Vor etwa 200.000 Jahren tummelte sich eine afrikanisch anmutende Großfauna um einen See im heutigen Geiseltal und hinterließ dort einen fossilen Schatz, der noch bis zum Januar 2011 im Rahmen der Ausstellung „Elefantenreich” im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle gezeigt wird. Einige Impressionen und eine Besuchsempfehlung.

In dieser Woche sieht es mit Zeit zum Bloggen wieder mal mau aus – auch wenn es immerhin noch für einen Gastartikel zu museum-digital im offiziellen Historikertags-Blog gereicht hat – aber über diese großartige Ausstellung, die ich am Wochenende in Halle besuchen durfte, musste ich einfach kurz etwas schreiben. Gezeigt werden Fundstücke aus Neumark-Nord 1, einem ehemaligen Braunkohletagebau im Saalekreis – und einer fossilen Schatzkiste mit 80 bis 480 Funden pro Quadratmeter.

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In Neumark-Nord, das sich im fossilienreichen Geiseltal (Urpferdchen) befindet, wurde seit Ende des 17. Jahrhunderts Braunkohle abgebaut – lange in relativ geringen Mengen, zu DDR-Zeiten schließlich in sehr viel größerem Maßstab. Der Abbaubetrieb wurde 1993 eingestellt, 1998 entdeckte dann der Archäologe Prof. Dietrich Mania die heute als Neumark-Nord 1 bezeichnete Fundstätte, in der seit 2003 systematische Ausgrabungen stattfinden.

Der Gigant aus dem Geiseltal

Eine besondere Bedeutung gewann die Fundstätte aufgrund der mehr als 70 Exemplare des Europäischen Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus) – darunter mehr als 10 vollständige Exemplare – die dort aufgefunden wurden, und mit denen das noch lückenhafte Bild der Wissenschaft von diesen Großsäugern vervollständigt werden konnte. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass es sich beim „Wald”elefanten eigentlich um ein Steppentier gehandelt haben muss, dessen nächster heutiger Verwandter der Indische Elefant ist.

Ein lebensgroßes Modell des Europäischen Waldelefanten bildet übrigens das Zentrum der Ausstellung – und ist gleichzeitig das einzige Exponat, dass frei fotografiert werden darf, weshalb der Artikel – leider – etwas arm an Darstellungen sein muss.

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Mit mehr als vier Metern Schulterhöhe und Stoßzähnen von über drei Metern Länge übertraf der Europäische Waldelefant – ähnlich wie das bekanntere Mammut* – heute existierende Elefantenarten deutlich und war sicherlich das dominierende Lebewesen des in Neumark-Nord konservierten Warmbiotops – auch wenn es durchaus Feinde hatte, darunter einen Vorfahren des Neanderthalers, der ebenfalls im Gebiet des heutigen Geiseltals lebte und zahlreiche Artefakte wie Faustkeile, gravierte Knochen und Speerspitzen hinterließ.

Mindestens ein „Elefanten-Schlachtplatz” konnte in Neumark-Nord bereits nachgewiesen werden, wobei es zumindest so aussieht, als hätten unsere Vorfahren nie in der Nähe des Sees gelebt, sondern lediglich dort gejagt.

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Nashörner, Auerochsen, Höhlenlöwen…

Natürlich finden sich in Neumark-Nord nicht nur Elefanten und Faustkeile, vielmehr ließ sich dank der Bandbreite der Fundstücke nicht nur die Groß- sondern auch die Kleinfauna und sogar die Flora in großem Detail rekonstruieren, wobei gerade die Flora auch aus Sicht des Klimaforschers von großem Interesse ist. Aus der großen Menge der in Halle ausgestellten Exponate haben mich vor allem das vollständige Skelett eines Höhlenlöwen (der übrigens nicht in Höhlen lebte und erst vor knapp 20.000 Jahren ausstarb) sowie die fossilen Reste der gleich drei Nashornarten fasziniert, die einst – gleichzeitig – das Geiseltal bevölkerten: Waldnashorn, Steppennashorn und Wollnashorn. Dabei gilt das gleichzeitige Auftreten des Wollnashorns, bei dem es sich, wie der Name schon andeutet, um ein Kaltzeittier handelt, mit den beiden Warmzeit-Nashörnern als äußerst ungewöhnlich.

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Todesursache: Mensch?

Eine der spannendsten offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Europäischen Waldelefanten ist der Grund ihres Aussterbens vor rund 100.000 Jahren während der sogenannten „Quartären Aussterbewelle”. Unklar ist, ob die klimatischen Änderungen am Ende der letzten Eiszeit, der Einfluss des Menschen oder eine Kombination beider Faktoren zum Verschwinden dieser (und zahlreicher anderer Großarten) geführt hat.

Im Hinblick auf den Waldelefanten vermutet man, dass bereits ein dauerhafter Verlust von etwa 4% der Population durch Jagd langfristig zu einem Aussterben der Art geführt hätte – demzufolge könnte es tatsächlich der Mensch gewesen sein, der letztendlich das Ende der Ära dieser riesigen Säugetiere einläutete, auch wenn die Elefanten nicht die Hauptbeute unserer Vorfahren gewesen sein dürften. Dafür spricht auf jeden Fall, dass das Einsetzen des Aussterbens regional fast überall mit der Ausbreitung des Menschen zusammenfällt…

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Rückgang großer Säugetierarten und Auftreten des Menschen im zeitlichen Zusammenhang (aus: Martin P. S. (1989). Prehistoric overkill: A global model. In Quaternary extinctions: A prehistoric revolution (ed. P.S. Martin and R.G. Klein). Tucson, AZ: Univ. Arizona Press. pp. 354-404. ISBN 0-8165-1100-4; gefunden in der Wikipedia)

Noch ist die „Overkill-Hypothese” zwar umstritten, sollte sie sich jedoch irgendwann schlüssig beweisen lassen, wäre dies immerhin ein Beleg dafür, dass der Mensch – auch ohne Zivilisation und Techniken jenseits des Faustkeils – in der Lage dazu ist, seine Umwelt allein durch Bejagung so erheblich zu beeinflussen, dass es zum Aussterben von Arten kommt…

Ein Besuch lohnt sich…

Ein besonderes technisches Schmankerl im Landesmuseum ist übrigens dieser mit einem Infrarotsensor ausgestattete Audio-Museumsführer, den man mit einem Knopfdruck auf die „Frequenz” eines Exponats in der Nähe „tunen” kann, so dass sich die Audio-Führung dem eigenen Weg durch die Ausstellung anpasst – ein wirklich schickes Gimmick…

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Einen Besuch im „Elefantenreich” kann ich daher nur empfehlen – und wer die faszinierende Himmelsscheibe von Nebra noch nicht gesehen hat, kann das bei dieser Gelegenheit gleich nachholen. Schade nur, dass bislang recht wenige Exponate aus der gelungenen Ausstellung im Internet gezeigt werden – und auch via museum-digital lassen sich kaum Impressionen aus dem Museum finden, wobei immerhin das ebenfalls im Geiseltal gefundene “Mammut von Pfännerhall” schon mal vertreten ist…

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Quelle: Elefantenreich – Eine Fossilwelt in Europa. Begleithefte zu Sonderausstellungen im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, Band 2, herausgegeben von Harald Meller, Halle, 2010.

*Kurzes Trivia-Fact zum Thema „Mammut”, das sich nicht mehr im Artikel unterbringen ließ: Der Name „Mammut” leitet sich aus dem sibirischen Wortstamm für „unter der Erde lebend” ab. Da in Sibirien immer wieder im Permafrost eingefrorene Mammuts auftauchten, nahmen die Einheimischen früher an, dass es sich um ein in der Erde lebendes Tier handelt – und benannten es dementsprechend…