere (im Sinne von Ruhm & Ansehen) förderlich. Aber auf den beruflichen Werdegang hat das schon einen Effekt, ob man für sein Unternehmen einen Auftrag klar macht oder nicht. Selbst wenn’s nicht funktioniert — alleine die Arbeit und der Wille dahinter macht Eindruck.

    Sei es wie es sei, was zum eigtl Thema: Ich finde die Idee wirklich gut, nur muss auch sichergestellt werden, dass da nicht einfach ein Ideenklau stattfindet (beim Wort “Wiki” gehen da bei mir Alarmglocken los… 🙂 ).
    Fraglich ist auch, ob diese abgelehnten Anträge wirklich komplett in der Versenkung verschwunden sind, oder ob nicht z.B. der Antragsteller Teile des Projekts wiederverwertet und/oder mit anderen Mitteln finanziert hat.

  7. #7 Bernd
    6. März 2010

    Passend zum Thema engagiert sich diese Initiative für vereinfachte Strukturen beim ERF:
    https://www.trust-researchers.eu/
    Okay, passt nicht wirklich zum Thema abgelehnte Anträge…
    Kritisch sehe ich vor allem die Gefahr, dass geistiges Eigentum bzw. gute Ideen geklaut werden, falls die abgelehnten Anträge veröffentlicht werden. Meiner Ansicht nach hat der Zeitdruck bei der Antragsstellung stark zugenommen. Neue Ideen müssen so schnell wie möglich in Antragsform gepresst wereden, weil die Konkurrenz nicht schläft. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich jemand aus fremden Anträgen bedient, um schnell einen eigenen aufzupeppen. Leider.